Mafia in Deutschland

Gegen eine falsche Romantisierung

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Einige der Angeklagten sitzen vor Prozessbeginn auf einer besonders gesicherten Anklagebank.
Mafiaprozess in Düsseldorf: Es brauche realistische Darstellungen von organisierter Kriminalität, sagt Sandro Mattioli. © picture alliance/dpa | Roland Weihrauch
Sandro Mattioli im Gespräch mit Julius Stucke · 19.03.2021
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Die Mafia wird in Deutschland unterschätzt. Das meint Sandro Mattioli, Vorsitzender des Vereins "mafia? nein danke". Unsere Vorstellungen seien von Filmklassikern und Rap-Videos geprägt. Dabei gerieten die Verbrechen ins Hintertreffen.
Jedes Jahr werden in Italien die Namen unschuldiger Opfer der Mafia verlesen – an einem Gedenktag am 21. März. Es geht darum, sie und die Verbrechen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
Gegen eine falsche Romantisierung der Mafia – wie sie in Deutschland in Teilen betrieben wird – setzt sich der Journalist Sandro Mattioli ein. Er ist Vorsitzender des Vereins "mafia? nein danke".
"Die wahre Sicht auf die Mafiaclans verschwindet hier in Deutschland oft hinter Vorstellungen, wie wir sie beispielsweise von dem Film 'Der Pate' bekommen oder auch zwischen komödiantischen Verdrehungen", sagt Mattioli, oder auch von Rap-Videos. "Dabei gerät ins Hintertreffen, dass die Mafia eine Verbrecherbande ist, die anderswo sehr blutig agiert."
Das sei eine problematische Entwicklung, die systematisch dazu führe, die Mafia in Deutschland zu unterschätzen. Dass es hierzulande keine dafür angemessene Strafverfolgung gebe, habe vermutlich auch damit zu tun.

Mafia als Zwangssystem, das Leiden produziert

"Ich glaube, wenn wir realistische Darstellungen von organisierter Kriminalität machen, dann geht dieses Faszinosum schnell weg", sagt Mattioli. Es seien Zwangssysteme, die nach innen für die Mitglieder wie nach außen sehr viel Druck und auch Leiden produzierten. "Das wird natürlich nicht dargestellt, wenn man in einem Restaurant eine Pizza 'Cosa Nostra' bestellen kann, das ist natürlich eine Verharmlosung."
Das habe mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun. Er verstehe, dass die Menschen eine gewissen Sehnsucht hätten nach Darstellung von Kriminalität und dem Mafiaboss im schwarzen Anzug mit Sonnenbrille. "Aber es ist halt eigentlich Quatsch."

Warnung vor Diskriminierung ganzer Gruppen

Zugleich warnt Sandro Mattioli vor Diskriminierung auch im Zusammenhang mit der Mafia. "Sie sprechen mit jemandem, der als Kind 'Mafiosi' genannt wurde – was grammatikalisch nicht korrekt ist -, aber trotzdem seine Wirkung zeigt. Ich fand das natürlich verletzend, weil ich mit der Mafia nie was zu tun hatte, meine Familie auch nicht."
Gleiches gelte für Kriminalität in deutschen Clans. Eine Studie seines Vereins habe sich mit Analogien zwischen dieser Art von Kriminalität hierzulande und der in Italien befasst. "Da gibt es auch große Unterschiede. Es ist beileibe nicht so, dass die Familien als solche kriminell sind", sagt Mattioli, "sondern es wird Kriminalität oft geduldet". Es werde als eine Möglichkeit angesehen, neben legalen Wegen zu Erfolg zu kommen.
"Ich finde es auch gut, dass wir in Berlin von 'kriminellen Mitgliedern von Großfamilien' sprechen und nicht von 'kriminellen Großfamilien'."
(cwu)
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