Klimaproteste in Lützerath

Kampf um einen symbolträchtigen Ort

08:12 Minuten
Klimaschutzaktivisten sitzen am Dorfrand von Lützerath. Das Dorf Lützerath soll zur Erweiterung des Braunkohletagebaus Garzweiler II abgebaggert werden.
Lützerath: Ohne Widerstand wird die Klimabewegung das Dorf nicht aufgeben. © picture alliance / dpa / Oliver Berg
Martin Baumert im Gespräch mit Liane von Billerbeck  · 10.01.2023
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Das Dorf Lützerath ist zum Symbolort der Klimabewegung geworden. Die Proteste gegen den Abriss und den geplanten Braunkohlebabau stehen in einer langen Tradition, sagt der Historiker Martin Baumert.
Die Räumung des von Klimaaktivisten besetzten Dorfs Lützerath im rheinischen Braunkohlerevier soll voraussichtlich am Mittwoch beginnen. Seit dem 10. Januar gilt ein Betretungsverbot.
Die Polizei bietet im nahegelegenen Erkelenz zunächst noch eine Informationsveranstaltung an, wie der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach sagte. Die Polizei stehe vor einem einem "schwierigen, herausfordernden Einsatz mit erheblichen Risiken".
Die Klimaproteste stehen in einer langen Tradition, sagt der Historiker Martin Baumert vom Deutschen Bergbaumuseum Bochum. Schon vor hundert Jahren habe es südlich von Leipzig erstmals organisierte Umweltproteste gegeben. Damals sei es um ein Naherholungsgebiet überwiegend reicher Leute gegangen, das der Braunkohle weichen sollte.
Für den Kohleabbau seien in deutschen Revieren insgesamt etwa 300 Dörfer mit 100.000 Einwohnern verloren gegangen, sagt Baumert. Doch "nicht alle sind nur wegen der Kohle verschwunden". Ein Ort am Tagebau Hambach im rheinischen Revier sei von einer Halde überschüttet worden. Andere Orte seien Speicherbecken gewichen, damit für die Kraftwerke Wasser bereitgestellt werden konnte.
Blick auf Garzweiler II . Das Dorf Lützerath soll zur Erweiterung des Braunkohletagebaus Garzweiler II abgebaggert werden.
Lützerath liegt direkt an der Kante des Braunkohletagebaus Garzweiler II. Inzwischen leben dort nur noch Klimaaktivisten, aber keine Einwohner mehr. © picture alliance / dpa / Oliver Berg
Lützerath sei ein klassisches Beispiel dafür, dass die Mehrheit der Bewohner dazu bereit war, das Dorf zu verlassen, so Baumert. Grund dafür seien auch Belastungen durch den vielen Staub aus dem Tagebau, der Lärm oder das fehlende Grundwasser. Schon 2019 hätten in Lützerath nur noch 20 von einstmals 100 Einwohner gelebt. Im Oktober 2022 sei der letzte Bauer dort weggezogen, nachdem er einen Rechtsstreit gegen den Energiekonzern RWE verloren hatte.

"Symbolort" der Klimabewegung

Lützerath sei inzwischen zum "Symbolort" der Klimabewegung geworden, sagt Baumert. 2018 sei das der Hambacher Forst gewesen. Umweltproteste würden immer dann stark, wenn sich der bürgerliche Protest von Anwohnern und Organisationen wie dem BUND mit radikaleren Gruppe wie beispielsweise "Ende Gelände" verbinde - "weil damit eine viel breitere Öffentlichkeit adressiert wird".
Lützerath eigne sich als "Symbolort" besonders gut, weil es direkt an der Kante des Tagebaus liege. Dadurch seien die Bilder von dort medial gut geeignet, sagt der Historiker. Für die Umweltgruppen sei es ein "fatales Signal", dort den Kohleabbau noch zuzulassen. Sowohl die rot-grüne Landesregierung von Nordrhein-Westfalen als auch die Bundesregierung hatten dem Abbau nach einem Deal mit RWE zugestimmt.
(gem)
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