Lyriden-Sternschnuppen im April

Kometenstaub aus dem Bild der Leier

06:08 Minuten
Ein imposanter sternklarer Himmel in der Nacht mit drei Sternschuppen.
In den April-Nächten haben Sie endlich wieder Wünsche frei! Sternschnuppen der Lyriden flitzen dieses Jahr völlig ungestört vom Mond über den Nachthimmel. © unsplash / Michal Mancewicz
Dirk Lorenzen im Gespräch mit Ute Welty · 21.04.2020
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Für diese Woche sind viele klare Nächte vorhergesagt. Während das Geschehen am Boden noch immer stark eingeschränkt ist, dreht der Himmel richtig auf. Die Lyriden-Sternschnuppen und unser Nachbarplanet Venus verzücken die Astro-Fans.
Ute Welty: Seit der vergangenen Nacht und auch in der kommenden bescheren uns die Lyriden besonders viele Sternschnuppen, bis zu 20 pro Stunde. Die Bedingungen sind perfekt, denn nicht nur tagsüber ist der Himmel blau, auch nachts ist er wolkenlos, und deswegen lohnt es sich, früh aufzustehen. Der Wissenschaftsjournalist Dirk Lorenzen und ich haben das gemacht. Guten Morgen!
Dirk Lorenzen: Guten Morgen, Frau Welty!
Welty: Wie sind denn die Lyriden zu beobachten?
Lorenzen: Einfach so, abends nach 23 Uhr, gegen Mitternacht, kann man anfangen hochzugucken in den Himmel, und dann geht es wirklich bis in die Morgendämmerung. Einfach hoch in den Himmel gucken, am besten in Richtung Südosten. Wenn man dann ein bisschen Glück und Geduld hat, dann huscht da die eine oder andere Sternschnuppe über den Himmel.
Klar ist, je dunkler der Standort ist, desto besser, also: nicht irgendwo unter eine Straßenlaterne stellen. Und auch ganz wichtig: einfach mit bloßem Auge gucken, Fernglas oder Teleskop helfen gar nicht.

Komet Thatcher verstreut leuchtende Krümel

Welty: Warum gibt es gerade jetzt so viele Sternschnuppen?
Lorenzen: Die Erde kreuzt in diesen Tagen die Bahn des Kometen Thatcher. Und Kometen, das sind so kleine Schneebälle, so einige Kilometer groß, mit viel Eis und Staub, schmutzige Schneebälle, kann man sagen. Diese Staubteilchen, die verteilen sich auf der Bahn und prallen jetzt eben in die Atmosphäre hinein. Und weil die aus dem Sternbild Leier, lateinisch Lyra, zu kommen scheinen, deswegen sprechen wir Astronominnen und Astronomen von den Lyriden-Sternschnuppen.
Der Komet heißt nach dem Amateurastronomen Albert Thatcher, der hat 1861 das Kunststück fertiggebracht, aus der Mitte von Manhattan heraus einen Kometen zu entdecken, das geht jetzt im Lichtermeer Manhattans natürlich nicht mehr. Komet Thatcher selber werden wir nicht mehr zu sehen bekommen, der kommt erst in rund 250 Jahren wieder, aber jedes Jahr im April gibt es seine Krümel am Himmel zu sehen.

Superstar für eine Sekunde

Welty: Das heißt, mit Sternen haben Sternschnuppen eher wenig zu tun.
Lorenzen: Das ist purer Etikettenschwindel, da fallen keine Sterne vom Himmel, sondern wirklich nur größere Sandkörner oder kleine Steinchen, maximal erbsengroß, das ergibt dann schon eine richtig tolle Sternschnuppe. Das liegt daran, dass die Teilchen unglaublich schnell sind. Die prallen mit fast 200.000 Kilometern pro Stunde in die Erdatmosphäre hinein und regen dann die umgebenden Teilchen der Luft zum Leuchten an. Bei diesem Tempo wird auch das kleinste Teilchen mal zum Superstar, aber eben nur für eine Sekunde.
Welty: Kann das auch gefährlich werden, weil es womöglich auch größere Brocken gibt?
Lorenzen: Nein, bei einem Kometen ist das vollständig ungefährlich, das sind wirklich nur Krümel, ganz kleine Steinchen, die sind vollkommen harmlos. Nur recht selten schaffen es dann wirklich mal größere Steine oder Eisenbrocken, als Meteorit auf die Erde zu stürzen, aber die kommen eben nicht aus diesem Kometen. Und auch sonst ist das zum Glück sehr, sehr selten.
Diese staubgroßen Teilchen, die man als Sternschnuppen sieht oder noch kleinere Teilchen, die sind viel häufiger. Pro Tag fegt die Erde rund 100 Tonnen Material aus dem Weltraum auf. Das sinkt aber meist vollkommen unbemerkt durch die Atmosphäre herunter, man kann also sagen: Der Himmel fällt uns nicht auf den Kopf, er rieselt.

