„Touch Pool – Berührungsbecken“ gewinnt

    Das Gewinnerstück des Hörspielpreises max15

    Alisa Kossak (links) und Sarah Veith, Gewinnerinnen des Kurzhörspielpreises “max15”
    Alisa Kossak (links) und Sarah Veith, Gewinnerinnen des Kurzhörspielpreises “max15” © Deutschlandradio / Anke Beims
    Alisa Kossak und Sarah Veith haben mit dem Hörspiel „Touch Pool - Berührungsbecken“ den max15 gewonnen. Mit diesem Preis zeichnet Deutschlandfunk Kultur in Kooperation mit ARD, ORF und SRF das beste unabhängig produzierte Kurzhörspiel aus.
    Die Verleihung fand im November 2025 im Rahmen der ARD Hörspieltage im Zentrum für Kunst und Medien ZKM Karlsruhe statt. Die Stücke wurden anonym eingereicht und durch eine Jury von Deutschlandfunk Kultur, ARD und ORF ausgewählt. Hier die Begründung der Jury:
    Wird ein Objekt von einer Substanz vollständig umhüllt, spricht man von Immersion. Ab der ersten Sekunde ist dieses Hörspiel eine immersive Erfahrung – und das ohne akustische 3D Simulation. Wir tauchen ein in den „Touch Pool“, schließen die Augen und hören hin: Wo sind wir hier gelandet?
    Eine Person betritt eine Klinik. Und in diesem Moment verschiebt sich die Perspektive: Aus „Ich“ wird „Sie“, aus Pia wird Frau Thalberg. Die Protagonistin hatte einen Unfall – eine klassische Unterbrechung des Normalzustands. Im besten Fall folgt darauf eine Behandlung, eine Phase der mitfühlenden Unterstützung und schließlich die Genesung. Aus gesund wird krank, aus krank wird gesund – eine runde Dramaturgie. Doch hier ist es anders: Seitdem bei einer OP versehentlich ein Nerv im Fuß durchtrennt wurde, kann die Protagonistin nicht mehr ohne Schmerzen Laufen. Sie leidet an einem Schmerzsyndrom, das medizinisch noch nicht vollständig verstanden ist. Der Autor Selma Kay Matter bemerkte einmal: „Chronische Erkrankungen haben (…) ein dramaturgisches Problem. Care und Empathie halten maximal so lange wie ein Gips, und man weiß doch genau, wie das ist, wenn der Gips irgendwann gräulich und muffig wird und alle schon unterschrieben haben.“ Wie also von etwas erzählen, das von sich aus schon ein dramaturgisches Problem darstellt?
    Dieser Aufgabe stellt sich das Hörspiel „Touch Pool“ und findet einen überzeugenden und eigenständigen Weg. Aus „krank“ wird in diesem Hörspiel nicht „gesund“. Der Kreis schließt sich nicht. Stattdessen erfahren wir unmittelbar und behutsam von der leiblichen Erfahrung eines versehrten Körpers, vom Blitzen der Nervenschmerzen, von Schmerz als einem Phänomen im Inneren des Körpers, das zugleich als fremd und grenzüberschreitend erlebt wird. Text und Musik, Schauspiel und Sounddesign erzeugen eine intensive Innerlichkeit, die sich gleichzeitig geschickt mit den realistischen Klängen im Außen verbindet. Denn die Protagonistin trifft auf Ärzte und Physiotherapeutinnen, muss sich mit Empfangspersonal und Speiseplänen arrangieren. Die Krankenkasse schreibt unverständliche Briefe und das Handyladekabel reicht nicht bis zum Bett. Und auch der Schmerz selbst zeigt sich im Außen: Ihr Gang hat sich verändert.
    Die Spielszenen zeichnen sich durch eine authentische Alltäglichkeit aus und erzählen zugleich von tieferliegenden Kollisionen zwischen Perspektiven: von der able-bodied Position und ihrer scheinbaren Selbstverständlichkeit, vom Privileg eines schmerzfreien Körpers und den Missverständnissen in einer Sprache, die auf chronische Krankheiten nicht eingestellt zu sein scheint. Das Hören eröffnet uns dabei einen Raum, in dem auch der eigene Körper neu erspürt und eingeschliffene Erwartungen in Frage gestellt werden können. Erzählerin, Spielszene und Sounddesign sind dabei kontinuierlich präsente Ebenen, die mal parallel laufen, sich mal gegenseitig durchdringen, mal in Vordergrund oder Hintergrund gleiten, einander stützen und ergänzen. Touch Pool nutzt gekonnt das besondere Potential des Hörspiels die Verschränkungen von Innerlichkeit und Äußerlichkeit zu inszenieren.
    Nahbar und genau wird der Umgang mit einer chronischen Krankheit plastisch. Poetisch, eindringlich und mit einem äußerst feinen Gespür für klangliche Inszenierung erfahren wir von Taubheit und Isolation, aber auch von Wandlung und Utopie. Denn das Hörspiel erzeugt auch utopische Momente, das Motiv des Seesterns wird immer wieder zur Projektionsfläche, aber es lässt uns ohne Verklärung oder Sentimentalität zurück. Stattdessen bleibt Aufrichtigkeit und schmerzhafte Präzision. Und es stellen sich Fragen nach den Brüchen zwischen individuellen Erfahrungen und der gemeinsamen Lebenswelt. Zuletzt sind wir am Strand und die Protagonistin bemerkt: „Allen macht der lose Sand zu schaffen. Mein Gang fällt hier nicht auf.“
    Wir tauchen wieder auf. Die Gedanken schwirren. Die Mobilität hat sich gebessert. Die Schmerzen sind geblieben. Dieser Kreis schließt sich nicht. Das Hörspiel „Touch Pool - Berührungsbecken“ von Alisa Kossak und Sarah Veith erhält den Hörspielpreis „max15“ für das beste Kurzhörspiel der freien Szene 2025.

    Touch Pool – Berührungsbecken
    Nach einer Erzählung von Alisa Kossak
    Bearbeitung und Regie: Sarah Veith
    Mit: Annalena Haering, Emilia Reichenbach, Holger Jenss, Saskia Schenk
    Komposition: Florentin Berger Monit, Johannes Wernicke
    Ton und Technik: Kerstin Düring, Peter Hermans

    „If I were a starfish, I could throw off my leg and grow a new a one.” Ein Hörspiel über den Umgang mit einer chronischen Erkrankung.

    Touch Pool - Berührungsbecken

    05.11.2025
    15:34 Minuten
    Der max15 wird von Deutschlandfunk Kultur in Zusammenarbeit mit der ARD, dem ORF und dem SRF vergeben.
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