Luther und Calvin in Kairo

Bunte Kalligrafie zu Ehren Gottes

Der koptisch-evangelische Theologe Tharwat Kades, Pfarrerin Nadia El Karsheh und der islamische Kalligrafie-Künstler Ahmed Darwish (v. l. n. r.)
Der koptisch-evangelische Theologe Tharwat Kades, Pfarrerin Nadia El Karsheh und der islamische Kalligrafie-Künstler Ahmed Darwish (v. l. n. r.) © © Stefan El Karsheh
Von Cornelia Wegerhoff · 12.03.2017
Mit Bibel, Kalligrafie und Sehnsucht nach Dialog: Auch in Kairo wird an 500 Jahre Reformation erinnert. Immerhin eine Million Ägypter gehören zu einer protestantischen Kirche – eine nennenswerte Minderheit neben dem Islam und der koptisch-orthodoxen Kirche.
Es war wie eine kleine Zeitreise. Das "Cairo Baroque Ensemble" nahm die Gäste musikalisch mit zurück in die Ära Martin Luthers. Und Nadia El Karsheh, deutsche Pastorin in Kairo, erinnerte mit Zitaten an die Reformation vor 500 Jahren:
"Ulrich Zwingli schreibt: Seinen Anfang nimmt der Glaube damit, dass der Mensch beginnt an sich selbst zu verzweifeln und einzusehen, dass er auf Gott allein vertrauen muss."

Bibelverse und ausgesuchte Zitate der Reformatoren

Für die ägyptischen Zuhörer übersetzte Tharwat Kades, koptisch-evangelischer Theologe, die Worte ins Arabische. Doch das alles sollte nur zu Gehör bringen, was es so vorher noch nie zu sehen gab: 20 Bibelverse und ausgesuchte Zitate der Reformatoren Luther, Calvin, Zwingli und Melanchthon hängen in der deutschen evangelischen Kirche in Kairo nämlich jetzt als Kalligrafien an den Wänden, in großformatigen, kunstvoll verschlungenen, arabischen Schriftzeichen, so wie sonst in Moscheen der Koran. Nadia El Karsheh, zusammen mit ihrem Mann Stefan, Initiatorin der Ausstellung:
"Die Idee ist geklaut, hier vom Goethe-Institut in Kairo. Die haben eine tolle Sache gemacht mit dem deutschen Grundgesetz, umgesetzt in arabische Kalligrafie. Das hat auch im orientalischen Christentum hier eine große Tradition. Aber im Islam ist es eben besonders wichtig, als eben alle Gegenständlichkeit, alle figürliche Darstellung eben verboten ist. Wohl aber ist es erlaubt, mit Schrift die Schönheit des Koran eben in der Schönheit der Kalligrafie darzustellen. Und wir haben zum 500. Jubiläum der Reformation gedacht: Das wär´s doch, wenn wir Zitate verschiedener Reformatoren – das war uns wichtig, nicht nur Luther - auch umsetzen in Kalligrafie. Und ich finde, das ist sehr gut gelungen."

