Timo Feldhaus: "Mary Shelleys Zimmer"

Wie ein indonesischer Vulkan die europäische Kultur prägte

11:25 Minuten
Frankensteins Monster in schwarzweiß
Wäre Mary Shelley auf Frankensteins Monster gekommen, wenn in Indonesien zu dieser Zeit kein Vulkan ausgebrochen wäre? © imago images/Prod.DB
Timo Feldhaus im Gespräch mit Joachim Scholl · 19.04.2022
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Vulkanausbrüche können globale Folgen haben, man erinnere sich an Eyjafjallajökull auf Island. 1815 war es ein Vulkan in Indonesien, der Europa prägen sollte – und uns vermutlich Frankensteins Monster bescherte.
Es war eine Sprengkraft von 10.000 Hiroshima-Bomben, mit der der indonesische Vulkan Tambora 1815 explodierte. Weit über 100.000 Menschen verloren ihr Leben, riesige Asche- und Schwefelwolken zogen über die Welt. Als sie 1816 Europa erreichten, verlor der Kontinent nicht nur einen Sommer, die Temperaturen fielen um zwei Grad. Unwetter und Hungersnöte brachen aus.
Die Katastrophe hatte aber auch einen kreativen Ausbruch zur Folge, mit dem sich der Schriftsteller Timo Feldhaus in seinem Buch "Mary Shelleys Zimmer: Als 1816 ein Vulkan die Welt verdunkelte" befasst. Die spätere "Frankenstein"-Autorin war zu diesem Zeitpunkt bei Lord Byron in Genf, einer Stadt, die stark unter der Eruption zu leiden hatte. 

Regen mit einem roten Schimmer wie Blut

Shelley habe in ihrem Tagebuch von faustgroßen Hagelkörnern, Regen mit einem roten Schimmer wie Blut oder Schnee im Juli geschrieben. Als dann zur Beschäftigung ein Schreibwettbewerb in der Villa Diodati ausgerufen wurde, entstand ihr literarischer Meilenstein "Frankenstein."
Auch in ihrer Heimat England habe man die Auswirkungen gespürt. So sei Napoleon wegen des endlosen Regens vor der Schlacht von Waterloo ins Zögern gekommen.
In Deutschland habe sich Goethe zu dieser Zeit wissenschaftlich mit Wolken befasst – kein Zufall, glaubt Feldhaus. Caspar David Friedrich habe zu dieser Zeit angefangen, teuflische Rot- und Orangetöne in seinen Sonnenuntergängen zu verewigen. Dadurch wurde der Schriftsteller auf den damals noch unbekannten Maler aufmerksam und wollte ihn für Illustrationen seiner wissenschaftlichen Arbeit engagieren. Mary Shelleys "Frankenstein" ist bis heute ein Klassiker, nicht nur, weil sie die Folgen dieser Klimakatastrophe beschreibt, auch von den Diskursen und Atmosphären der damligen Zeit erzählt ihr Text.
(hte)
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