Martha Nussbaum: "Das Königreich der Angst. Gedanken zur aktuellen politischen Krise"
Aus dem Englischen von Manfred Weltecke
Stuttgart, Theiss Verlag 2019
304 Seiten, 28 Euro
Angst – Gift für die Demokratie
In "Das Königreich der Angst" richtet die Philosophin Martha Nussbaum ihren Blick auf die Wählerschaft Donald Trumps und deren Gegner. Beide Seiten ließen sich von Angst leiten, meint Nussbaum: Und kein anderes Gefühl sei für die Demokratie gefährlicher.
Auf die Wahl von Donald Trump reagieren amerikanische Wissenschaftler mit politisch engagierten Büchern, dazu zählt auch Martha Nussbaums "Das Königreich der Angst". Sie richtet ihren Blick dabei nicht auf Trump, sondern auf seine Wähler – und bemerkenswerterweise auf deren Gegner, die sich ebenfalls von Ängsten leiten lassen. Martha Nussbaum hat keine Kampfschrift gegen rechts verfasst, und gerade das gehört zu den politischen Stärken ihres Buchs.
Kein Gefühl sei für die Demokratie so gefährlich wie die Angst, schreibt Nussbaum. Die primäre Rolle der Angst habe sie erst mit der Präsidentschaftswahl von 2016 verstanden, in diesem Sinn sei "Das Königreich der Angst" eine Ergänzung zu ihrem letzten Buch "Zorn und Vergebung".
Kein Gefühl sei für die Demokratie so gefährlich wie die Angst, schreibt Nussbaum. Die primäre Rolle der Angst habe sie erst mit der Präsidentschaftswahl von 2016 verstanden, in diesem Sinn sei "Das Königreich der Angst" eine Ergänzung zu ihrem letzten Buch "Zorn und Vergebung".
Angst ist ein Gefühl, mit dem wir auf die Welt kommen. Anschaulich beschreibt Nussbaum die Hilflosigkeit des Babys, das nur zwei Möglichkeiten hat: herrschen oder sterben. Angst ist demnach ein "monarchisches" Gefühl, es geht mit stark narzisstischen und infantilen Zügen einher. Angst will die anderen beherrschen wie ein König, während die Demokratie von uns verlangt, die Unabhängigkeit der anderen zu respektieren und ihnen auf Augenhöhe zu begegnen.
Zorn, Neid, Ekel - demokratiegefährdende Emotionen
Politisch wirksam wird die Angst in drei demokratiegefährdenden Emotionen, denen Nussbaum jeweils ein ganzes Kapitel widmet: Zorn, Neid, Ekel. Der Zorn will sich für etwas rächen, das ihm angetan wurde, und er sucht sich für seine Angst einen Sündenbock. Der Neid ist Ausdruck der Angst, etwas nicht zu bekommen, doch statt das Problem zu lösen, will man denjenigen Schmerz zufügen, die das haben, von dem man sich ausgeschlossen fühlt. Der Ekel wiederum gründet sich in der Todesangst: Er bezieht sich auf alles, was mit Tod und Verfall zu tun hat und uns an unseren sterblichen Körper erinnert. Im "projektiven Ekel" wird diese Todesangst auf eine Gruppe von Menschen übertragen, ihnen wird dann etwa unterstellt, sie würden stinken, hätten keine Kontrolle über ihre Sexualität, seien "Ungeziefer".
Die Gründe für die Angst, die diese toxischen Emotionen nährt, sieht Nussbaum in der wirtschaftlichen Spaltung Amerikas. Viele Menschen fühlten sich machtlos, sie erleben einen Kontrollverlust über ihr eigenes Leben. In ihrer Analyse bemüht sich Nussbaum, immer beide Seiten des Spektrums im Blick zu behalten: Die Angst der Rechten um ihr Land wird politisch geschürt, doch auch die Angst der Linken um die Demokratie sei möglicherweise übertrieben und führe zu einer für die Demokratie destruktiven Panik. Auch die Gefühle des Zorns und des projektiven Ekels sieht Nussbaum auf beiden Seiten: Die einen verteufeln Muslime, die anderen wiederum verteufeln diejenigen, die die Muslime verteufeln.
Die Gründe für die Angst, die diese toxischen Emotionen nährt, sieht Nussbaum in der wirtschaftlichen Spaltung Amerikas. Viele Menschen fühlten sich machtlos, sie erleben einen Kontrollverlust über ihr eigenes Leben. In ihrer Analyse bemüht sich Nussbaum, immer beide Seiten des Spektrums im Blick zu behalten: Die Angst der Rechten um ihr Land wird politisch geschürt, doch auch die Angst der Linken um die Demokratie sei möglicherweise übertrieben und führe zu einer für die Demokratie destruktiven Panik. Auch die Gefühle des Zorns und des projektiven Ekels sieht Nussbaum auf beiden Seiten: Die einen verteufeln Muslime, die anderen wiederum verteufeln diejenigen, die die Muslime verteufeln.
Den Mitbürger als Mensch wahrnehmen
Martha Nussbaum analysiert jedoch nicht nur den Status Quo, als politisch engagierte Philosophin will sie auch Lösungen aufzeigen. So empfiehlt sie Hoffnung, das Gegenteil der Angst: Statt den Blick zu verengen, bewirke sie eine Erweiterung der Perspektive und eine Zuwendung zum Anderen. Streckenweise fühlt man sich von Nussbaums Aufruf zur "Tugendhaftigkeit", wie es in der deutschen Übersetzung heißt, ans "Wort zum Sonntag" erinnert, doch im Kern ist ihre Botschaft ernst zu nehmen.
Im Rückgriff auf Gandhi, Mandela und vor allem Martin Luther King plädiert sie für die Trennung von Tat und Täter, die Unterscheidung von Mensch und Meinung: Den Mitbürger als Mensch wahrzunehmen, bedeute, von ihm auch dann Gutes zu erwarten, wenn man seine Haltung ablehnt.