Mehr Anlegerschutz beim Börsenhandel

Markus Ferber im Gespräch mit Gabi Wuttke · 21.06.2013
Der Europa-Abgeordnete Markus Ferber hat gefordert, dass bei Finanzprodukten das Verbraucherinteresse im Mittelpunkt stehen müsse und nicht das Vertriebsinteresse. Der CSU-Politiker kritisierte, dass es da eine massive Schieflage gebe, weil Finanzprodukte mit offenen und versteckten Provisionen gehandelt würden.
Gabi Wuttke: Am Telefon ist jetzt Markus Ferber, der Christsoziale hält seine konservative Fraktion im Europaparlament über das Vorhaben auf dem Laufenden. Einen schönen guten Morgen!

Markus Ferber: Schönen guten Morgen, Frau Wuttke!

Wuttke: Herr Ferber, die anfallenden Kosten für den Abschluss einer Geldanlage offenzulegen ist für den Ministerrat keine Geschäftsgrundlage mehr. Warum?

Ferber: Das dürfen Sie mich nicht fragen, ich bin ja nicht Finanzminister, sondern Europaabgeordneter, aber ich bin maßlos enttäuscht, dass auf der Ebene der Mitgliedsstaaten viel an Dynamik in den letzten Jahren verloren gegangen ist. Ich erinnere mich noch gut, zu Beginn der Finanzkrise, wo die Hauptstädte große Versprechen gemacht haben, wie sie auf die Krise, die entstanden ist, reagieren wollen, wie sie helfen wollen, dass auch zukünftig Verbraucher besser geschützt werden, dass die Produktentwicklung verbraucherfreundlicher ist. Wir haben das als Parlament sehr ernst genommen und aufgegriffen – und jetzt stellen wir fest, dass die Mitgliedsstaaten außer schönen Worten wenig an Konkretem beigeliefert haben, und deswegen werden das sehr, sehr schwierige Verhandlungen werden.

Wuttke: Was bliebe den Verbrauchern denn erspart, würden Provisionen in ganz Europa offen auf den Tisch gelegt?

Ferber: Ich glaube, es geht darum, dass Finanzprodukte das Verbraucherinteresse im Mittelpunkt haben müssen und nicht das Vertriebsinteresse. Das heißt, nicht der, der ein Finanzprodukt verkauft, soll am Ende der Gewinner sein, sondern der, der in ein Finanzprodukt anlegt. Und da sind wir in einer massiven Schieflage, mit versteckten Provisionen, mit offenen Provisionen, und das hat auch vor der Finanzkrise dazu geführt, dass viele Papiere an Privatkunden verkauft wurden, die eigentlich auch bei Privatkunden überhaupt nichts zu suchen haben, risikoreiche Papiere. Und darum geht es hier, umfangreiche Informationen zur Verfügung zu stellen und alles, was an versteckten Provisionen ist, aus den Produkten rauszukehren, die Dinge offenzulegen, damit ich weiß – ich will langfristig anlegen, weil ich eher fürs Alter plane, oder ich will kurzfristiger anlegen, weil ich fürs neue Auto sprare –, dass dafür auch ideale Produkte entwickelt werden, und nicht, weil ich ein Vertriebsmensch bin und eine ordentliche Provision kassieren will, wenn ich irgendeinen über den Tisch ziehe.

Wuttke: Sie haben gesagt, Sie sind maßlos enttäuscht, dass dieser Punkt aus der Vorlage verschwunden ist. Das Europaparlament – wir haben es jetzt eben auch noch mal gehört – hat mehr Rechte als früher. Auf welchem Weg gibt es für das Parlament in diesem fortgeschrittenen Stadium noch Möglichkeiten, Nachbesserungen an dieser Finanzmarktrichtlinie durchzusetzen?

Ferber: Also wir sind jetzt nicht in einem Stadium, wo das Parlament nichts mehr zu sagen hätte.

Wuttke: Das beruhigt mich.

Ferber: Das Parlament hat mit ganz großer Mehrheit meine Vorschläge zu diesem Themenbereich übernommen. Ich bin ja der Berichterstatter für das gesamte Europäische Parlament, ich leite die Verhandlungen für das Europäische Parlament, und die Mitgliedsstaaten sind an der Stelle sehr, sehr schwach geblieben. Und das wird jetzt nicht ein 50:50-Kompromiss werden - jeder muss die Hälfte abgeben und dann trifft man sich in der Mitte -, sondern beim Verbraucherschutz werden wir sehr, sehr streng sein und hohe Anforderungen stellen. Wir müssen schon dafür sorgen, dass die Menschen ihr sauer verdientes Geld, das sie sparen wollen für die Zukunft, so anlegen können, dass sie das, was sie dann mit dem Geld später mal machen wollen, auch wirklich tun können und es nicht irgendwo in den Finanzmärkten verloren geht. Und zum Zweiten ist diese MiFID-Richtlinie – der Name ist ja schon mal gefallen – ein sehr komplexes Ding. Es gibt also viele Themen, über die wir zu reden haben. Wie funktionieren Börsen, was gibt es für andere Handelsplätze? Wie könnten wir den Hochfrequenzhandel deutlich beschränken? Wie können wir dafür sorgen, dass keine Lebensmittelspekulationen stattfinden, also Spekulationen auf Lebensmittel? Das ist eine Vielzahl von Themen, wo wir als Parlament eine sehr strenge Position formuliert haben, und unser Ziel ist schon, 80 bis 90 Prozent davon auch durchzusetzen.

