Lutz Seiler zum Leipziger Buchpreis für "Stern 111"

Eine Geschichte über die Reifung zum Dichter

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Der Schriftsteller Lutz Seiler: Für sein neues Buch erhielt er den Leipziger Buchpreis 2020.
Lutz Seiler hat seinen Roman nach dem "Stern 111"-Radio benannt, die erste technische Errungenschaft in seiner Familie. © dpa / picture alliance / Arne Dedert
Lutz Seiler im Gespräch mit Eckhard Roelcke · 12.03.2020
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Mit dem Preis der Leipziger Buchmesse für "Stern 111" kann Lutz Seiler seinen Erfolg fortsetzen: Bereits mit seinem Romandebüt "Kruso" gewann er den Deutschen Buchpreis. Beim Entwickeln eines Schreibstils sei auch das Hören wichtig, sagt Seiler.
Der neue Roman "Stern 111" setze an dem Tag ein, an dem der alte Roman schließe, sagt Lutz Seiler. Man könne sein jetzt von der Leipziger Buchmesse ausgezeichnetes Buch "Stern 111" also als eine Art Fortsetzung von "Kruso" bezeichnen.
"Aber es gibt neues Personal und eine Basisgeschichte. Das sind diese Eltern Ingo und Walter, die sich von einem Tag auf dem anderen nach dem Mauerfall eben auf den Weg machen in den Westen, mit zwei Jägerrucksäcken auf dem Rücken und am Akkordeon in der Hand und dann eben weiter ziehen in die weite Welt. Und dazwischen gibt es diese 'Karl'-Geschichte. Die Geschichte ihres Sohnes in Berlin, der versucht, in dieser Stadt eine Passage ins poetische Dasein zu finden."
Der Titel "Stern 111" ist auch der Name eines Radios der 60er Jahre. Es stelle im Roman einen wichtigen Gegenstand im Leben dieser Familie dar, die täglich Radio hört, so der Schriftsteller. "Ein Ding, mit dem man gelebt hat, über viele Jahre. Und das dadurch eine Art Erinnerungsspeicher geworden ist und eine Quelle für das Erzählen."

Entwicklung einer eigenen Dichtersprache

Die Reifung der Figur Karl zum Dichter, das Finden einer eigenen Sprache, sei auch aus seiner eigenen Erfahrung im Berlin der 90er Jahre entlehnt, so Seiler. Wichtig sei dabei vor allem das "vor sich hin sprechen" im Gehen, das "ins Ohr sprechen".
"Das Ohr ist sozusagen das Leitorgan fürs Schreiben. Dazu das Geräusch der Schritte, das einen in besondere Zustände versetzt, Zustände der Abwesenheit, aus denen heraus dann unter Umständen eben der Zugriff auf das besondere Wort oder das poetische Bild gelingt."

Schreiben in Stockholm

Die Arbeitszeiten beim Schreiben seien streng und regelmäßig, beschreibt Seiler sein eigenes Schreiben. Dies gelinge vor allem in Stockholm, wo er mit seiner schwedischen Frau zur Hälfte seiner Zeit lebe.
"Und dort bin ich auch immer ein bisschen weg. Dort kann ich abtauchen. Dort sitze ich am Schreibtisch, gucke zum Fenster raus. Das Schönste ist, wenn es einem gelingt, ein Ding im Text sinnlich erfahrbar zu machen, dann ist für mich der Text gelungen, und das versuche ich."
(mle)
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