Es brodelt gewaltig an der Erdoberfläche. Was man hier hört, sind Schlammvulkane. Aus ihren Löchern dringen heiße Gase aus den Tiefen der Erde nach oben. Die graubraune Schlammmasse gluckert vor sich hin, zischt. Dutzende dieser kleinen, teilweise gerade mal mannshohen Schlamm-Vulkane gibt es rund um den Salton Sea, im Imperial Valley in Kalifornien, nahe an der Grenze zu Mexiko.
Statt Öl entdeckt man Sole
“Valley of the Dead” – also das Tal der Toten – hieß die Region mal ursprünglich. Aber um Siedler anzulocken, nannte man es in Imperial Valley um, das klingt besser.
“Die geothermische Ressource wurde hier Mitte der 1960er-Jahre entdeckt. Eine kleine Firma hatte nach Öl gebohrt, aber anstatt auf Öl zu treffen, entdeckten sie heißes salzhaltiges Wasser, also Sole. Und so fingen die Geothermie-Unternehmen hier in den 70er- und 80er-Jahren an, ausgiebig zu bohren“, erklärt Michael McKibben.
Der Geologe von der Universität of California hat seine weißen langen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden.
Blubbernde Minischlammvulkane rund um den Salton Sea: In der heißen Sole steckt gelöstes Lithium.© Christine Schacht, ARD-Studio Los Angeles
Die Quellen unter der Erde sind bis zu 300 Grad Celsius heiß. Mit dem heißen Dampf werden sogenannte Geothermie-Anlagen betrieben. Elf Stück gibt es derzeit am Salton Sea. Dabei wird das Solewasser aus teilweise mehr als einem Kilometer Tiefe aus der Erde gepumpt.
Sechs Millionen Tonnen Lithiummetall
Mit dem Dampf des heißen Wassers werden dann die Turbinen angetrieben, das erzeugt Strom. Im Imperial Valley befindet sich das zweitgrößte Geothermie-Feld der USA. Strom aus Geothermie zu gewinnen – das gilt als umweltfreundlich. Und es passt ins Konzept von Kalifornien, das sich als Vorreiter grüner Energien sieht.
Doch die heißen Thermalquellen bergen einen noch viel größeren Schatz. In der heißen Sole steckt nämlich gelöstes Lithium.
Es gibt wahrscheinlich mindestens eine Million Tonnen Lithiummetall, schätzt man. Sobald sie das gesamte Feld bis zu seiner vollen Kapazität ausgebohrt haben, könnten sie wahrscheinlich Zugang zu einem Reservoir haben, das sechs Millionen Tonnen Lithiummetall enthält. Damit ist dies das größte Lithiumvorkommen in Sole auf der ganzen Welt.
Michael McKibben
„Das größte Lithiumvorkommen in Sole auf der ganzen Welt”: Es könnte zum Game Changer für die USA bei der Rohstoffgewinnung werden.© Christine Schacht, ARD-Studio Los Angeles
Dass es das Lithium gab, ist schon länger bekannt. Doch seine Bedeutung wuchs erst in den vergangenen Jahren so richtig an.
Hunger nach Lithium wird immer größer
Das weiße Gold, wie man das Metall auch nennt, dürfte eine der wichtigsten Ressourcen heutzutage sein. Schließlich steckt Lithium in fast allem, was wir für unser modernes Leben brauchen: Es wird für die Herstellung von Akkus und Batterien benötigt, auch in Elektrofahrzeugen.
Etwa zehn Kilogramm Lithium brauchen die Autohersteller allein für eine einzige Elektroauto-Batterie. Und der Hunger wird noch größer.
Der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom nannte das Imperial Valley schon das Saudi-Arabien des Lithiums. Denn aus dem Wasser, das derzeit für die Stromgewinnung sowieso nach oben gepumpt wird, soll künftig das Lithium extrahiert und umgewandelt werden. Dies würde alles ändern. Es sei ein richtiger „Game Changer“, wenn es um neue grüne Energien ginge, so Newsom.
Drei Firmen stehen bereits in den Startlöchern, um das wertvolle Material aus dem Boden zu holen.
„Wir denken, dass wir 90.000 Tonnen pro Jahr herausholen können – in einem Markt, in dem weltweit 300.000 Tonnen pro Jahr gefördert werden. Wir würden damit nicht nur die Nummer eins in den USA werden, sondern könnten mit Firmen aus Australien und Südamerika konkurrieren“, sagt Jonathan Weisgall von Berkshire Hathaway, einer der Firmen, die den Lithiumabbau vorantreiben.
USA haben ein Lithium-Versorgungsproblem
2026 soll es für Berkshire Hathaway mit der Lithiumförderung losgehen. Auch wenn derzeit viele Experten angesichts des Kriegs in der Ukraine über Gas und Öl reden – Lithium wird ein Rohstoff sein, der in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen wird. Da sind sich viele sicher.