Wuttke: Und wenn es dann mit 2014 nichts wird, dann ist das eben so?

Ferber: Ich gehe schon davon aus, dass es was wird mit 2014. Ich habe jetzt viele Vorgespräche geführt, auch mit der neuen Ratspräsidentschaft, die am 1. Juli ins Amt kommt in Litauen, die sehr interessiert sind, zu einer Einigung zu kommen. Dieses Land hat es in der Finanz- und Wirtschaftskrise auch sehr, sehr hart getroffen. Sie wissen, was es bedeutet, wenn man hier nicht gute Spielregeln etabliert hat. Und darum bin ich schon optimistisch, dass wir es bis zum Ende des Jahres hinkriegen. Wir haben einen sehr engagierten Zeitplan, wir werden uns sehr, sehr oft treffen, alle zwei Wochen sollen intensivste Verhandlungen stattfinden, die dann mit technischen Gesprächen begleitet werden, um Texte zu klären. Und wenn wir dieses Tempo durchhalten, dann gelingt es auch bis zum Ende des Jahres, fertig zu werden. Wir haben sowieso schon ein Jahr Verzögerung. Ursprünglich war das Versprechen, bis Ende 2012 keine unregulierten Märkte und keine unregulierten Produkte mehr zu haben in der Welt, das war ein G-20-Versprechen.

Wuttke: Daran kann sich nicht nur der Wähler erinnern, Herr Ferber. Aber Sie haben ja schon ein bisschen angerissen, wie viele Einzelmaßnahmen in dieser Richtlinie stecken. Können Sie dem ganz normalen Menschen mal erklären: Man erwartet ja nicht, dass das alles auf einen Bierdeckel passt, die Finanzmärkte stärker zu kontrollieren.

Ferber: Ja, das gelingt auch nicht!

Wuttke: Wir würden ja auch ein einfaches "Basta!" nehmen. Warum geht es nicht?

Ferber: Es ist natürlich eine sehr komplexe Welt, das darf man nicht unterschätzen, und wenn Sie an einer Schraube drehen, hat das sehr große Auswirkungen. Also allein die Frage, was sind die Handelsplätze, auf denen Finanzpapiere gehandelt werden – da gibt es Marktinteressen, da gibt es Verbraucherinteressen. Da wollen wir eigentlich die Grundregel durchsetzen: kein Handel von irgendeinem Finanzpapier ohne eine Regulierung, also alles auf regulierten Märkten. Da ist der Rat auch viel nachlässiger, den interessiert mehr die Frage, dass ein fairer Preis entsteht, egal wo.

Wuttke: Also eine Hand wäscht die andere irgendwie in gewisser Weise?

Ferber: Na ja, da werden wir auch viel zu streiten haben. Ich will nur sagen: Es sind ungefähr zehn, zwölf Themen, die da zu bearbeiten sind. Der Verbraucherschutz ist ein ganz wichtiges, ich hatte das Stichwort Spekulation mit Lebensmittelderivaten angesprochen, Hochfrequenzhandel. Es wird nicht leicht, aber wir sind alle, gerade von Parlamentsseite, von dem Willen getrieben, hier zu einer Einigung zu kommen und zeitnah zu einer Einigung zu kommen. Das heißt aber nicht, Positionen aufzugeben.

Wuttke: Herr Ferber, dann sagen Sie mir aber ganz kurz auch noch: Die Niederlande haben seit 1. Januar ein prinzipielles Provisionsverbot. Warum ist Ihre Fraktion dagegen gewesen?

Ferber: Ja, Sie müssen schon mal sich überlegen, wie die Vertriebsstrukturen in den Niederlanden sind im Verhältnis wie die Vertriebsstrukturen bei uns in Deutschland sind. Das Gros der Privatkunden ist bei öffentlich-rechtlichen Banken oder bei genossenschaftlichen Banken und nicht bei irgendwelchen unabhängigen Finanzberatern, wie das in Holland und in Großbritannien eher der Fall ist. Sie müssen auch sehen, dass Europa sehr unterschiedlich strukturiert ist in diesen Fragen, und deswegen kann es auch nur auf der Ebene der Mitgliedsstaaten entschieden werden. Wir haben uns ja nicht dagegen ausgesprochen, wir haben nur gesagt: Das sollen die Mitgliedsstaaten festlegen, gemäß ihren Strukturen. Europa ist etwas bunter und vielfältiger, als dass man das alles über einen Leisten schlagen kann.

Wuttke: … sagt Markus Ferber von der CSU, Berichterstatter für die Finanzmarktrichtlinie für das Europaparlament, halbwegs richtig habe ich jetzt gesagt, glaube ich, was Sie tatsächlich sind. Herr Ferber, ich danke Ihnen! Heute wollen die EU-Finanzminister über diese Richtlinie beraten. Besten Dank und schönen Tag Ihnen!

Ferber: Gerne, Frau Wuttke!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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