Männerdomäne Musiktheater

Eine Chance für mehr Opern von Frauen

07:32 Minuten
Der gelb erleuchtete Chor der Met Opera, tritt während der letzten Generalprobe zur Premiere von 'L'Amour de loin' von Kaija Saariaho im Metropolitan Opera House, New York, auf.
Der Chor der New Yorker Met Opera in "L'Amour de loin" der finnischen Komponistin Kaija Saariaho © Getty Images / Jack Vartoogian
Uwe Friedrich im Gespräch mit Mascha Drost · 10.08.2020
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Die Werkstatistik des Bühnenvereins zeigt: Opern von Komponistinnen werden immer noch seltener inszeniert und gespielt als Werke von Männern. Der Kritiker Uwe Friedrich fordert die Intendanten auf, "sich historische Werke von Frauen mal genau anzuschauen".
Große Gefühle und nüchterne Statistik kommen jedes Jahr wieder in der Werkstatistik des Deutschen Bühnenvereins. Und jedes Jahr wieder stehen Mozart, Verdi, Puccini und Wagner ganz oben bei den Opern. Auch unter den Opern-Uraufführungen mit den höchsten Aufführungszahlen findet sich nur ein Werk einer Komponistin.*
Uwe Friedrich verweist auf historische Gründe für den Mangel an Opern aus der Hand von Frauen bei der Musik aus den vorigen Jahrhunderten: "Bis ins 20. Jahrhundert hinein hatten Frauen gar nicht die Möglichkeit, große Opern zur Uraufführung zu bringen, auch wenn sie vielleicht für die Schublade komponiert wurden", sagt der Deutschlandfunk Kultur-Opernkritiker.

Das Old-Boys-Netzwerk

Auch bei den zeitgenössischen Kreativen seien es zwar nicht so viele Komponistinnen, die auch Opern komponierten, sagt Friedrich. Aber ein Old-Boys-Netzwerk, das es den wenigen vorhandenen Frauen schwer mache, spiele eine Rolle. "Selbstverständlich haben es Frauen in dieser Männerdomäne Oper schwerer als die Männer."
Werke von Frauen gebe es aber sehr wohl: In der zeitgenössischen Oper werde Kaija Saariaho durchaus aufgeführt. Und auch aus dem 19. Jahrhundert gebe es Werke, die oft kleinformatiger seien, es gebe Kammeropern von Komponistinnen. Pauline Viardot habe etwa "Cendrillon" komponiert – "klein besetzt, wenige Sänger, das ideale Stück für unsere heutige Zeiten."
Die Komponistin Kaija Saariaho verbeugt und bedankt sich nach der Vorstellung ihrer Oper "Only the Sound Remains".
Die Komponistin Kaija Saariaho nach einer Aufführung ihrer Oper "Only the Sound Remains" unter der Regie von Peter Sellars am 15. November 2018 im Rose Theatre of Jazz im Lincoln Center in New York© Getty Images / Hulton Archive / Hiroyuki Ito
Friedrich entdeckt in der Corona-Pandemie denn auch eine Gelegenheit. "Vielleicht ist das jetzt die Chance, sich auch historische Werke von Frauen mal genau anzuschauen." Während sich früher die Intendanten womöglich gefragt hätten, wie sie diese Stücke auf ihre großen Bühnen bringen könnten, sei das kleinere Format jetzt eine Chance, "weil die Werke unter den heutigen Bedingungen problemlos zu spielen wären".

Das Gefühl, willkommen zu sein

Für die Zukunft fordert Friedrich: "Erst mal müssen Frauen das Gefühl vermittelt bekommen, dass sie willkommen sind, dass ihre Werke wirklich ernsthaft angeschaut werden, nicht nur als Feigenblatt."
Es müsse ihnen eine echte Chance gegeben werden. Gelegentlich gebe es das auch schon, sagt unser Kritiker weiter. "Es gibt sehr gute Uraufführungen von Frauen, aber da ist noch eine Menge zu tun. Da ist diesen Jungen und Männern in den Operndirektionen und in den Intendanzbüros nur dringend zu raten, die Frauen zu fördern, an deren Werke sie glauben. Und die gibt es!"
(mfu)
*Redaktioneller Hinweis: Wir haben eine inhaltliche Korrektur vorgenommen.
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