Brücke zwischen Christen und Muslimen

Eingefasst in elegante, silbrig-grau gezeichnete Rahmen aus Spitzbögen und orientalischen Ornamenten leuchten die Zitate der Reformation in bunten Farben. Die Worte wurden dabei nicht nur in arabischer Schönschrift auf das Papier gebracht. Aus den Linien der Buchstaben sind aufwändige Muster entstanden, regelrechte Wortteppiche zu Ehren Gottes. Gestaltet wurden sie von einem muslimischem Künstler, dem ägyptischen Kalligrafen Ahmed Darwish:
"Ich bin Muslim. Aber diese Zitate der Reformation haben mich wirklich berührt. Ich habe vor drei Jahren auf Einladung des Goethe-Institutes das Haus von Martin Luther in Wittenberg besucht. Ich wusste, er war der große Reformator des Christentums. Aber durch seine Zitate und die der anderen Reformatoren weiß ich jetzt, dass wir solche weisen Worte heute dringend wieder brauchen. Auch hier in Ägypten, nicht nur in Deutschland."
Mit Zitaten der Reformation eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart schlagen und eine Brücke zwischen Christen und Muslimen: Das ist das erklärte Ziel der ungewöhnlichen Kirchenausstellung. Ihr vorausgegangen sind etliche, intensive Arbeitstreffen. Tharwat Kades, in der evangelisch-presbyterianischen Kirche Ägyptens Vorsitzender des Rates für ökumenische Beziehungen und Dialog, versuchte dem Kalligrafhen dabei die Inhalte der Zitate nahe zu bringen. Theologisch unterstützt von Nadia El Karsheh, die als Tochter eines christlichen Palästinensers auch Arabisch spricht:
"Das war wirklich eine sehr spannende Sache. Denn wie erklärt man einem Moslem, der gar kein Deutsch kann, den Inhalt eines solchen 500 Jahre alten Zitates? Und meistens hat Tharwat den Anfang gemacht, hat erst mal auf Deutsch gelesen. Dann war immer der erste Schritt: Er selber war völlig ergriffen von der Schönheit dieses Textes und hat dann gleich angefangen zu übersetzen und versucht, praktisch dem Ahmed Darwish verständlich zu machen, warum dieser Text so schön ist. Und dieser Funke ist eigentlich immer sofort übergesprungen. Naja, meistens ist er übergesprungen."

Übersetzung mit Schwierigkeiten

"Manchmal gab es auch es auch Meinungsverschiedenheiten zwischen uns, wenn es um Begriffe ging, die nicht wirklich schön formuliert waren." Tharwat Kades lacht: "Wir waren nicht einer Meinung, aber wir waren Freunde und sind es auch geblieben."
Mit Humor und großem Arbeitseifer wurde wochenlang an den Übersetzungen gefeilt. Denn einfach Wort für Wort ließen sich die 500 Jahre alten Zitate nicht ins Arabische übertragen. Einige Begriffe wurden lange diskutiert, sagt Nadia El Karsheh:
"Eigentlich gar nicht so die abstrakten. Denn Begriffe wie 'Gnade', 'Barmherzigkeit', wie auch immer, kommen im Koran ja auch so vor. Das war nicht die Schwierigkeit. Vielmehr die Dinglichkeit dieser reformatorischen Sprache. Und dann gab es eben auch Begriffe oder Zitate, die gar nicht gingen. Nämlich das: 'Gott ist wie ein glühender Backofen voller Liebe', so typisch Luther. Wo wir im Deutschen vielleicht denken: Oh, was für ein schönes Bild. Aber im Arabischen, im Islam ein absolutes No-Go. Weil diese Verdinglichung Gottes, ein solches profanes Bild für den allmächtigen Schöpfer-Gott zu verwenden, das war einfach so anstößig, dass wir ganz schnell gemerkt haben, da kommen wir nicht weiter."
Doch am Ende der Debatten überwogen die Gemeinsamkeiten, erklärt Tharwat Kades begeistert:
"Wissen Sie, das Beste ist an der Reformation ist die Tatsache, dass man Missverständnisse bei dieser Gelegenheit erklärt. Dass wir als Christen und Muslime miteinander besprechen, sogar über Luther und Calvin, dass zeigt, dass diese Sprüche auch für die Muslime interessant sind. Ich werde mit dieser Ausstellung überall in ganz Ägypten herumreisen, von Assuan bis Alexandria, weil das ist eine gute Methode ist, um bei den Menschen Verständnis zu erwirken."
Als Poster-Satz werden die kunstvoll gestalteten Zitate der Reformation in Ägypten auf Rundreise gehen. Der Kalligraf Ahmed Darwish hofft, dass damit ein Zeichen gesetzt wird:
"Jeder Muslim sollte Luther lesen. Wir brauchen diese Begegnung. Ägypten ist so schön, wenn Christen und Muslime – so wie wir – zusammenwirken."

Bei der "Weltausstellung Reformation" im August in Wittenberg werden "Zitate der Reformation" in arabischer Kalligrafie dann auch in Deutschland zu sehen sein. Die diskutierenden Theologen und ihr ägyptischer Kalligraf sind ebenfalls nach Wittenberg eingeladen.

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