#MeToo-Drama "She Said"

"Das ist einfach enorm brutal"

16:35 Minuten
Megan Twohey (Carey Mulligan) und Jodi Kantor (Zoe Kazan, v.l.) im Film She Said von Maria Schrader. Die Figur Megan Twohey sitzt auf dem Schreibtisch, Jodi Kantor lehnt daran. Sie hält ein Mobiltelefon. Beide schauen einander an. Im Hintergrund ist unscharf ein Großraumbüro zu sehen.
Dem Geheimnis auf der Spur: Die beiden Journalistinnen Megan Twohey (Carey Mulligan) und Jodi Kantor (Zoe Kazan, v.l.) trugen die Informationen zu Weinstein zusammen. © JoJo Whilden / Universal Pictures
Maria Schrader im Gespräch mit Patrick Wellinski · 03.12.2022
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Jodi Kantor und Megan Twohey, New-York-Times-Journalistinnen, waren maßgeblich an den Enthüllungen über Harvey Weinstein beteiligt. Ihr Buch ist nun verfilmt worden – von der deutschen Regisseurin Maria Schrader. Sie sagt, warum die Wahl auf sie fiel.
„Ich war überrascht, als ich das Drehbuch gelesen habe", sagt die Schauspielerin und Regisseurin Maria Schrader. "Ich hatte vorher vage von diesem Projekt gehört. Und dann ist es sehr gezielt auf mich zugekommen."
Sie habe das Drehbuch zweimal hintereinander „atemlos“ gelesen. „Und ich war erstaunt, dass eine so spezifische amerikanische Geschichte in meinem Schoß landet.“ Sie glaube aber, dass das Projekt eine Verwandtschaft mit ihrer Serie "Unorthodox" habe.
In "Unorthodox" ging es um "große Intimität, dieses ganz persönliche Problem von dysfunktionaler Sexualität". "She Said" handelt von sexueller Gewalt am Arbeitsplatz, in Abhängigkeitsverhältnissen, in Hierarchiestrukturen, da gebe es schon einen gemeinsamen Nenner.

Maximal weit von Hollywood entfernt

Als Europäerin sei sie zudem maximal weit von Hollywood entfernt, sagt Maria Schrader. Das befreie sie vom Verdacht der Befangenheit. Und auch, wenn es um die Recherche zu den Verbrechen Harvey Weinsteins gehe, rage auch etwas darin darüber hinaus, glaubt die Regisseurin:
"Was es auch bedeutet, in einer seit Jahrhunderten männerdominierten Gesellschaft als Frau aufzuwachsen, erzogen zu werden, ausgebildet zu werden, an Arbeitsplätzen zu landen."
Es gebe sehr viele Menschen, die darin Geschichten aus der eigenen Biografie wiedererkennen würden, so Schrader.

Recherche wird sehr schnell auch persönlich

Dabei erzähle der Film eine uns verborgene Geschichte: Nämlich wie eine Geschichte zustande kommt, bis sie veröffentlicht wird. Auch wenn sie seinerzeit den New-York-Times-Artikel gelesen habe: Sie habe nicht gewusst, wer die Autorinnen sind und wie die Recherche begonnen hat.

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Was vor allem speziell ist, sei das Thema gewesen, sagt Schrader: Für die Journalistinnen als Frauen sei das Thema „etwas so viel Intimeres“, als etwa den Journalisten bei der Watergate-Affäre anvertraut worden sei.

"Ich glaube nicht, dass diese beiden männlichen Journalisten in den 70er-Jahren ihre geschlechterspezifische Rolle in der Gesellschaft überdenken mussten."

Regisseurin Maria Schrader

Megan und Jodi hätten das Vertrauen der Frauen gewonnen, damit diese ihnen intimste traumatische Berichte anvertrauten, sagt Schrader. „Ich glaube, dass macht etwas mit einer Journalistin– auch auf ganz privatem Sektor.“
Im Gegensatz zu ihrem faktischen Bericht, dem von ihnen veröffentlichten Buch „She Said“, haben die Journalistinnen den Filmemacherinnen erlaubt, „diese ganzen privaten familiären Situationen und Seiten“ in den Film zu integrieren.

Isolation, Scham, Schweigen

Im Laufe der Recherche fanden die Journalistinnen heraus, dass es nicht um eine einzelne Person ging. Sondern „um Abhängigkeitsverhältnisse, um Angst, um Schweigen, um Schweigegelder“, um ein „ganzes hierarchisches System, das jemanden, der über Jahrzehnte Verbrechen begangen hat, geschützt hat.“
Besonders bei den Frauen, die sich den Reporterinnen anvertrauen, geht es um den Austritt aus Isolation, sagt Schrader. Isolation könne unterschiedlich bebildert werden: ganz leere Räume, Personen, bei denen man nur den Rücken sieht, Kontraste.
Jodi Kantor (Zoe Kazan), Megan Twohey (Carey Mulligan), Matt Purdy (Frank Wood), David McCraw (Gregg Edelman), Dean Baquet (Andre Braugher) and Rebecca Corbett (Patricia Clarkson) im Film She Said. Sie stehen in einem Besprechungsraum um einen Tisch herum.
Viel zu besprechen: Jodi Kantor und Megan Twohey erörtern die Ergebnisse ihrer Recherche mit der Redaktion der New York Times. © Universal Pictures
Die eigentliche detailgenaue Nacherzählung des Jobs der Journalistinnen sei dagegen: unendlich viele Telefonate, an Türen klopfen, die wieder zugehen. Gespräche in öffentlichen Räumen. Gespräche, Gespräche, Gespräche.  

Grauen zeigen, ohne es zu zeigen

Über die Erzählung der Erlebnisse der Zeuginnen entstünden Bilder und Fantasien in den Köpfen der Zuschauenden, sagt Schrader. Auch über den "negative space", eine Realität, über die visuell berichtet wird, die aber visuell nicht gezeigt wird.
Das eigentliche Abbild von Vergewaltigung, von Übergriff, von Trauma sei aber „überhaupt nicht“ infrage gekommen, sagt sie.

"Ich möchte keine weitere Vergewaltigungsszene in die Welt inszenieren. Davon gibt es genug."

Maria Schrader

Sie glaube auch nicht, dass brutale Bilder nötig seien, um ein Ausmaß von Verbrechen zu verdeutlichen, sagt Maria Schrader.
Auch im Rückblick würden keine Übergriffe dargestellt, keine weibliche Nacktheit, ein Opfer am Tatort. Es gebe aber emotionale Reaktionen. Die Flashbacks seien aber auch dazu da, metaphorische, initiale Momente zu bebildern, etwa plötzliche Zukunft auf der Schwelle zum Erwachsensein.
Kamerafrau Natasha Braier und Regisseurin Maria Schrader am Set von She Said.
Da gehts lang: Kamerafrau Natasha Braier und Regisseurin Maria Schrader am Set von She Said.© JoJo Whilden / Universal Pictures
„Die Rückblicke sind für uns so wichtig gewesen, um die Reichweite von einem Moment darzustellen, wie das ein ganzes Leben beeinflussen kann und was da zerstört werden kann auch an Unschuld und an erster Begegnung mit seiner eigenen Zukunft. Das ist einfach enorm brutal.“

Der Film "She Said" läuft ab 8. Dezember im Kino.
Das Buch, auf dem der Film beruht, ist auch auf Deutsch erschienen.

Jodi Kantor, Megan Twohey: "She Said"
Aus dem Amerikanischen von Katrin Harlaß und Judith Elze
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2020
448 Seiten, 18 Euro

(ros)
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