Marilynne Robinson: "Jack"

Eine unmögliche Liebe

05:55 Minuten
Das Cover von Marilynne Robinsons Roman "Jack" zeigt einen Weidezaun, an dem Wäscheklammern hängen.
© S. Fischer Verlag

Marilynne Robinson

Aus dem Englischen von Uda Strätling

JackFischer, Frankfurt am Main 2022

384 Seiten

26,00 Euro

Von Manuela Reichart · 08.12.2022
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Marilynne Robinsons Roman "Jack" spielt in den USA der der 1950er-Jahre. Er erzählt von einer Liebe zwischen einem weißen Tunichtgut und einer klugen schwarzen Frau, die gegen alle Widerstände besteht – in Zeiten strikter Rassentrennung und Verfolgung.
Mit einer empörten Abweisung beginnt dieser Roman. Sehr viel später erst wird sich auflösen, was am Abend ihres ersten Rendezvous passiert ist. Warum sie von ihm so gedemütigt wurde, dass sie ihn nie mehr wiedersehen wollte.
Und dann begegnen sie einander erneut – in einer seltsamen Situation: nachts auf einem Friedhof. Sie sind aus unterschiedlichen Motiven da, haben es versäumt, das Gelände zu verlassen, bevor der Wärter die Tore abschloss. Er sorgt sich um sie, sie neckt ihn, sie reden und reden – über ihre Väter und die zehn Gebote, Hoffnung und Geister, Träume und das Ende der Welt.

Ein ungleiches Paar

Die Dunkelheit lässt sie mutig werden. Sie ist da, wo "man nicht sein sollte". Er fühlt sich plötzlich nicht mehr nur als schlechter Mensch. Sie ist sich ihres Glaubens ziemlich sicher, er zweifelt. Sie ist höflich und gut angezogen, er ist ein unverbesserlicher Trinker und trägt abgerissene Kleidung. Was soll aus diesem Paar – aus Della und Jack – nur werden? Sie eint immerhin die Liebe zur Literatur. Beide lesen viel, schicken sich Gedichte von Robert Frost, er empfiehlt "Patterson" von William Carlos Williams.
Eine Liebesgeschichte im Amerika der 1950er-Jahre, in einem Land mit einer "brutalen Ordnung": zwischen einem Hallodri, einem Dieb, einem weißen Mann, der im Gefängnis saß, seine Eltern enttäuscht hat, der lügt und betrügt – und einer aufstrebenden schönen und klugen schwarzen Lehrerin, deren ordentliches Leben vorgezeichnet scheint.
Beide stammen aus Predigerfamilien. Ihr Vater ist ein wichtiger Mann in seiner Methodisten-Gemeinde, sein Vater ein presbyterianischer Prediger in Gilead, jener kleinen Stadt im tiefen amerikanischen Westen, die in den vielfach ausgezeichneten Romanen der Autorin stets im Zentrum steht.
Einer dieser Romane war auch schon dem jetzt titelgebenden Jack gewidmet: "Zuhause" (Home). Da wird erzählt vom Leben und Ringen des im Sterben liegenden Vaters um diesen verlorenen Sohn. Und am Ende taucht dann auch in einer berührenden Szene die schwarze Frau des Sohnes mit den gemeinsamen Kindern auf.

Gegen alle Widerstände

In "Jack" wird davon erzählt, wie diese eigentlich zum Scheitern verurteilte Liebe entsteht, wie sie sich gegen alle Widerstände und Unmöglichkeiten nicht beenden, nicht abschütteln lässt. Die beiden sollen nicht miteinander sein, werden angefeindet und ausgegrenzt. Von engstirnigen Weißen, aber auch von ihrer schwarzen Familie, die auf Rassentrennung besteht, weil sich nur so die Lage der schwarzen Amerikaner ändern ließe.
Er will sich aus Liebe trennen, um ihr Leben nicht zu ruinieren. Aber er kann sie ebenso wenig aufgeben wie sie ihn. Nichts – weder die Brutalität der Weißen noch die Einrede der Schwarzen, weder die Aussicht auf ein schweres Leben noch die berechtigte Furcht, dass ihre Kinder später nirgendwo dazugehören werden, lässt diese beiden Liebenden zweifeln.
Einmal mehr variiert hier Marilynne Robinson den 1. Korinther 13: "Hätte der Liebe nicht, so wäre mir's nichts nütze." Und sie beantwortet damit die Frage, die der Titelheld sich immer wieder stellt: "Wie ertrugen die Menschen nur das Leben?"

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