"Mein Bruder heißt Robert..." von Philip Gröning

Ein Film, der hingeht, wo Kino aufhört

Die Zwillinge Elena (Julia Zange) und Robert (Josef Mattes) auf einer Wiese mit Blick auf eine Tankstelle im Hintergrund.
Erleben ihren letzten gemeinsamen Sommer: die Zwillinge Elena (Julia Zange) und Robert (Josef Mattes). © © 2017 Philip Gröning
Philip Gröning im Gespräch mit Susanne Burg und Patrick Wellinski · 21.02.2018
Ein letzter gemeinsamer Sommer, ein letztes Aufbäumen der Kindheit: In seinem Film "Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot" erzählt Regisseur und Autor Philip Gröning von der Philosophie der Zeit und findet dafür besondere Bilder.
Elena steht kurz vor dem Abitur. Nach dem Wochenende ist Prüfung. Ihr Bruder Robert hilft ihr bei den Vorbereitungen. Es ist ihr letzter gemeinsamer Sommer inmitten wogender Kornfelder auf dem Land.
Die Grundidee von "Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot" sei gewesen, genau den Moment zu zeigen, in dem Geschwister sich trennen, sagt Regisseur Philip Gröning. "Dieser letzte Moment, wo man weiß, die Kindheit geht zusammen zu Ende und man sich eigentlich verabschieden will und dadurch noch einmal zurückdriftet, in alle Rituale des gemeinsamen Aufwachsens."

Eine eigene Zeitkapsel

Die Geschwister Elena und Robert sind sich sehr nah – wie zwei Seiten derselben Medaille. Regisseur und Autor Gröning wollte ganz bewusst die Geschichte eines Zwillingspaares erzählen, da diese im Gegensatz zu Einzelkindern eine andere Zeit hätten. Und Zeit sei das zentrale Thema des Films. "Elena und Robert haben eine besondere eigene Zeitkapsel, die sie jetzt verlassen müssen. Einer bleibt noch da, der andere geht weg – und diese Zeitkapsel zu verlassen, das ist ein riesiger Schritt."
Robert (Josef Mattes) und Elena (Julia Zange) liegen lesend auf einer Wiese im Sommer.
Robert (Josef Mattes) hilft Elena (Julia Zange) bei der Vorbereitung auf die Abiturprüfung in Philosophie.© © 2017 Philip Gröning
Zentral für den Film sind darüber hinaus die Theorien zum Zeitbegriff der Philosophen Augustinus und Heidegger. "Augustinus ist die Grundlage des europäischen Zeitverständnisses überhaupt", erklärt Gröning. "Der Mensch ist das einzige Wesen, das ein Zeitbewusstsein hat. Und alles, was wir als Menschen definieren, beruht darauf, dass wir ein Zeitempfinden haben."
An Heidegger hat den Filmemacher besonders interessiert, dass er versuche, dahin zu denken, wo die Sprache aufhört. "Und ich habe versucht, einen Film zu machen, der dahin geht, wo das Kino aufhört."

Die Kunst, in der Gegenwart zu sein

Das Zeit-Motiv übersetzt Gröning auch in seine Bildsprache. Die Natur spielt darin eine wichtige Rolle. "Das hing für mich immer zusammen, diese schöne bayerische Voralpenlandschaft, mit dem Denken über Zeit. Die Natur macht klar, dass der Mensch in der Welt wirklich willkommen ist. Gleichzeitig haben wir das Problem, dass unser Bewusstsein uns ununterbrochen daran hindert, in der Gegenwart zu sein."
Der Filmemacher Philip Gröning
„Ich erzähle mit der Absolutheit der Figur": Regisseur Philip Gröning.© © 2016 Thomas Longo
Immer wieder zeigt der Film unter anderem Gräser oder Ameisen in Nahaufnahme. Für die Erzählung sind diese Close-ups sehr wichtig, sagt Philip Gröning. "Ich bin ein Gegner von dem deutschen Kino, das nur vergrößertes Fernsehen ist. Entweder man hat Bilder, oder man hat keine. Und wenn man keine hat, braucht man nicht ins Kino zu gehen."
Mit den Nahaufnahmen entstehe darüber hinaus in den Zuschauern das Gefühl, der Mensch sei zunächst einfach Körper, einfach existent. "Dieses Faktische, dass ich zugucke und sage: Das alles ist da. Das ist Welt und wir sind genauso Teil dieser Welt. Und genauso wie die Ameise da und plötzlich wieder weg ist, sind wir auch da und plötzlich wieder weg – nur glauben wir, weil wir ein Bewusstsein haben, dass wir herausgestellt wären."
(luc)
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