Ukraine-Krieg in den Medien

Ausgelaugt von der Kriegsberichterstattung?

08:24 Minuten
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zugeschaltet im US Kapitol.
Einigelung, um sich vor der Nachrichtenflut zu schützen? Noch keine weit verbreitete Tendenz, aber durchaus eine Gefahr, meint der Medienpsychologe Frank Schwab. © imago images / imagebroker
Frank Schwab im Gespräch mit Axel Rahmlow · 29.03.2022
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Die Coronakrise ist noch nicht vorbei, da kommt auch schon die nächste: Russlands Krieg gegen die Ukraine. Die Medien berichten intensiv darüber. Doch mit der Zeit kann das zu Gewöhnung oder gar Resignation führen. Wie lässt sich das verhindern?
Seit mehr als einem Monat verteidigt sich die Ukraine gegen die russische Invasion. Seit mehr als einem Monat dominiert das Thema die Berichterstattung, wodurch andere – wie etwa die Pandemie – in den Hintergrund rücken. Doch was sind die Folgen dieser Informationsflut? Überfordert sie, oder erscheint der Krieg dadurch irgendwann sogar normal?
Man müsse zunächst unterscheiden zwischen dem tatsächlichen Krieg und der medienvermittelten Berichterstattung darüber, sagt Frank Schwab, Professor für Medienpsychologie an der Uni Würzburg. Letztere sei weiter weg als das Ereignis selbst. "Wir gewöhnen uns daran. Das ist eine ganz natürliche Reaktion. Wir würden es anders gar nicht aushalten."

Moralische Zuständigkeit überfordert

Schwab warnt jedoch vor extremen Reaktionen: Wenn wir etwa den Krieg völlig ignorieren oder er uns zu sehr ängstigt. "Die gesunde Mitte ist wichtig. Entscheidend ist, ob wir uns eigene Handlungsmacht zuschreiben. Wenn wir davon ausgehen, dass wir etwas tun können, dann tut uns das gut. Ärgern ist besser als erlernte Hilflosigkeit, Trauer und Resignation." Angemessen sei es, zu schauen, wie man helfen könne.
Auch ein schlechtes Gewissen könne nützlich sein. "Wir sind heute zum digitalen Dorf zusammengeschrumpft. Dadurch hat sich unsere moralische Zuständigkeit ausgedehnt", sagt Schwab. "Das sind wir nicht gewohnt, das macht uns Probleme. Wir haben uns noch nie so engagiert für die Menschheit. Das hat riesige Vorteile aber macht uns emotional auch schwer zu schaffen."

Handlungsmöglichkeiten aufzeigen

Die formalisierte und redundante Berichterstattung unterstütze den Überdruss und die Gewöhnung, sagt Schwab. Daher plädiert er dafür, dass Medien die Dinge mehr einordnen, Hintergründe aufklären und im Sinne des konstruktiven Journalismus auch Handlungsmöglichkeiten erschließen.
"Hoffen und Bangen sind ein essenzieller Teil, wie wir auf Nachrichten reagieren. Das kann in Stress ausarten." Wenn Hoffnung zerstört wird, kann das laut Schwab zur erlernten Hilflosigkeit führen. Eine Strategie dagegen kann das "Cocooning" sein, eine Art von Rückzug.
"Ich habe nicht den Eindruck, dass das ein großes Thema ist, dass eine Epoche der Einigelung bevorsteht", sagt Schwab. "Ich habe eher den Eindruck, dass wir zum Beispiel die Gefahren der Coronakrise ignorieren und dann unser altes Leben zurück wollen."
(leg)
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