Medizinerin zu Eingriffen in die menschliche Keimbahn

Für ethische Standards "made in Germany"

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Ein mit Mund- und Kopfschutz verhüllter Wissenschaftler bringt mit einer Pipette Flüssigkeit in eine Petrischale. Das geschieht unter dem Objekt einer Kamera.
Wissenschaftler in chinesischem Genlabor: Wo sind die Grenzen der Eingriffe in die menschliche Keimbahn? © picture alliance / dpa / AP / Mark Schiefelbein
Alena Buyx im Gespräch mit Dieter Kassel · 09.05.2019
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Eingriffe in die menschliche Genstruktur sind in Deutschland für viele ein Tabu. In Ländern wie etwa China wird dagegen experimentiert. Alena Buyx, Mitglied des Deutschen Ethikrats, sagt: Deutschland darf seine hohen Ethikstandards nicht aufgeben.
Blauäugig, musikalisch begabt, ehrgeizig – wird es bald möglich sein, sich mit Hilfe der Genforschung das perfekte Designerbaby kreieren zu lassen? Weltweit wird darüber diskutiert, wie Eingriffe in die menschliche Keimbahn gesetzlich geregelt werden sollen. Das ist nicht einfach, weil jedes Land bisher anders damit umgeht - und die Messlatte für erlaubte Manipulationen am Erbgut entweder besonders hoch, wie in Deutschland, oder auch sehr niedrig hängt.
Eingriffe in die Genstruktur von Embryonen, wie sie 2018 in China etwa an Zwillingen vorgenommen wurden, um die Übertragung des HI-Virus zu verhindern, wirken sich nicht nur auf die Babys selbst aus, sondern auch auf deren Nachkommen. Die Folgen solcher Eingriffe sind bislang nicht abschätzbar.

"Ein forschungsethisches Desaster"

Am heutigen Donnerstag wird der Deutsche Ethikrat nun seine Stellungnahme "Eingriffe in die menschliche Keimbahn" vorstellen. Ethikrat-Mitglied Alena Buyx, Direktorin des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin an der Technischen Universität München, sagte im Deutschlandfunk Kultur:
"Unabhängig davon, dass es global sehr unterschiedliche Arten gibt, damit umzugehen, heißt das für uns in Deutschland nicht, dass wir unsere Standards fahren lassen sollten. Ich glaube sehr daran, dass wir Ethik 'Made in Germany‘ als einen Faktor für gute Innovation verankern sollten." Denn was in China geschehen sei, "war aus forschungsethischer Sicht ein Desaster. Es waren ja ganz gesunde Kinder – gesunde Embryonen, ohne eine gesundheitliche Störung oder Erkrankung -, die einem ersten Versuch unterzogen wurden. Mit einer Technologie, die überhaupt noch nicht ausgereift ist."

Eltern wurden offenbar nicht aufgeklärt

Für besonders bedenklich hält die Medizinerin die Tatsache, dass die Eltern der Kinder offenbar nicht über das Experiment aufgeklärt wurden - und in der Annahme zugestimmt hätten, es handle sich um ein Impfexperiment.
Hinzu komme: Man könne die Übertragung von HIV von Eltern auf ihre Kinder auch jetzt schon durch andere Methoden verhindern – "und mit viel weniger risikoreichen Mitteln". Deshalb habe der Fall in China mehr Schaden als Nutzen für die Genforschung angerichtet.

Unerwünschte Nebeneffekte verhindern

Derzeit gebe es weltweit wohl niemanden, der sagen würde, man dürfe derlei Technik für Experimente an der menschlichen Keimbahn jetzt schon einsetzen, so Buyx. Doch das heiße nicht, dass die Technik für immer und alle Zeiten bedenklich und unethisch bleiben müsse - "nur weil es diesen einen desaströsen Versuch in China gab".
Frage man heute nach der Akzeptanz von gezielten genetischen Veränderungen, würden viele Menschen diese positiv bewerten, wenn es um die Bekämpfung schwerer Erkrankungen gehe. Wichtig sei vor allem, unerwünschte Nebeneffekte – sogenannte Off-Target-Mutationen - zu vermeiden.
(mkn)
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