Ein Spurensucher

Seit 2006 war Markus Brüderlin Direktor des Kunstmuseums in Wolfsburg. Dem Museum hat der gebürtige Basler seine ganz persönliche Note verliehen: unaufdringlich, aber bedeutungsvoll.
"Spiegel und Motor kulturpolitischer Visionen", das war für Markus Brüderlin die Aufgabe eines Museums im 21. Jahrhundert. Nachdem der Kunsthistoriker und Philosoph als Publizist, unter anderem mit der Gründung der Kunstzeitschrift "Springer", und als Kurator für das österreichische Wissenschaftsministerium erste Erfahrungen gesammelt hatte, konnte er seine Vorstellungen als Leiter der Fondation Beyerler und seit 2006 dann als Direktor des Kunstmuseums in Wolfsburg umsetzen. Tatkräftig, aber auch darauf bedacht, die eigenen Anstrengungen zu reflektieren. Brüderlin:
"Man muss gerade als Museumsdirektor die Leere aufsuchen, um neben den vielen Verpflichtungen überhaupt noch wirklich über Ideen nachdenken zu können. Und ein bisschen hat natürlich auch der Japan-Garten hier in Wolfsburg auch diese Funktion, dass man sich dort auch immer wieder einmal auf die eigentlichen Aufgaben besinnen kann."
Mit dem japanischen Zen-Garten hatte Brüderlin, der gebürtige Basler, dem Museum seine ganz persönliche Note verliehen: unaufdringlich, aber bedeutungsvoll. Eine fulminante Sammlung, vom Gründungsdirektor Gijs van Tuyl noch in Zeiten bestens ausgestatteter Ankaufsetats aufgebaut, brachte Brüderlin immer wieder neu zur Geltung durch das Konzept des "forschenden Museums", durch seine auf Design, Architektur und vor allem die Wissenschaft übergreifende Suche nach den Spuren der Moderne:
"Gerade die Wissenschaft kommt an die Grenzen des verstandesmäßig Erschließbaren. Und die Künstler haben das von Anfang an gespürt, auch die Rationalisten der Moderne, möchte ich behaupten. Und diesen Übergriff, diesen Zusammenhang, ohne ihn zu überdehnen oder überstrapazieren, wollen wir aufdecken."
Kunstgriff der Analogie
Das gelang Brüderlin mit jenem nüchternen Zauber, der seine Ausstellungen des Lichtkünstlers James Turrell oder des Bildhauers Alberto Giacometti charakterisierte. Jene Aura, die der Moderne doch angeblich abhandengekommen war, fing er mit seiner überwältigenden Rahmung im schlichten white cube des Wolfsburger Zweckbaus ein. Und mit dem für ihn so typischen Kunstgriff der Analogie, die unter seinen Händen, mit seinem verständigen Wissen vergleichendes Sehen erst ermöglichte, das Publikum zum Aufspüren von Ähnlichkeiten verführte:
"Die visuelle Überzeugungskraft, die die bildende Kunst hat: ein Wirkungsmechanismus zwischen zwei Dingen, wenn man sie annähert, der bis heute nicht rational erklärt werden kann. Das heißt, man bringt Dinge in die Nähe und plötzlich springt ein Funke über."
Es war das ganz bescheidene Wörtchen "und", mit dem Markus Brüderlin diese großen, international beachteten Ausstellungen ankündigte: "Ornament und Abstraktion", "Japan und der Westen", "Rudolf Steiner und die Kunst der Gegenwart", kürzlich noch "Kunst und Textil". Durchaus keine beliebigen, auf Zeitgeist getrimmte oder gar reißerische Titel, sondern sorgfältig entwickeltes Programm:
"Theoretische Referenz für uns ist immer wieder Foucault, Michel Foucault. Sehr schön in seinem Buch 'Ordnung der Dinge', eine Passage, wo er sagt: Dinge nebeneinander stellen, die eigentlich einander fremd sind. Die Ränder, die Fransen gewissermaßen dieser Objekte, die beginnen dann miteinander ein Spannungsverhältnis."
Im Interesse der Sache, der Kunst und der Künstler
Diese Spannung, diese Leidenschaft ließ der Museumsdirektor selbst sich nicht ohne weiteres anmerken. Wer aber mit Markus Brüderlin ins Gespräch kam, der erkannte schnell, was dieser engagierte Kunstvermittler sich allein im Interesse der Sache, im Interesse der Kunst und der Künstler auferlegt hatte:
"Es muss sehr streng sein, vor allem: man muss analytisch sein. Natürlich gibt es die Objektivität in dem Sinne nicht, aber als Kurator ist man einfach verpflichtet, analytisch in der Tendenz zu arbeiten. Subjektivität ist den Künstlern vorbehalten."