Mahrenholz: Viele Sprachen werden aussterben
Derzeit gibt es noch rund 6500 Sprachen auf der Erde. Doch nach Einschätzung des Leiters des Berliner Lautarchivs, Jürgen Mahrenholz, werden bereits im Jahr 2100 etwa 90 Prozent dieser Sprachen nicht mehr gesprochen werden.
Liane von Billerbeck: 6500 Sprachen gibt es derzeit auf der Erde. Noch, muss man hinzufügen, denn es waren mal mehr. So wie die Naturvölker aussterben, sterben auch deren Sprachen aus. Im Lautarchiv der Berliner Humboldt-Universität sind die Stimmen von Menschen aus den verschiedensten Sprachräumen archiviert.
"Schuld" daran ist ein deutscher Lehrer, der 1914 auf die Idee kam, die Sprachen zu sammeln. Die Ergebnisse seiner Sammelwut sind auf 7000 Schellackplatten gespeichert. Jürgen Mahrenholz ist Musikethnologe und leitet das Lautarchiv.
Leben wir in einer Zeit, in der nicht nur die Tierarten aussterben, sondern auch Sprachen, Herr Mahrenholz?
Jürgen Mahrenholz: Eigentlich ja, es gibt gegenwärtig etwa 6500 Sprachen auf der Welt. Die Verteilung der gesprochenen Sprachen ist etwa so, dass vier Prozent der Sprachen von 97 Prozent der Erdbevölkerung gesprochen werden. Und 98 Prozent der Sprachen von nur drei Prozent. Und man kann sagen, dass die Population, die eine Sprache sprechen, die von weniger als 10.000 Personen angewendet werden, dass die auf lange Sicht zumindest verschwinden werden. Und eine Prognose von dem englischen Linguisten Christo ist, dass bis zum Jahr 2100 etwa 90 Prozent der heute gesprochenen Sprachen nicht mehr angewendet werden.
von Billerbeck: Welche Rolle spielt denn die Aufzeichnungsmöglichkeit von Sprachen?
Mahrenholz: Die Aufzeichnungsmöglichkeit spielt heute natürlich eine herausragende Rolle. Damals war das Medium relativ neu. Und Wissenschaftler waren sehr fasziniert von der Möglichkeit, eine Sprache oder Musik so aufzuzeichnen, wie sie gesprochen wird. Das ist ja eine Möglichkeit, die gab es vorher gar nicht. Man konnte sie zwar schriftlich fixieren, aber man konnte die vielen, vielen anderen Parameter der Sprache nicht richtig aufzeichnen. …
von Billerbeck: Wilhelm Doegen hat ja im Ersten Weltkrieg begonnen, dieses Archiv aufzubauen. Gab es einen Anlass? Befürchtete er, dass viele Sprachen aussterben würden und dass sie dann unwiederbringlich verloren sind?
Mahrenholz: Ja, diese Angst gab es damals durchaus. Und das hat auch schon der Begründer der Musikethnologie, Erich Moritz von Hornbostel, 1905 erkannt.
von Billerbeck: Wilhelm Doegen hat ja Sprachen gesammelt. Wie hat er das gemacht?
Mahrenholz: … Es gab eine ziemlich große Apparatur. Etwa 1,80 Meter hoch. Der Techniker musste sich auf einen Stuhl stellen. Eine Wachsplatte, etwa zwei bis drei Zentimeter dick, musste vorher in einem Wärmeschrank aufbereitet werden auf 40 bis 50 Grad. Und wenn dies alles stimmte, konnte die Platte auf den Teller aufgelegt werden und der Sprecher konnte dann den verabredeten Text in den Trichter hineinsprechen. …
Das gesamte Gespräch mit Jürgen Mahrenholz können Sie für begrenzte Zeit in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören.
"Schuld" daran ist ein deutscher Lehrer, der 1914 auf die Idee kam, die Sprachen zu sammeln. Die Ergebnisse seiner Sammelwut sind auf 7000 Schellackplatten gespeichert. Jürgen Mahrenholz ist Musikethnologe und leitet das Lautarchiv.
Leben wir in einer Zeit, in der nicht nur die Tierarten aussterben, sondern auch Sprachen, Herr Mahrenholz?
Jürgen Mahrenholz: Eigentlich ja, es gibt gegenwärtig etwa 6500 Sprachen auf der Welt. Die Verteilung der gesprochenen Sprachen ist etwa so, dass vier Prozent der Sprachen von 97 Prozent der Erdbevölkerung gesprochen werden. Und 98 Prozent der Sprachen von nur drei Prozent. Und man kann sagen, dass die Population, die eine Sprache sprechen, die von weniger als 10.000 Personen angewendet werden, dass die auf lange Sicht zumindest verschwinden werden. Und eine Prognose von dem englischen Linguisten Christo ist, dass bis zum Jahr 2100 etwa 90 Prozent der heute gesprochenen Sprachen nicht mehr angewendet werden.
von Billerbeck: Welche Rolle spielt denn die Aufzeichnungsmöglichkeit von Sprachen?
Mahrenholz: Die Aufzeichnungsmöglichkeit spielt heute natürlich eine herausragende Rolle. Damals war das Medium relativ neu. Und Wissenschaftler waren sehr fasziniert von der Möglichkeit, eine Sprache oder Musik so aufzuzeichnen, wie sie gesprochen wird. Das ist ja eine Möglichkeit, die gab es vorher gar nicht. Man konnte sie zwar schriftlich fixieren, aber man konnte die vielen, vielen anderen Parameter der Sprache nicht richtig aufzeichnen. …
von Billerbeck: Wilhelm Doegen hat ja im Ersten Weltkrieg begonnen, dieses Archiv aufzubauen. Gab es einen Anlass? Befürchtete er, dass viele Sprachen aussterben würden und dass sie dann unwiederbringlich verloren sind?
Mahrenholz: Ja, diese Angst gab es damals durchaus. Und das hat auch schon der Begründer der Musikethnologie, Erich Moritz von Hornbostel, 1905 erkannt.
von Billerbeck: Wilhelm Doegen hat ja Sprachen gesammelt. Wie hat er das gemacht?
Mahrenholz: … Es gab eine ziemlich große Apparatur. Etwa 1,80 Meter hoch. Der Techniker musste sich auf einen Stuhl stellen. Eine Wachsplatte, etwa zwei bis drei Zentimeter dick, musste vorher in einem Wärmeschrank aufbereitet werden auf 40 bis 50 Grad. Und wenn dies alles stimmte, konnte die Platte auf den Teller aufgelegt werden und der Sprecher konnte dann den verabredeten Text in den Trichter hineinsprechen. …
Das gesamte Gespräch mit Jürgen Mahrenholz können Sie für begrenzte Zeit in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören.