Marx-Engels-Forum in Berlin

Denkmal des Anstoßes

05:15 Minuten
Das Marx-Engels-Denkmal in Berlin. Die Stelen stehen daneben.
In der Kritik: das Marx-Engels-Forum in Berlin © picture alliance / dpa / Paul Zinken
Von Claudia van Laak · 22.09.2022
Audio herunterladen
Das Marx-Engels-Forum in Berlin polarisiert. Einige Bürger erfreuen sich daran. Opfer des DDR-Regimes sehen in dem Denkmal einen Fall von "Geschichtsverherrlichung" – und warten auf ein Mahnmal, das an die dunkle Seite des Kommunismus erinnert.
Als Christian Sachse vom Alexanderplatz in Richtung Brandenburger Tor spaziert, traut er seinen Augen kaum. „Das war eine Art Deja-vu-Erlebnis, das war verrückt“, erinnert er sich.
Das Marx-Engels-Forum taucht vor ihm auf. Frisch saniert steht es jetzt da, genauso, wie die Denkmalanlage vor 36 Jahren eingeweiht worden war.
„Ich bin sonst nicht so pathetisch, ich bin Historiker, da muss man seine Gefühle im Zaum halten. Aber das ist eine Frechheit hier, das ist Geschichtsverherrlichung“, ereifert sich Sachse.

Eingerahmt von Stelen und Reliefs

Eine kreisrunde, frisch gepflasterte Fläche, in der Mitte die massiven Bronzefiguren von Karl Marx und Friedrich Engels, der eine sitzt, der andere steht – vier Meter hoch. Beide Verfasser des „Kommunistischen Manifests“ und somit Vaterfiguren des Sozialismus, nicht nur in der DDR. Eingerahmt werden sie von zwei meterlangen Reliefs in Bronze und Marmor – eines zeigt die Not im Frühkapitalismus, das andere die paradiesische Gesellschaft im Kommunismus. 
Außerdem acht Stelen aus Edelstahl mit eingeätzten Fotos – auf einem Erich Honecker inmitten freundlicher DDR-Bürger. Christian Sachse, Historiker beim Dachverband der DDR-Opferinitiativen, zeigt auf die Fotos, die Arbeiteraufstände auf der ganzen Welt darstellen.  
„Hier sieht man das. Das ist die Geschichte der Gewalt, der gewalttätigen Aufstände, dann die Anfangsphase der DDR. Da lächeln die Leute, und da ist dann Glück. Ein Geschichtsmodell, das so simpel ist, dass man es noch nicht einmal am Biertisch erzählen würde.“
2010 verschwand das Marx-Engels-Forum, musste Platz machen für die Bauarbeiten zur Verlängerung der U-Bahn-Linie 5, die jetzt den Hauptbahnhof mit dem Alexanderplatz verbindet. Die Denkmalanlage verschwand aus der Sichtachse zwischen Fernsehturm und wieder errichtetem Berliner Stadtschloss, dem Humboldt Forum.

Zurück an den ursprünglichen Ort

Das Landesdenkmalamt beharrte darauf: Das Marx-Engels-Forum müsse nach Ende der U-Bahn-Arbeiten wieder an seinen ursprünglichen Platz zurückkehren.
„Die Denkmalanlage an zentraler Stelle der einstigen DDR hat historische Bedeutung und prägt den Freiraum der ehemaligen sozialistischen Zentrumsfläche ganz wesentlich mit. Es ist daher wichtig, dass die Denkmalgruppe wieder an ihren ursprünglichen Aufstellungsort und in ihrer originalen Anordnung zurückversetzt wird.“

Einige freuen sich über die Rückkehr

Das freut eine Ost-Berliner Rentnerin: „Finde ich sehr gut. Ich finde sehr gut, dass die Tradition gewahrt wird, dass man den beiden auch Respekt zollt und dass der Platz wieder so hergerichtet wurde, das finde ich in Ordnung so.“
Sie wirft einen Blick hinüber zum wieder errichten barocken Stadtschloss. Unseren Palast der Republik haben sie ja schon abgerissen für das Schloss, beklagt sie sich, umso besser, dass Marx und Engels wieder da sind.
Das sieht DDR-Historiker Sachse natürlich ganz anders: „40.000 Quadratmeter, also 200 mal 200 Meter für ein Denkmal für eine gescheiterte Weltanschauung zur Verfügung zu stellen und uns als Union der Opferverbände nichts, aber auch wirklich nichts anzubieten an Stadtfläche.“

Warten auf ein Denkmal für die Opfer

Gemeint ist der Bundestagsbeschluss zugunsten eines Denkmals für die Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft. Dieses soll in zentraler Lage in der Hauptstadt errichtet werden. 2015 bereits gab es einen ersten Bundestagsbeschluss, der später noch einmal präzisiert wurde.
Passiert ist bis heute nichts. Wenigstens ein paar Bänke könne man um Marx und Engels herum gruppieren, um dem Platz das DDR-Pathos zu nehmen, meint Christian Sachse und stellt sich vor: „Da sitzt eine Familie drum herum, aus Asien oder irgendwo her, picknickt dabei und macht sich Gedanken. Schon besser.“

Abonnieren Sie unseren Weekender-Newsletter!

Die wichtigsten Kulturdebatten und Empfehlungen der Woche, jeden Freitag direkt in Ihr E-Mail-Postfach.

Vielen Dank für Ihre Anmeldung!

Wir haben Ihnen eine E-Mail mit einem Bestätigungslink zugeschickt.

Falls Sie keine Bestätigungs-Mail für Ihre Registrierung in Ihrem Posteingang sehen, prüfen Sie bitte Ihren Spam-Ordner.

Willkommen zurück!

Sie sind bereits zu diesem Newsletter angemeldet.

Bitte überprüfen Sie Ihre E-Mail Adresse.
Bitte akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung.
Wann es ein Denkmal für die Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft in Berlin geben wird, steht in den Sternen.
Die Pressestelle von Kulturstaatsministerin Claudia Roth teilt auf Anfrage mit: Man habe die Gespräche mit der Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft, der Stiftung Aufarbeitung sowie dem Beirat für das Mahnmal intensiviert und wolle gemeinsam mit dem Land Berlin rasch zusammenkommen, um einen geeigneten Standort zu finden.
Mehr zum Thema