Leipziger Buchpreis vergeben

Sind das die besten Bücher? Ja!

05:37 Minuten
Die Cover der Gewinner des Lepiziger Buchpreises 2020.
In diesem Jahr wurden die Preise der Leipziger Buchmesse im Studio von Deutschlandfunk Kultur verkündet. Die Buchmesse fällt wegen des Coronavirus aus. © Klett-Cotta/ Suhrkamp/ dtv
Maike Albath im Gespräch mit Joachim Scholl · 12.03.2020
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Preis der Leipziger Buchmesse für Pieke Biermann, Lutz Seiler und Bettina Hitzer: Die Literaturkritikerin Maike Albath ist mit der Entscheidung der Jury sehr einverstanden. Die Buchauswahl sei originell. Drei Begründungen.
Nach der Bekanntgabe der Preisträgerinnen und Preisträger des Leipziger Buchpreises haben wir die Literaturkritikerin Maike Albath um eine kurze Einschätzung gebeten. Sie sagt: "Alle drei Bücher haben etwas ganz eigenes. Das hat mir sehr imponiert." Die Auswahl sei originell.
Die Einschätzungen der Literaturkritikerin im Einzelnen:

Pieke Biermann: "Oreo" von Fran Ross
(Kategorie: Übersetzung)

Frage: Sie kennen des Buch, haben es selbst begeistert rezensiert. Auch wegen der Übersetzung?
Albath: Ja, unbedingt. Diese Energie, die das Buch hat, hat sich auf mich komplett übertragen.
Mir sind immer noch Formulierungen im Kopf, zum Beispiel der "quarkhäutige Absahner", die Pieke Biermann erfunden hat. Und sie ist wirklich jemand, der sehr originell mit Sprache umgeht. Und das ist eine große Qualität.
Sie hat dieses sehr Einfallslustige und den Spaß an der Arbeit mit dem Sprachmaterial. Das zeichnet sie aus. Ich feiere Pieke Biermann für diesen Preis.

Bettina Hitzer: "Krebs fühlen. Eine Emotionsgeschichte des 20. Jahrhunderts"
(Kategorie: Sachbuch)

Frage: Wie bewerten Sie die Entscheidung? Es ist ja ein sehr wissenschaftliches Buch.
Albath: Das ist richtig. Aber man kann ja die Passagen auch überspringen, die einem zu theoretisch vorkommen. Ich habe das getan, und dann ist eine ungeheuer fesselnde Lektüre, weil es immer wieder Fallgeschichten gibt. Und dass Gefühle historisch so verankert sind, hat mich sehr fasziniert.
Bettina Hitzer wirft wirklich ein ganz neues Licht auf die Art und Weise, wie die Krankheit Krebs wahrgenommen wird. Und was ich sehr wichtig fand: Dass Krebs immer etwas mit Persönlichkeit und sehr oft ja auch mit Weiblichkeit zu tun hat – das wird hier sehr deutlich, wie stark das eben auch immer gesellschaftlich vermittelt wird. Und da hat sie verblüffende Erkenntnisse.
Insofern: ein hartes Sachbuch, aber eine sehr gute Entscheidung. Und aufregend in diesen Tagen, in denen wir so viel über Krankheit und die Wahrnehmung von Krankheit diskutieren.

Lutz Seiler: "Stern 111"
(Kategorie: Belletristik)

Frage: Der Jubel war gleich nach Erscheinen des Buches allseits groß. Auch bei Ihnen?
Albath: Ja. Das ist für mich ein ganz herausragendes Werk. Im Mittelpunkt steht dieser Dichter – ein Maurer –, der versucht, Mauern zu konstruieren, die im eigenen Saft stehen. Und diesen eigenen Saft, den hat auch die Sprache. Das ist ein ganz sinnlicher Realismus, mit hineinschießenden surrealen Elementen.
Das ist ein Roman, der mir diese ganze Phase der 90er-Jahre, des Umbruchs vermittelt hat. Und zwar durch die Fähigkeit, sich die Welt über Sprache anzueignen. Das ist auch in sprachphilosophischer Hinsicht aufregend. Und eben in literarischer. Und es ist gleichzeitig eine ungeheuer packende Geschichte mit sehr prägnanten Figuren.
Es ist ein Buch, das mich über viele Tage sehr mitgerissen hat und das ich auch gleich zwei Mal gelesen habe, weil ich Seilers Art zu schreiben, narrative Verknüpfungen hinzubekommen, auf die Spur kommen wollte. Das Buch hat ein großes Geheimnis und einen ganz eigenen Zauber."
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