Filmfestival Göteborg

Massenhypnose im Kinosaal

09:38 Minuten
Leerer Kinosaal
Darf und kann man einen ganzen Kinosaal unter Hypnose setzen? Das Filmfestival Göteborg hat es jedenfalls ausprobiert. © Imago / Frank Sorge
Regine Glass im Gespräch mit Martin Böttcher |
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Neue Bewusstseinszustände beim Filmgenuss aufgrund von Hypnose: Das hat das Filmfestival Göteborg versprochen. Daraufhin gab es Protest, Warnungen und eine öffentliche Debatte. Journalistin Regine Glass war bei der umstrittenen Veranstaltung dabei.
Das Filmfestival im schwedischen Göteborg hat sich dieses Jahr vorgenommen, sein Publikum in neue Bewusstseinszustände zu führen. Ohne Drogen, dafür mit Hypnose. Das Festival ist dafür bekannt, ungewöhnliche Wege zu beschreiten: Im vergangenen Jahr schickte es sein Publikum auf eine einsame Insel – ausgestattet lediglich mit Filmen, wenn auch einer Menge davon. In einem anderen Jahr konnten Zuschauer einen Film in einem Sarg ansehen.

Öffentliche Debatte und Protest

Nun aber habe die angekündigte Massenhypnose eine „größere öffentliche Debatte“ ausgelöst, sagt die Journalistin Regine Glass, die an der Veranstaltung teilnahm. „Als die Hypnose angekündigt wurde, gab es einen Protest von mehreren Psychologen.“ Diese fürchteten, dass bei einer derartigen Massenveranstaltung nicht ausreichend auf die Reaktionen und Bedürfnisse der einzelnen Personen eingegangen werden könne, dass Traumata und Psychosen getriggert würden.
Die Psychologen gingen sogar so weit, das angekündigte Ereignis bei den Sozialbehörden anzuzeigen. „Denn für eine Massenhypnose für Unterhaltungszwecke braucht man eine Genehmigung“, so Glass. Diese hatte das Festival zuerst nicht eingeholt, konnte sie aber schließlich nachreichen: unter der Bedingung, dass Menschen mit psychischen oder physischen Beschwerden, Schwangere oder Menschen unter Drogeneinfluss an der Veranstaltung nicht teilnehmen.

Ein bisschen ängstlich aufgrund der Warnungen

„Ich war dann sehr gespannt und ein bisschen ängstlich aufgrund der Warnungen“, erzählt Glass. „Ich hatte auch noch nie eine Hypnose erlebt.“ Anscheinend waren auch viele andere neugierig geworden: Alle drei Filme, die unter Hypnose gezeigt wurden –„Memoria“, „Land of Dreams“ und der Horrorfilm „Speak No Evil“ – waren sehr schnell ausverkauft.
Auch wenn der Hypnotiseur in Frack daherkam und künstliche Nebelschwaden durch den Kinosaal waberten, waren die Hypnoseübungen dann eher unspektakulär. Sie hätten sie eher an Meditationsübungen erinnert, berichtet Glass. Hände verschränken, Augen schließen, Ziffern herunterzählen, Augen wieder öffnen – und dann ging es los mit dem Kinofilm, in diesem Fall mit „Memoria“.

Volle Konzentration im Kinosaal

Was der Hypnotiseur dem Kinopublikum versprach, war ein verstärkter Fokus und eine verstärkte Wahrnehmung beim Filmgenuss, bei gleichzeitiger Entspannung. Das scheint geklappt zu haben: Sie sei „super fokussiert“ gewesen, berichtet Glass. Und noch etwas war für sie anders: „Der Film war auf Englisch und Spanisch mit schwedischen Untertiteln. Spanisch hatte ich in der Schule mal gelernt“, so Glass, aber lange nicht mehr gesprochen. Kein Problem: „Ich konnte plötzlich Spanisch sehr gut verstehen.“
Auch andere Zuschauerinnen und Zuschauer hätten diese starke Fokussierung erlebt: Kein Bedürfnis, sich doch noch Popcorn zu holen, mit dem Sitznachbarn zu tratschen oder gar auf das Smartphone zu gucken. Kein Räuspern oder Tuscheln und niemand, der unruhig auf dem Sitz hin und her rutscht – also: Für Cineasten wäre die Hypnose des Kinopublikums sicher eine große Erleichterung.
Aber ist das wirklich immer wünschenswert? „Ich würde es noch mal machen. Aber es ist nicht so, dass man bei jedem Film Lust hat, diesen Hyperfokus zu haben und ganz stark auf ein bestimmtes Element zu achten“, so Glass. „Ich bräuchte es nicht bei jedem Film.“
Ihre Bilanz: „Schon ein interessantes Erlebnis, aber nicht unbedingt das, was man sich vorher unter einer Hypnose vorgestellt hat. Es hat sich hier schon auch um eine PR-Übertreibung gehandelt.“
(lkn)

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