Präsidentschaftswahl in Frankreich

Ein enttäuschender Sieg für Macron

09:19 Minuten
Emmanuel Macron steht an einem Rednerpult und schaut zum Publikum.
Der alte und neue Präsident Emmanuel Macron wird sich auch in Zukunft nicht um die Bedürfnisse der Schlechtergestellten kümmern, sagt die Politologin Emilia Roig © imago-images / NurPhoto / Michel Stoupak
Emilia Roig im Gespräch mit Sigrid Brinkmann · 24.04.2022
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Auf den ersten Blick hat Emmanuel Macron seine Herausforderin überzeugend besiegt. Doch sein Ergebnis ist viel schlechter als vor fünf Jahren und viele Wähler haben ihn nur gewählt, um Le Pen zu verhindern, sagt die Politologin Emilia Roig.
Der französische Präsident Macron kann sich nach seinem Wahlsieg am Sonntag auf eine zweite Amtszeit einstellen. Doch das Ergebnis sei für ihn eine Enttäuschung, urteilt die Politologin Emilia Roig. Es sei größtenteils keine Wahl für ihn, sondern gegen seine Herausforderin gewesen. Die Befürchtung, dass Marine Le Pen Frankreich in der EU an den Rand zieht und ihre Sympathie für Putin hätten Macron geholfen.

Zeichen der Verunsicherung beim Präsidenten

"Macron hat in den letzten Jahren versucht, auch den Wählern von Le Pen zu gefallen. Er hat sich nicht ausdrücklich gegen sie positioniert in Bezug auf Rassismus, Sexismus und Antisemitismus. Das hat er erst kurz vor den Wahlen getan. Außerdem hat er gesagt, dass er bereit sei, ein neues Programm anzubieten, sich zu verändern. Das ist für mich ein Zeichen der Verunsicherung, ein Zeichen, dass er nicht genau weiß, was er den Wählern und Frankreich anbieten kann."
Le Pen habe mit 42 Prozent in der Stichwahl ein sehr gutes Ergebnis erzielt, sagt Roig. So etwas dürfe man nicht normalisieren.

Auch wenn Le Pen in den letzten Jahren versucht hat, ihre politischen Ansichten abzumildern oder das zumindest so formuliert hat, bleiben das Programm und die Ideologie dahinter unverändert: Antisemitismus, Rassismus, Sexismus und die Ablehnung von Europa.

Politologin Emilia Roig

Die Ideologie von Le Pens Anhängerschaft sei menschenfeindlich und richte sich nicht nur gegen Schwarze, Araber und Juden, sondern auch gegen Menschen mit Behinderungen und Menschen aus der LGBTQI-Community, auch wenn sie mit ihren Kommunikationsstrategien ihre Absichten verschleierten.

Soziale Ungleichheit gefährdet die Stabilität des Landes

Roig glaubt nicht, dass Macron in den nächsten fünf Jahren mehr auf die Bedürfnisse der unteren Schichten eingeht. "Dafür ist der Druck nicht hoch genug. Er wird nach wie vor auf diejenigen hören, die die wirtschaftliche Macht im Land haben und nicht auf diejenigen, die über keinerlei politische Macht verfügen."
Deswegen hofft sie bei den im Juli geplanten Parlamentswahlen auf ein gutes Ergebnis für den linken Politiker Jean-Luc Mélenchon, der gerne Ministerpräsident werden möchte.
"Die wirtschaftliche Lage und die politische Krise, die wir gerade erleben, hat dramatische Auswirkungen auf Menschen, die kein Vermögen haben und der Arbeiterklasse angehören. Wir brauchen Personen, die sich dafür einsetzen, dass die soziale und wirtschaftliche Ungleichheit nicht zu einer enormen Kluft wird. Das ist wichtig für die politische Stabilität des Landes", sagt Roig.
(rja)
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