Mahnmal

Friedenseiche abgesägt

Von Peter Marx · 27.12.2013
Zum 20. Jahrestag der Krawalle von Rostock-Lichtenhagen wurde 2012 vor dem Haus, das damals von rechten Randalieren belagert worden war, eine Friedenseiche gepflanzt - und wenig später abgesägt. Der Vorwurf: Deutschtümelei. Neue Pläne gibt es nicht.
Ralf Mucha, Vorsitzender des Ortsbeirates von Lichtenhagen war so stolz auf die Idee mit der Friedenseiche.
"Wir werden einen Baum pflanzen, es wird glücklicherweise auch eine Eiche sein, die wir zusammen mit den Lichtenhägener einpflanzen. Das wird die Form der Erinnerung sein."
Doch diese Form der Erinnerung hielt nicht einmal eine Woche.
In einer Nachtaktion wurde die frisch eingepflanzte Friedenseiche von der "Arbeitsgruppe antifaschistischer Fuchsschwanz“ abgesägt. Die Eiche, hieß es in einer Internet-Erklärung der Fuchsschwanz-AG, sei ein Symbol für Deutschtümelei und Militarismus.
Seither steht der Baumstumpf vor dem Sonnenblumenhaus in Lichtenhagen, wo rechte Randalierer tagelang ein Asylbewerberheim belagerten. Der Stumpf hat sogar erste Triebe bekommen, staunt die Rostocker Bürgerschaftspräsidentin Karina Jens. Ein Einwohner aus Lichtenhagen hat ihr ein Foto des Baumstumpfes geschickt, verbunden mit der Frage: Wann will die Stadt endlich was tun?
Karina Jens: "Also Stand der Dinge ist einmal die Erinnerung oder die Mahnung an Lichtenhagen wach zu halten als Teil der jüngeren Stadtgeschichte, die wenig erfreulich war. Das wird aber wohl geschehen, nach den bisherigen Überlegungen, nach der Sanierung der August-Bebel-Straße, dem ehemaligen maritimen Museum, das ja dem kulturhistorischen Museum zugeordnet wird und das in so weit auch mit Stadtgeschichte befasst ist und dort wird auch eine Dauerausstellung zu den Vorkommnissen in Lichtenhagen eingerichtet werden."
"Also dann wäre ich für Apfelbaum"
Doch die Ausstellung, weit weg von Lichtenhagen, reicht den Kritikern nicht. Sie wollen vor dem Sonnenblumenhaus ein deutliches Zeichen des Erinnerns: ein Mahnmal oder mindestens einen Gedenkstein. Ein Streit der schon zehn Jahre dauert. So wehrt sich, aus Rücksicht auf die Gefühle der Lichtenhagener Einwohner, der Ortsbeirat gegen jede optisch auffällige Form eines Mahnmals. Ortsbeiratsvorsitzender Ralf Mucha vor der damaligen Pflanzaktion:
"Ich glaube die Initiative und viele um uns rum sind sich einig geworden darüber, dass wir keine Gedenktafel, keinen Gedenkstein setzen, also wir kein Symbol schaffen, was in Zukunft irgendwelche Angriffsziele bringt."
Der Baum sollte ein Kompromiss sein. Doch der Streit wurde noch heftiger, als sich das städtische Grünamt für eine Eiche entschied. Der Grund: keine andere Baumart kann im Spätsommer noch eingepflanzt werden. Die Fuchsschwanzsäger hatten ihr Angriffsziel gefunden. "Geld“, sagt Bürgerschaftspräsidentin Karina Jens heute, "ist jedenfalls für einen neue Baum da.“
"Also insofern halte ich eine Erinnerung vor Ort schon für angemessen und richtig, unabhängig von der Dauerausstellung Lichtenhagen."
Nur wie soll die Erinnerung an die rechten Krawalle aussehen, ohne das irgendeine Seite zum Presslufthammer, zur Säge oder zu einem anderen Werkzeug greift? Diese Frage stellt sich seit der gescheiteren Pflanzaktion nicht nur die Bürgerschaftspräsidentin:
"Offensichtlich ist es schwierig so, weil irgendeine Seite, sich ständig provoziert fühlt oder provoziert fühlen möchte. Also insofern sind die Bedenken vor Ort schon nicht falsch gewesen. Auch eine Plakette kann ich abbrechen, kann ich sozusagen verunstalten und, ständig erneuern müssen durch die Stadt. Also insofern war ein Baum schon der Versuch eine Symbolik, eine Mahnung, was Lebendiges, Zukunftsweisendes zu schaffen, was vielleicht weniger provoziert."
Entscheiden müssen das der Ortbeirat und die Initiativen gegen Fremdenhass in Lichtenhagen, sagt Karina Jens. Während gleichzeitig im Stadtteil Lichtenhagen alle auf eine gute Idee der Stadtverwaltung warten. Vielleicht klappt es im neuen Jahr mit einem neuen Baum, direkt neben dem abgesägten Eichenstamm, hofft jedenfalls Karina Jens.
"Also dann wäre ich für Apfelbaum. Dann kann man die Äpfel pflücken, kann sie gemeinsam essen. Das hat auch etwas Verbindendes."
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