Mathematik darf nicht zum Insiderwissen werden
Jede Ampelschaltung ist ohne Mathematik nicht denkbar, Autos, natürlich der Computer und vieles andere mehr. Trotzdem verstehen viele Menschen den Sinn vieler Regeln nicht. Das muss sich ändern, denn mit Zahlen wird schließlich auch Politik gemacht.
Mathematik war und ist immer noch ein Schulfach, an das sich die meisten Schüler ungern erinnern. Die Königin der Wissenschaften trägt offensichtlich nicht nur die höchste Krone, sondern besitzt auch den höchsten Schwierigkeitsgrad. Acht von zehn Mathematikstudenten geben das Studium frühzeitig auf. Für Physik- oder Ingenieurkommilitonen ist Mathematik das Knock-out-Fach schlechthin. Wer die Matheklausuren schafft, der hat das ganz Studium in der Tasche.
Sind also die Erfolgreichen intelligent und fleißig, die Mathematisch-Gescheiterten dumm und faul? Wohl kaum. Vielmehr wird in diesem Fach die pädagogische Meßlatte nicht so hoch gehängt, wie das Fach selbst - aus Arroganz und Ignoranz, allemal mit fatalen Folgen.
Kürzlich räumte Günter Törner ein, Mathematikprofessor an der Universität Duisburg-Essen und Vorstandsmitglied der Deutschen Mathematiker-Vereinigung, dass seine Hochschullehrerkollegen hohe Durchfallquoten immer noch als Beweis eines richtigen Ausleseprozesses ansehen würden. So stelle man gleichzeitig das eigene Fach über alle anderen Fächer. Und damit natürlich sich selbst auch.
Diese Überheblichkeit spricht auch aus einführenden Lehrwerken, bei denen sich der Leser fragt, ob sich Fachautoren nicht auch mit der natürlichen Sprache, also auf Deutsch, logisch und begrifflich klar ausdrücken könnten. Auch Mathematiklehrer können ihr Fach häufig nicht erklären oder haben keine Lust dazu. Immer noch werden Regeln auswendig gelernt, ohne die dahinter liegende Logik zu erklären. Es wird zu wenig gelehrt, was Mathematik will und was hinter ihr philosophisch steckt.
Warum machen das die Lehrer? Um ihrem Fach den Mythos des Außergewöhnlichen zu verleihen? Sich über andere Kollegen zu stellen als Stellvertreter der Königin der Wissenschaften auf Erden?
Mathematik ist aus unserer Welt nicht mehr wegzudenken. Jede Ampelschaltung ist ohne sie nicht denkbar, Autos, natürlich der Computer und vieles andere mehr. Auch diese Anwendungen, nicht nur theoretische Grundlagen und die hohe reine Mathematik sollten im Unterricht vermittelt werden, und es muss kritisch darauf hingewiesen werden, was Mathematik alles nicht kann, wo sie nur Exaktheit suggeriert, weil ihre Ergebnisse häufig von Politikern und Lobbyisten beliebig ausgelegt werden können.
Das weite Feld der Statistik oder der Prognosen - ob über das Wirtschaftswachstum, die Bevölkerungsentwicklung oder die Renten in 40 Jahren - ist gesellschaftspolitisch brisant, weil sie unmittelbar den Bürger zwingen, sein Leben den Vorhersagen anzupassen, selten zu seinem Vorteil, wenn er zu den Durchschnitts-Gehaltsempfängern zählt. Daran können wir sehen, wie mit Zahlen Politik gemacht werden kann, worin sich Interessen und Lobbyismus von exakter Wissenschaft unterscheiden.
Wie sehr Mathematik scheitern kann, bewies auch die internationale Finanzmarktkrise. Sie wurde auch von Produkten ausgelöst, die Mathematiker und theoretische Physiker modelliert hatten und mit ihren Konstrukten Sicherheit behaupteten, die es nie geben konnte. Offenbar erwarteten sie, dass sich die Realität ihren Modellen anpasst und nicht umgekehrt. Haben wir nicht gedacht, dass solche Konzepte nach 1989/90 der Vergangenheit angehören?
Gerade deshalb ist der kritische Umgang mit Mathematik und Statistik ungeheuer wichtig. Politisch, naturwissenschaftlich und pädagogisch zählen beide mittlerweile zum Basiswissen. Es ist die Pflicht von Lehrern und Professoren, ihr Fachgebiet so aufzubereiten, dass sie möglichst viele Schüler und Studenten erreichen.
Eine Wissenschaft wird nicht dadurch zur Königin aller Disziplinen, dass sie sich nur wenigen erschließt. Wohin Hochmut führt, haben Altphilologen an den Sprachen "Griechisch" und "Latein" erfahren. Sie finden mancherorts nur noch in Arbeitsgemeinschaften Interessenten. Ein solcher Abstieg der Mathematik wäre dramatisch, da sie sich zu einem elitären Insiderwissen wandeln könnte, obwohl sie unseren Alltag maßgeblich bestimmt und daher der Bürger wissen muss, wie sie in unser Leben eingreift.
Diese Entwicklung hätte verhängnisvolle Folgen für unsere Zukunft.
Klaus Peter Weinert, Wirtschafts- und Fachjournalist. Er studierte Germanistik, Soziologie, Volkswirtschaftslehre und Filmwissenschaften. Weinert arbeitet für Rundfunk, Fernsehen und Printmedien.
Sind also die Erfolgreichen intelligent und fleißig, die Mathematisch-Gescheiterten dumm und faul? Wohl kaum. Vielmehr wird in diesem Fach die pädagogische Meßlatte nicht so hoch gehängt, wie das Fach selbst - aus Arroganz und Ignoranz, allemal mit fatalen Folgen.
Kürzlich räumte Günter Törner ein, Mathematikprofessor an der Universität Duisburg-Essen und Vorstandsmitglied der Deutschen Mathematiker-Vereinigung, dass seine Hochschullehrerkollegen hohe Durchfallquoten immer noch als Beweis eines richtigen Ausleseprozesses ansehen würden. So stelle man gleichzeitig das eigene Fach über alle anderen Fächer. Und damit natürlich sich selbst auch.
Diese Überheblichkeit spricht auch aus einführenden Lehrwerken, bei denen sich der Leser fragt, ob sich Fachautoren nicht auch mit der natürlichen Sprache, also auf Deutsch, logisch und begrifflich klar ausdrücken könnten. Auch Mathematiklehrer können ihr Fach häufig nicht erklären oder haben keine Lust dazu. Immer noch werden Regeln auswendig gelernt, ohne die dahinter liegende Logik zu erklären. Es wird zu wenig gelehrt, was Mathematik will und was hinter ihr philosophisch steckt.
Warum machen das die Lehrer? Um ihrem Fach den Mythos des Außergewöhnlichen zu verleihen? Sich über andere Kollegen zu stellen als Stellvertreter der Königin der Wissenschaften auf Erden?
Mathematik ist aus unserer Welt nicht mehr wegzudenken. Jede Ampelschaltung ist ohne sie nicht denkbar, Autos, natürlich der Computer und vieles andere mehr. Auch diese Anwendungen, nicht nur theoretische Grundlagen und die hohe reine Mathematik sollten im Unterricht vermittelt werden, und es muss kritisch darauf hingewiesen werden, was Mathematik alles nicht kann, wo sie nur Exaktheit suggeriert, weil ihre Ergebnisse häufig von Politikern und Lobbyisten beliebig ausgelegt werden können.
Das weite Feld der Statistik oder der Prognosen - ob über das Wirtschaftswachstum, die Bevölkerungsentwicklung oder die Renten in 40 Jahren - ist gesellschaftspolitisch brisant, weil sie unmittelbar den Bürger zwingen, sein Leben den Vorhersagen anzupassen, selten zu seinem Vorteil, wenn er zu den Durchschnitts-Gehaltsempfängern zählt. Daran können wir sehen, wie mit Zahlen Politik gemacht werden kann, worin sich Interessen und Lobbyismus von exakter Wissenschaft unterscheiden.
Wie sehr Mathematik scheitern kann, bewies auch die internationale Finanzmarktkrise. Sie wurde auch von Produkten ausgelöst, die Mathematiker und theoretische Physiker modelliert hatten und mit ihren Konstrukten Sicherheit behaupteten, die es nie geben konnte. Offenbar erwarteten sie, dass sich die Realität ihren Modellen anpasst und nicht umgekehrt. Haben wir nicht gedacht, dass solche Konzepte nach 1989/90 der Vergangenheit angehören?
Gerade deshalb ist der kritische Umgang mit Mathematik und Statistik ungeheuer wichtig. Politisch, naturwissenschaftlich und pädagogisch zählen beide mittlerweile zum Basiswissen. Es ist die Pflicht von Lehrern und Professoren, ihr Fachgebiet so aufzubereiten, dass sie möglichst viele Schüler und Studenten erreichen.
Eine Wissenschaft wird nicht dadurch zur Königin aller Disziplinen, dass sie sich nur wenigen erschließt. Wohin Hochmut führt, haben Altphilologen an den Sprachen "Griechisch" und "Latein" erfahren. Sie finden mancherorts nur noch in Arbeitsgemeinschaften Interessenten. Ein solcher Abstieg der Mathematik wäre dramatisch, da sie sich zu einem elitären Insiderwissen wandeln könnte, obwohl sie unseren Alltag maßgeblich bestimmt und daher der Bürger wissen muss, wie sie in unser Leben eingreift.
Diese Entwicklung hätte verhängnisvolle Folgen für unsere Zukunft.
Klaus Peter Weinert, Wirtschafts- und Fachjournalist. Er studierte Germanistik, Soziologie, Volkswirtschaftslehre und Filmwissenschaften. Weinert arbeitet für Rundfunk, Fernsehen und Printmedien.