Maaza Mengiste: "Der Schattenkönig"

Der letzte Kolonialfeldzug

20:10 Minuten
Maaza Mengiste in einem ärmellosen grünen Kleid und einer auffälligen Kette
Maaza Mengiste ist für die Recherche für ihr Buch nach Rom gezogen und hat Italienisch gelernt. © Nina Subin
Maaza Mengiste im Gespräch mit Frank Meyer · 15.09.2021
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1935 überfiel das faschistische Italien Äthiopien. Es sollte der letzte und größte Kolonialfeldzug Europas werden. Eine große Rolle in dem Krieg spielten auch äthiopische Frauen – denen widmet sich das neue Buch von Maaza Mengiste.
Wenn es um Benito Mussolini und Faschismus in Italien geht, wird oft über seine Kooperation mit NS-Deutschland und die Auswirkungen vor allem in Europa gesprochen. Der Kolonialaspekt fällt dabei häufig unter den Tisch.
Doch unter dem Diktator geschah im 1935 der letzte und größte koloniale Eroberungsfeldzug der Geschichte – der Abessinienkrieg in Äthiopien.
Damit befasst sich das neue Buch von Maaza Mengiste, "der Schattenkönig", das im vergangen Jahr auf der Shortlist des renommierten Booker-Preises stand. Im Speziellen geht es um die Rolle der Frauen, die in diesem Krieg kämpften. Ein Aspekt, der oft vergessen wird, wie Mengiste erzählt:
"Die Geschichten von kämpfenden Frauen beschränkten sich fast immer auf Familiengeschichten. Es gibt gar keine nationale Erinnerung daran und das ist sehr häufig bei Kriegen der Fall."
Die zentrale Frauenfigur in "der Schattenkönig" ist das Waisenkind Hirut, das als Magd bei einer adeligen Familie arbeitet, die ihr immer wieder klarmacht, dass sie nichts wert ist. Als dann der Krieg hereinbricht, nimmt sie es als Chance wahr, um ihr Leben zu ändern, und wird zur Soldatin.

Ein modernes Kriegslied

Die New York Times bezeichnete den Roman als "modernes Kriegslied" – etwas, das Mengiste beim Schreiben beabsichtigt hat. Sie wollte, dass es wie eine musikalische Komposition funktioniert, wie eine Antwort auf Verdis "Aida" oder eine Hommage an Homers "Ilias". Aber auch an äthiopische Asmari, die die Geschichte des Landes, der Natur, aber auch von Nachbarschaft erzählen.
"Die Asmari sind von Dorf zu Dorf gezogen und haben zum Beispiel von bestimmten Kriegshelden erzählt, die sich in bestimmten Schlachten geschlagen haben. Das geschah in der Form von Kriegsliedern. Die sollten die Kämpfer ermutigen, vorwärtszugehen und sich nicht zurückzuziehen, weiterzukämpfen."
Diese Lieder über spezifische Schlachten von 1935 werden auch heute noch gesungen, so Mengiste.
Entsprechend der Thematik ist "Der Schattenkrieger" ein Buch, in dem auch Gewalt eine große Rolle spielt. Mengistes Ziel dabei ist, zu erforschen, wie sehr Sprache und Fantasie damit umgehen können, das Grauen zu verarbeiten:
"Das ist eine Frage, die ich mir wirklich sehr oft gestellt habe: Wie viel Gewicht kann die Sprache tragen? Wie viel kann sie auf sich nehmen, wie viel kann unsere Fantasie aufnehmen von dem, was wir im Leben zu ertragen haben?"

Maaza Mengiste: "Der Schattenkönig"
Aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit
dtv Verlag, München
576 Seiten, 25 Euro

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