Maßnahmen gegen den Energienotstand

"Der Bund muss konkrete Vorgaben machen"

07:07 Minuten
Flammen sind an einem Gaskocher im Dunklen zu sehen.
Gas wird knapp. Wer soll wie viel Energie sparen? Um das festzulegen, brauche es eine gute Mischung aus Vorgaben des Bundes und individuellem Spielraum der Kommunen, meint Energie- und Klimaforscher Manfred Fischedick. © picture alliance / dpa / Silas Stein
Manfred Fischedick im Gespräch mit Julius Stucke |
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Das Gas aus Russland fließt immer spärlicher. Höchste Zeit, dass sich der Bund mit Ländern, Kommunen und anderen Akteuren an einen Tisch setzt, um gemeinsam Energiesparkonzepte zu entwickeln, findet der Klimaforscher Manfred Fischedick.
Der russische Konzern Gazprom hat angekündigt, die Gaslieferungen nach Deutschland weiter zu drosseln. Nur noch 20 Prozent der möglichen Kapazität sollen fließen. Dass die Bundesbürgerinnen und –bürger spätestens ab Herbst Verzicht üben müssen, ist wohl inzwischen klar. So werden sich Schwimmer in den Hallenbädern auf deutlich kältere Temperaturen im Becken einstellen müssen.
Die Politik reagiert. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) will in seinem Bundesland alle Beteiligten und Betroffenen an einen Tisch holen und mögliche Szenarien und Einsparmöglichkeiten im Land ausloten.

Kocht jedes Land sein eigenes Süppchen?

Das hört sich gut und richtig an, doch bei manchem klingeln die Alarmglocken: Kocht am Ende, wie in der Coronapandemie, wieder jedes Bundesland sein eigenes Krisen-Süppchen und definiert „Energieknappheit“ individuell? Werden bald Menschen aus Baden-Württemberg in grenznahen Gebieten zum Schwimmen ins Hallenbad nach Hessen oder Rheinland-Pfalz fahren, weil es dort vielleicht noch keine Temperaturabsenkung gibt – oder umgekehrt?
Muss jetzt der Bund durchgreifen und für einheitliche Energiesparmaßnahmen sorgen? Der Klimaforscher Manfred Fischedick, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie, hält konzertierte Aktionen für sehr wichtig: EU, Bund, Länder, Kommunen, Industrieverbände, Wohnungsbaugesellschaften und andere Betroffene müssten gemeinsam nach Lösungen suchen, fordert er. Es sei sinnvoll, wenn der Bund die Ziele vorgebe und alle Akteure nach Möglichkeiten suchten, die Vorgaben umzusetzen.
„Auf der anderen Seite braucht es aber auch strenge Maßnahmen des Bundes, um das Gerechtigkeits- und Fairnessgefühl nicht zu verletzen“, betont Fischedick. Mit Blick auf das Hallenbad-Beispiel sagt er: „Da ist der Bund gefragt, ganz konkrete Vorgaben zu machen.“ Andere Einsparungen – etwa weniger Straßenbeleuchtung – sollten dagegen auf kommunaler Ebene entschieden werden.

Solidarität unter den Bundesländern

Insgesamt komme es nun auf die Solidarität der Bundesländer an. Vor allem der im Norden, die im Vergleich über viel aus Windkraft gewonnenen Strom verfügen. Umgekehrt sieht der Klimaforscher Länder wie Bayern in der Pflicht, in Sachen Energieproduktion aus erneuerbaren Energien aufzuholen.
„Wir brauchen eine Summe aus vielen Einzelmaßnahmen“, betont Fischedick. Nur soll könne das Ziel, 20 Prozent Erdgas einzusparen, realisiert werden.
Nun kann Solidarität nur schwer per Gesetz vorgeschrieben werden. Fischedick ist jedoch überzeugt: So wie sich während der Coronapandemie Millionen von Menschen an die Abstands- und Hygieneregeln gehalten haben, werden sich viele nun auch in der jetzigen Situation einsichtig zeigen und ein paar Grad weniger Raumtemperatur akzeptieren und mittragen.
(mkn)
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