Mareice Kaiser: „Wie viel“

Unsere toxische Beziehung zum Geld

11:23 Minuten
Illustration: Eine Mann sitzt besorgt auf einem Haufen Goldbarren.
Scham ist ein sehr häufiges Gefühl, wenn es um Geld geht. Doch es gebe noch viel mehr Gefühle dazu, sagt Mareice Kaiser. Denen wollte sie in ihrem Buch auf die Schliche kommen. © Getty Images / fStop Images / Malte Müller
Mareice Kaiser im Gespräch mit Frank Meyer · 10.11.2022
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Die Journalistin und Autorin Mareice Kaiser versammelt in ihrem Buch „Wie viel. Was wir mit Geld machen und was Geld mit uns macht“ Gespräche übers Finanzielle mit sehr armen und sehr reichen Menschen. Ihr Fazit: Der Kapitalismus muss weg!
„Ich hasse Geld und ich will es haben“ – das schreibt die Journalistin und Autorin Mareice Kaiser in ihrem Buch „Wie viel. Was wir mit Geld machen und was Geld mit uns macht“. Man könne schon sagen, dass sie eine toxische Beziehung zum Geld habe, sagt Kaiser.
„Ganz ohne geht ja nicht. Wir brauchen das ja alle, um zu leben, um unsere Miete zu bezahlen, um Essen zu kaufen, Kleidung zu kaufen.“
Sie habe „ziemlich viele Gefühle zu Geld“. In der Recherche zu ihrem Buch habe sie festgestellt, dass es auch vielen anderen Menschen so gehe. „Und dem wollte ich so ein bisschen auf die Schliche kommen.“
Mareice Kaiser hat bereits ein Buch geschrieben, das viel in Medien besprochen wurde und sich sehr gut verkauft hat: „Das Unwohlsein der modernen Mutter“.

Über Geld sprechen: Warum das wichtig ist

Zu den Gefühlen, die Menschen zum Geld haben, gehöre Scham, so Kaiser in ihrem aktuellen Buch. Meistens spricht man in unserer Gesellschaft ja nicht darüber. Kaiser erzählt, sie habe sich zum Teil über Arbeitslosengeld finanziert, als sie das Buch schrieb.

So eine Offenheit im Umgang mit Geld wünsche sie sich auch von anderen. Das sei auch einer der Gründe, weshalb sie das Buch geschrieben habe.

„Ich schreibe von der Scham und sage: Ich schäme mich, kein Geld zu haben. Ich schäme mich, Geld zu haben. Ich schäme mich, dass es Geld gibt, und ich schäme mich vor allem, weil Geld ungerecht verteilt ist.“

Mareice Kaiser, Journalistin und Autorin

Sie sei überzeugt: „Dass wir nicht über Geld sprechen, nützt vor allem einem Teil unserer Gesellschaft, nämlich den Menschen, die sehr viel vom Geld haben.“
Genau das sei auch ihre Erfahrung bei der Recherche für ihr Buch: Menschen mit wenig Geld oder aus der unteren Mittelschicht sprachen sehr offen über ihr Leben im Hinblick auf Geld. „Je mehr Geld die Menschen hatten, desto schwieriger wurde es, Menschen zu finden, die öffentlich darüber sprechen wollten.“
Der größte Teil des Buches besteht aus Gesprächen über Geld mit Menschen, die sehr viel davon haben und mit Menschen, die sehr, sehr wenig Geld haben.
Zum Beispiel mit einem 85-jährigen Mann aus ihrer Nachbarschaft, der von etwa 600 Euro Rente lebt, dessen Miete bezahlt wird und der jeden Monat etwa 100 Euro durch das Sammeln von Pfandflaschen verdient.
Dieses Beispiel zeige gut, dass es nichts mit Anstrengung zu tun habe, ob jemand finanziell klarkommt, „sondern dass es einfach auch solche Menschen gibt, die fleißig sind, sogar noch mit 85 Jahren, aber bei denen es trotzdem nicht für ein gutes, warmes Essen am Tag reicht.“

Reichtum schlechter erforscht als Armut

Am anderen Ende des Geldspektrums lebt Marlene Engelhorn. Als Nachfahrin des BASF-Gründers Friedrich Engelhorn und mit Blick auf ihr daraus entstehendes Erbe eines zweistelligen Millionenbetrags hat sie die Initiative „Tax me now“ gegründet. Sie setzt sich für eine gerechte Besteuerung von reichen Menschen ein.
An Marlene Engelhorn könne man sehen, dass es bei Geld auch um gesellschaftliche Teilhabe geht, „an der Politik, an den Medien, überall“. Marlene Engelhorn sagt, sie werde gehört, weil sie so viel Geld hat.
Bei Reichtum gehe es nicht um Einkommen, sondern um Erbe. „Die reichsten Menschen in Deutschland sind ja nicht reich, weil sie so hart arbeiten und sie so ein großes Gehalt haben, sondern weil sie so viel geerbt haben.“ Reichtum sei viel schlechter erforscht als Armut.

„Bei Armut kennen wir ganz genaue Zahlen und Armutsgrenzen und wissen, wie viele Menschen davon betroffen sind. In Deutschland 16 Prozent aktuell. Jedes fünfte Kind ist von Armut betroffen. Aber wie viele Menschen reich sind und wie viel die eigentlich haben, wissen wir gar nicht genau.“

Mareice Kaiser, Journalistin

Gerechtigkeit nur ohne Kapitalismus

Am Ende ihres Buchs steht die Systemfrage. „Es gibt keine Alternative zum Ende des Kapitalismus“, sagt Mareice Kaiser.
Angesichts der Klimakrise und der endlichen Ressourcen, von denen wir leben, müssten wir uns jetzt überlegen: Wie wirtschaften wir neu, sodass wir nicht irgendwann einen Planeten hinterlassen, auf dem Menschen nicht mehr leben können? Zugleich gehe es darum, Geld und gutes Leben für alle gerecht zu verteilen.

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