Augen zu - und Wunsch nicht weitersagen

Welty: Apropos rieseln: Bei Sternschnuppen soll man sich ja etwas wünschen, heißt es. Folgen Sie diesem Brauch?
Lorenzen: Aber klar, ich finde das wunderbar. Und da gibt es eine schöne Geschichte von dem dänischen Physiker Niels Bohr, der hatte über der Tür seines Sommerhauses ein Hufeisen hängen. Und dann haben ihn mal erstaunte Gäste gefragt, ob er als Atomphysiker denn an das Glücksbringen eines Hufeisens glaube.
Und da hat er geantwortet, natürlich nicht, aber man habe ihm gesagt, das Hufeisen wirkt auch, wenn man nicht daran glaubt. Also: Sternschnuppen angucken, sich freuen und was wünschen, aber natürlich darf man es niemandem sagen, sonst geht es ja nicht in Erfüllung.
Welty: Woher kommt dieser Brauch überhaupt?
Lorenzen: Ich glaube, das ist wie so ein vierblättriges Kleeblatt, das ist etwas so Seltenes, das ist so ein magischer Moment, da sagt man, das bringt mir jetzt Glück, und dann will man das irgendwie weiter in den Alltag retten. Ich finde es wunderschön, ich mache es immer.

Venus erstrahlt im größten Glanz

Welty: Neben den Sternschnuppen begeistert auch unser Nachbarplanet Venus die Himmelsguckenden. Was ist da jetzt gerade so besonders?
Lorenzen: Die Venus ist einfach jeden Abend wunderbar zu sehen, und wer bei den Sternschnuppen vielleicht Pech hat oder doch nichts sieht, die Venus ist die absolut sichere Bank, die leuchtet immer abends nach Sonnenuntergang wunderbar am Westhimmel strahlend hell. Manche halten sie für ein Ufo oder Flugzeug mit eingeschalteten Landescheinwerfern.
Die Venus ist immer sehr hell, aber jetzt in diesen Wochen ganz besonders, sie leuchtet im größten Glanz, wie die Astronomen sagen. Und die ist auch wirklich mitten aus einer Großstadt heraus zu sehen. Die Venus ist nach Sonne und Mond das hellste Objekt am Himmel.
Welty: Woran liegt das?
Lorenzen: Die Venus ist uns zum einen im Moment relativ nah, das sind nur so etwa 70 Millionen Kilometer. Klar ist das weit, aber astronomisch ist es ein Katzensprung, das ist wirklich gleich der Planet von nebenan. Zum anderen ist die Venus in ganz dicke Wolken gehüllt, die gut das Sonnenlicht reflektieren.

Klimakollaps auf dem Planeten nebenan

Diese Venus-Atmosphäre besteht größtenteils aus Kohlendioxid und Schwefelsäure, die Klimakatastrophe, der Treibhauseffekt, der ist mal auf der Venus entdeckt worden. Und auf der Oberfläche der Venus, da geht es keineswegs romantisch zu, wie man vielleicht bei dem Namen denken mag, da herrschen 500 Grad Celsius, Blei ist da geschmolzen, das ist wirklich die Hölle am Himmel.
Aber aus dieser Entfernung sieht das einfach wunderschön aus, das geht bis in den Mai hinein, kann man wunderbar sehen. Am Wochenende wird es besonders schön, den Sonnabend, Sonntag und auch Montag leistet der Venus die Mondsichel schon Gesellschaft, die beiden stehen wunderbar dann am abendlichen Westhimmel. Rausgucken, etwas himmlischer Glanz in diesen vielleicht bedrückenden Zeiten.
Welty: Auf welche Highlights des Aprilhimmels möchten Sie außerdem hinweisen?
Lorenzen: Es ist einfach schön, man guckt hin, man sieht den großen Wagen, ein Sternbild, das ja ganz viele kennen, das steht abends wirklich senkrecht über uns, da muss man einfach mal hoch in den Himmel gucken. Und auch in den Morgenstunden sieht man den noch, das ist immer wieder schön. Und wir merken ja auch, wie die Nächte immer kürzer werden, die Sonne klettert immer höher an den Himmel und zeigt uns eben: Ja, sehr bald kommt der Hochsommer.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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