Marco Wanda: „Dass es uns überhaupt gegeben hat“
© Zsolnay / Hanser Literaturverlage
Bekenntnisse eines Bandleaders

Marco Wanda
Dass es uns überhaupt gegeben hatZsolnay Verlag, Wien 2025288 Seiten
25,00 Euro
In seinem Buch blickt Marco Wanda auf den Rausch zurück, den er mit seiner Band „Wanda“ erlebte: auf Plattenerfolge, Besucherrekorde und Hymnen in Feuilletons. Auch die Schattenseiten des Erfolgs zeigt er. Und bleibt dabei angenehm bescheiden.
Kaum etwas an dieser Geschichte ist neu, und einiges könnte man rasch als Klischee abtun. Aber dafür, dass Marco Wanda wenig Überraschendes zu bieten hat, ist sein Buch eigenartig berührend. Was sich nacherzählen lässt, fällt unter die Kategorie „erwartbar“: Da wären die Drogen- und Alkoholexzesse einer Rockband. Die emotionale Leere nach dem geglückten Auftritt.
"Anerkennung heilt keine Wunden"
„Wir wurden in den folgenden Monaten und Jahren in einem absurden Tempo viel zu bekannt. Wir alle schleppten unsere emotionalen Lasten aus der Kindheit und Jugend mit uns herum. Erfolg ist keine Salbe, Anerkennung heilt keine Wunden. Im Gegenteil […]. Man it was fun ... aber halleluja! Nicht immer ...“
Mit dem „Nicht immer“ beginnt, was dieses Buch reizvoll macht. Denn im Kern ist „Dass es uns überhaupt gegeben hat“ Bekenntnisliteratur. Nicht weil Marco Wanda darin von dem allnächtlichen Rausch erzählt oder sich an den Abend erinnert, an dem die Band in jenem Rausch ein Dorf zerstört hat. Nicht weil er offen über Schuld oder Scham schreibt, Reue zeigt.
Von Höhepunkt zu Höhepunkt
Dieses Buch ist Bekenntnisliteratur, weil der Schmerz, der das Schreiben auslöst, im Ungesagten steckt, und der Bekennende womöglich gar nicht weiß, was er offenbart.
Marco Wanda nämlich erzählt einen Höhepunkt nach dem nächsten. Er springt von Plattenerfolg zu Besucherrekord, von Preisverleihung zu Hymnen in Feuilletons. Kurzum: Auffällig lückenlos erinnert er sich an die Etappen der Erfolgsgeschichte, anstatt diese durch eine Auswahl zu verdichten. Und dieser Ritt durchs Glück erzeugt vor allem eines: das Gefühl von Rastlosigkeit und Serialität. Das große Gefühl aber, für das diese Band eigentlich steht, der erfüllte Augenblick, den hervorzukitzeln „Wanda“ angetreten war, beides verliert sich in der Nacherzählung. Und so erzeugt Marco Wanda in der Literatur genau den Effekt, der auch im Leben am Erfolg der Band nagte: Höhepunkte verlieren an Intensität, sobald sie in Serie erlebt werden.
„Wir rasten einfach wie im Wahn durch unseren Traum, der sich Schritt für Schritt zu realisieren schien. Man schafft nur einmal im Leben mit seinen besten Freunden den Durchbruch als Band, und das wussten wir. Wir lebten kein Rock-and-Roll-Klischee, uns erfasste eine Logik, die sich in den ewig selben Mustern durch alle Erfolgsgeschichten zieht. Es gibt als Band nichts Schöneres, als groß zu werden. Groß zu sein ist eine andere Kategorie. Aber es zu werden, zu fühlen, wie die Sterne langsam zusammenlaufen und alle in eine Richtung weisen, das ist ein irrer Trip.“
Ein feiner Beobachter kleiner Momente
Es ist aber nicht bloß diese Einsicht in die Gefühlswelt der Musiker, die das Buch auszeichnet. Marco Wanda ist ein feiner Beobachter kleiner Momente. Kurze Szenen der Körperlichkeit, Zärtlichkeit zwischen den Bandmitgliedern zum Beispiel, die dem allzu männlichen Lederjacken-Macho-Image widersprechen, das Wanda vorauseilt. Szenen, beschrieben wie aus der Vogelperspektive, die unmittelbar verraten, welchen Rollenwechsel schneller Erfolg erzwingt:
„‚Amore‘ war in der Früh erschienen, und nach dem Konzert gaben wir das erste Mal Autogramme. Es ist interessant, wie man das hinnimmt, wie das plötzlich normal ist. […] Ich beobachtete die Bandmitglieder, wie sie CDs und Platten signierten, als hätten sie ihr Leben lang nichts anderes getan.“
Die Rückschläge des Lebens
Einen besonders literarischen Ton schlägt Marco Wanda in diesem Buch nicht an. Er erzählt einfach, findet in einen Duktus, der an Mündlichkeit erinnert. Und auch das passt zum Bekenntnishaften dieses Textes, das bewusst Unfertige, Ungeschliffene:
„Christian, Ray und Manus Selbstvertrauen, was die Band anging, machte mir in den nächsten Jahren in entscheidenden Momenten immer wieder Mut. Sie glaubten wirklich an uns. Ich tat das damals eigentlich nicht. Vielleicht doch. Ach, keine Ahnung, es ging einfach immer hin und her. Mal konnte ich uns auf großen Bühnen visualisieren, mal dachte ich, es würde alles an der Kassa eines McDonald's enden, im ewigen Versprechen, eines Tages zum Filialmanager aufzusteigen.“
Die Realität hält andere Rückschläge bereit: den Tod des Keyboarders und Freundes, den Tod von Marco Wandas Vater, die Erkenntnis, dass auch er selbst sich zugrunde richtet, wenn er seine Gefühle weiter mit Drogen und Alkohol betäubt. Das Wissen um die eigene Fragilität, das in manchem Song aufblitzt, macht dieses Buch explizit.
„Ich glaube nicht, dass ‚Bei niemand anders‘ ausschließlich das Thema ‚Verlust‘ behandelt. Vielleicht ist das aber auch der konfuse Versuch eines Songwriters, die Deutungshoheit über etwas zu behalten, das er längst aus den Händen gegeben hat.“
Die Erfolgsgeschichte wird nicht glorifiziert
Dieses Buch gibt an keiner Stelle vor, mehr zu bieten, als es tut. Es ist – bei aller erzählter Hybris – angenehm bescheiden. Bescheiden in der Wahl der literarischen Mittel und bescheiden auch insofern, als dass die Erfolgsgeschichte nicht glorifiziert wird.
Marco Wanda versucht nicht, seiner Band oder gleich der ganzen Musikszene Wiens den Anschein des Geheimnisvollen, Tiefen zu verleihen. Er weiß, dass sich Erfolgsgeschichten von Bands ähneln – auch wenn sie sich besonders anfühlen. Und er findet einen Weg, um beides spürbar zu machen.