Maria Konnikova: "Täuschend echt und glatt gelogen"

Warum wir gerne auf Betrüger hereinfallen

"Täuschend echt und glatt gelogen"
Die russisch-amerikanische Autorin Maria Konnikova entführt die Leserschaft in "Täuschend echt und glatt gelogen" in eine Welt, in der professionell betrogen wird. © Verlag Nagel und Kimche/imago/Hoch Zwei/Angerer
Von Gesine Palmer · 19.08.2017
Die russisch-amerikanische Autorin Maria Konnikova entführt die Leserschaft in eine Welt, in der professionell betrogen wird. Sie schildert Fallbeispiele von Betrügereien an den Haustüren, auf dem Kunstmarkt, an der Börse und in der klassischen Hochstapelei.
Wer sich jemals mit Gesellschaften beschäftigt hat, die einen guten Geheimdienst haben, weil sie ihn brauchen – der hat sich auch schon gefragt, wie das wohl ist: wenn Du bewusst und gezielt das Vertrauen von Menschen gewinnen musst, um es zu gebrauchen. Was im Falle der Geheimdienste noch als eine "vaterländische Pflicht" erscheinen mag, auch wenn es absolut ruinös für jedes persönliche Sozialleben sein muss, ist offenkundig oftmals mit Lust und Laune zur Perfektion getrieben in der Welt des kriminellen Betrugs.
Maria Konnikovas Buch "Täuschend echt und glatt gelogen" entführt die Leserschaft in eine Welt, in der professionell betrogen wird. Sie schildert viele Fallbeispiele in zuweilen etwas reißerischer Manier – und verlockt gerade dadurch zur fast schmerzfreien Kenntnisnahme neuerer psychologischer Studien und Einsichten zum Thema. Sie beginnt mit einem Zehn-Stufen-Plan, dem praktisch jeder ordentliche Betrug folgt. Sie beschreibt dann immer deutlicher die Betrogenen (die wir alle sein können) als oftmals verheerend glaubsüchtig. Und kommt zu der Erkenntnis, dass sie nach neuerer communis opinio der psychologischen Literatur so glaubsüchtig sein müssen, um halbwegs glücklich zu leben.

Verängstigt und gehorsam zugleich

Tatsächlich hat ja nicht nur in der psychologischen Literatur, sondern auch im Alltagsbewusstsein relativ satter Gesellschaften das, was früher ein "gesundes Misstrauen" hieß, einen zunehmend schlechten Leumund. Dabei kann auch heute noch jeder Mensch beobachten, dass Vertrauen als Bringschuld immer dann eingefordert wird, wenn gute Gründe fürs Misstrauen bestehen. Und viele Menschen wollen – verängstigt und gehorsam zugleich – wirklich nicht als misstrauisch dastehen. So kommt es zu groß angelegten Betrügereien an den Haustüren einfältiger Menschen, auf dem Kunstmarkt, an der Börse und in der klassischen Hochstapelei. Auch wird die Hilfsbereitschaft freundlicher Menschen wird erschreckend missbraucht.
Aber warum lassen sich so viele Menschen so leicht betrügen? Die Autorin zählt auf: die Sucht, glauben zu wollen. Die Angst, als misstrauisch dazustehen. Die fatale psychologischen Eigendynamik, an einer einmal getroffenen Fehlentscheidung unbedingt festhalten zu wollen. Und: frappierende Fehleinschätzungen der eigenen Fähigkeiten.

Betrug mit Hilfe der Religion

Wir halten uns selbst für fähig, zwischen Wahrheit und Lüge zu unterscheiden, erklärt die Autorin. Aber nach neuen Studien erreichen wir bestenfalls eine Trefferquote von 55 Prozent. "Es gibt eben keine Pinocchio-Nase", fasst Konnikova bündig zusammen, was sie zuvor an vielen Beispielen beschrieben hat. Etwa am Beispiel der durch einen gewaltigen Kunstbetrug ruinierten Galeristin Anne Freedman: Diese war sich ganz sicher, dass gefälschte Rothkows für sich sprächen. Und deshalb versäumte sie es, die Herkunftsnachweise gründlicher zu prüfen. Mit solchen Anekdoten lockt und treibt Anna Konnikova uns über süffig geschriebene Geschichten von Einsicht zu Einsicht.
An der Übersetzung fällt gleich zu Beginn auf, dass die beiden Übersetzer, Anna und Wolf Heinrich Leube, die wesentlichen englischen Ausdrücke aus der Betrügerfachsprache für nicht übersetzbar halten: der Con Man, der das Vertrauen seiner Opfer gewinnt, habe im Deutschen ebenso wenig eine Entsprechung wie die verschiedenen Schritte vom "put-up" über "rope", "Breakdown" und "fix", um nur vier von zehn zu nennen. Das empfinde ich als einen schweren Mangel. Denn nichts verführt leichter zur Selbsttäuschung als die Meinung, man habe etwas schon richtig verstanden. Aber vielleicht hat man das ja gerade wegen der großen Nähe zwischen Englisch und Deutsch eben nicht. Warum also wird aus dem "Con Man" kein "Verführer"? Warum nicht den "put-up" als "Aufriss" gebührend würdigen? Und den "rope" als "Einwickelung"?
Trotz dieser Mängel ist ein in sich stimmiges, so lehrreich wie unterhaltend gehaltenes Sachbuch entstanden. Ein Buch, der schließlich sogar behandelt, welcher Betrug unseren Wunsch nach einem sinnvollen Leben in einer sinnvollen Welt benutzt. Es ist der Betrug mit Hilfe der Religion.

Maria Konnikova: Täuschend echt und glatt gelogen. Die Kunst des Betruges
Aus dem Englischen von Anna und Wolf
Leube, Nagel & Kimche
320 Seiten, 20 Euro

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