Medien und Meinungen

Enttarnungen, Ermittlungen und @potus

04:28 Minuten
05.11.2016
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von Jochen Dreier Mutmaßliche Hintermänner der Hetzseite Anonymous.Kollektiv enttarnt Die Süddeutsche Zeitung und Vice haben einen Screenshot enthüllt, der die Betreiber der hetzerischen und rechten Facebookseite Anonymous.Kollektiv zeigen soll.
von Jochen Dreier
Mutmaßliche Hintermänner der Hetzseite Anonymous.Kollektiv enttarnt
Die Süddeutsche Zeitung und Vice haben einen Screenshot enthüllt, der die Betreiber der hetzerischen und rechten Facebookseite Anonymous.Kollektiv zeigen soll. Diese Seite hat vor allem im letzten Jahr für Schlagzeilen gesorgt, da sie mit ihren rechten Verschwörungstheorien Hass auf Flüchtlinge geschürt und sogar zu Waffengewalt gegen sie aufgerufen hat. Es wurde von der Staatsanwaltschaft Thüringen ermittelt. Dann verschwand die Seite aus dem Netz, beziehungsweise suchte sich neue Kanäle über das Ausland.
Das Bild zeigt den Administrationsbereich der Seite bevor sie offline ging. Dort zu sehen sind Profile von drei verschiedenen Menschen mit deren Namen. Einmal ein wenig bekannter Sänger einer Rechtsrockband, dann der Name Mario Rönsch und der Name Kai Homilius.
Mario Rönsch ist ein bekannter Rechtsradikaler, der seit langem in Verbindung mit der Seite gebracht wurde. Allerdings hat er sich dagegen rechtlich gewehrt, verschiedene Medien sogar verklagt, weil sie ihn als Betreiber bezeichneten. Die Staatsanwaltschaft Thüringen hatte damals gegen ihn ermittelt, das Verfahren aber eingestellt, da er nicht auffindbar war. Nach eigenen Angaben lebt er im Ausland.
Die eigentlich Überraschung ist aber wohl der Name Kai Homilius. Er ist der Verleger des rechts-populistischen Magazins Compact, dass im Jahr 2015 seine Auflage vervierfachen konnte. Dazu hat auch die Hetzseite Anonymous.Kollektiv beigetragen, indem sie immer wieder Inhalte des Magazins teilte und kräftig die Werbetrommel rührte.
Sollte der Verleger des Magazins, das auch der AfD nahesteht, nun wirklich sogar administrative Rechte bei der Hetzseite gehabt haben, dann wäre das auch strafrechtlich von Bedeutung. Denn dort wurde immer wieder zu Waffengewalt aufgerufen und Volksverhetzung betrieben.
Christian Fuchs, Reporter für die Wochenzeitung Die ZEIT, hat im Juni eine Recherche über das Compact-Magazin und dessen Chefredakteur Jürgen Elsässer veröffentlicht. Er meint zu den Veröffentlichungen:

"Dass der Verleger Kai Homilius von Compact direkt Betreiber der Seite mit war und Administrator, das hätte ich nicht gedacht, zumal der andere Betreiber sogar einen Marketingvertrag mit Compact hatte und für Abo-Werbung bezahlt wurde. Also diese konkreten Verbindungen waren für alle überraschend."

Ein endgültiger Beweis ist der Screenshot nicht. Da müssen jetzt die Strafverfolgungsbehörden erneut ansetzen.
Das gesamte Interview mit Christian Fuchs:
DOWNLOAD MP3 (04:20 | 10 MB)
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Staatsanwälte ermitteln gegen Mark Zuckerberg
Nicht nur die Hetzseiten standen immer wieder in der Kritik, sondern vor allem auch Facebook. Denn auf der Plattform bleiben menschenverachtende, volksverhetzende Inhalte viel zu lange stehen. Dass eine Seite wie Anonymous.Kollektiv, die zu Waffengewalt gegen Menschen aufrief, überhaupt so lange online war und ihre Inhalte teilen konnte, ist für viele der eigentliche Skandal.
Bisher haben Klagen gegen das Netzwerk nichts gebracht, das könnte sich jetzt ändern. Die Staatsanwaltschaft München I soll Ermittlungen gegen Manager des Sozialen Netzwerks eingeleitet haben - darunter auch gegen Mark Zuckerberg selbst.
Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel meldete, dass ihm Informationen über die Ermittlungen vorlägen. Den Managern, aber auch dem Europa Cheflobbyist Richard Allan und der deutschen PR-Chefin von Facebook Eva-Maria Kirschsieper wird Volksverhetzung vorgeworfen.
Ausgelöst hat das Verfahren eine Strafanzeige des Würzburger Anwalts Chan-jo Jun. Er hat den Managern des Konzerns vorgeworfen, Mordaufrufe, Gewaltandrohungen, Holocaustleugnung und andere Delikte zu dulden. Bisher wurden alle vorherigen Klagen gegen internationale Manager abgelehnt, mit der Begründung, die Verantwortlichen würden sich außerhalb des deutschen Rechtssystems befinden. Diese Praxis könnte jetzt ein Ende haben.
Breitband-Meme der Woche
Der erste »Social-Media-Präsident« der USA tritt ab. Barack Obama hat in den acht Jahren seiner Amtszeit das Weiße Haus in die Welt der sozialen Medien mitgenommen - und das sehr erfolgreich. Was passiert nun mit den Accounts?
Das Weiße Haus hat einen langen Artikel darüber veröffentlicht, wie sie den @potus archivieren wollen. Und das ist höchst spannend, denn völlig neu und einzigartig in der Geschichte der USA. Früher wurde alles Analoge - Handschriften, Faxe und so weiter - archiviert, dann folgten Webseiten und nun eben auch Tweets und Snaps. Das alles kommt ins NARA, in das Nationale Archiv der USA.
Doch damit nicht genug: Beispielsweise wird der Twitteraccount @potus zur Vereidigung der neuen Präsidentin oder dem neuen Präsidenten übergeben, mit allen Followern, aber ohne Tweets in der Timeline. Unter dem neuen Account @potus44 - für den 44. Präsidenten - kann man dann alle Tweets der Obama-Administration nachlesen. Es ist ein offenes Archiv, zumindest solange Twitter nicht pleite geht.
Was der Artikel allerdings nicht verrät: Wie geht es mit Barack Obama selbst weiter. Sein eigener Twitter Account hat keine elf Millionen Follower wie der @potus, sondern 78 Millionen. Einige der erfolgreichsten Tweets aller Zeiten gehen auf seine Kappe. Also, egal ob Obama sich aus der Politik komplett zurückzieht, rein zahlenmäßig gesehen bleibt der bald ehemalige 44. Präsident der USA ein Schwergewicht.
Bild: Happy Halloween 2013 von Ted Van Pelt auf Flickr, CC BY