Und die USA haben ein echtes Versorgungsproblem mit Lithium. Denn fast jeder große Autohersteller will in den E-Automarkt. Tesla hat im Jahr 2021 fast eine Million Autos ausgeliefert. Und die Zahlen sollen weiter steigen.
Das meiste Lithium wird derzeit in Südamerika gefördert, dicht gefolgt von Australien und China. Und China kontrolliert laut der Internationalen Energieagentur mehr als die Hälfte der weltweiten Lithiumverarbeitung. Über drei Viertel der Lithium-Ionen-Batterie-Megafabriken der Welt stehen im Reich der Mitte.
2030 soll jeder zweite Neuwagen elektrisch sein
Den Vereinigten Staaten, die sich vorgenommen haben, dass 2030 jeder zweite Neuwagen elektrisch sein soll, käme eine solide eigene Lithiumproduktion gerade recht.
Investoren wie der Australier Rod Colwell reiben sich da schon die Hände. Derzeit stehen auf Colwells Land gerade mal zwei Pumpen bereit. In zwei Jahren will er am Salton Sea aber schon Strom produzieren. Und dann: Lithium abbauen.
"Aus wirtschaftlicher wie auch aus ökologischer Sicht betrachtet, ist es enorm wichtig. Die Vereinigten Staaten importieren derzeit 97 Prozent ihres Lithiums aus Asien und China. Das ist wie eine weiße Leinwand, vor der wir hier stehen", sagt er.
Bis Ende 2023 will Colwell 20.000 Tonnen Lithiumhydroxid aus der Erde holen – so sein Plan.
Auch General Motors ist dabei im "Lithium Valley"
Auch große Automobilhersteller wie General Motors haben sich hier im „Lithium Valley“, wie es manche schon in Anlehnung an das Silicon Valley nennen, eingekauft. Investor Colwell glaubt, dass hier bald nicht nur Lithium gefördert wird, sondern eine komplett neue Industrielandschaft entsteht.
Das Ziel ist nicht nur, dass wir Lithium in Batteriequalität produzieren. Wir haben hier die Möglichkeit, alles von Grund auf neu zu entwickeln. Auch die Batteriefabriken hier zu haben, alles lokal. Das ist viel effizienter, als das Material auch noch Tausende Kilometer von A nach B zu transportieren. Es gibt so viele Vorteile!
Rod Colwell
Und natürlich steckt auch viel Geld in dem Business mit Lithium. Der Lithiumpreis ist seit Januar 2021 um 280 Prozent gestiegen. Ein lohnendes Geschäft, kein Wunder, dass Lithium immer wieder auch mit Gold oder Öl verglichen wird.
Lithiumabbau als Belastung für die Umwelt
Doch nicht nur was das Finanzielle angeht, gibt es Parallelen. Ähnlich wie Öl oder Edelmetalle wie Gold und Silber ist schon der Abbau von Lithium eine große Belastung für die Umwelt. Oft wird dazu viel Wasser benötigt. Und in einigen Ländern, vor allem in Südamerika, fehlt es nicht selten an Umweltstandards. Die Folge: Der Abbau geht auf Kosten der Anwohner und der Natur.
Das führt oft zu Protesten – auch im US-Bundesstaat Nevada, wo ebenfalls Lithium abgebaut werden soll. Dort wehren sich Anwohner, allen voran die amerikanischen Ureinwohner, die den Abbau so verhindern. „In Nevada gibt es Minen seit 150 Jahren. Die Unternehmer sind Milliardäre und wir sind immer noch arm“, ist dort zu hören.
Ausgerechnet im umweltbewussten Kalifornien soll der Lithiumabbau mit 350 Millionen US-Dollar steuerlich gefördert werden. Proteste gibt es bislang keine und auch Umweltorganisationen stehen dem Projekt eher wohlwollend gegenüber.
Warum? Das hat auch mit der besonderen und tragischen Geschichte der Region rund um den Salton Sea zu tun.
See entstand durch einen Unfall
Anfang des 20. Jahrhunderts war Kalifornien noch echtes Neuland. Gold und Öl lockten abenteuerlustige Siedler in den Westen. Der fruchtbare Boden und das mediterrane Klima waren außerdem ideal, um Obst und Gemüse anzubauen. Dafür benötigte man viel Wasser. Der Imperial Valley Kanal wurde gebaut.
Doch Baumängel und Frühlingshochwasser führten im Jahr 1905 zu einem großen Unglück: Das Wasser des Colorado Rivers brach auf einer Länge von 800 Metern durch den Kanal durch und die Saltonsenke – bis dato trocken – wurde geflutet.
Zwei Jahre lang lief das Wasser des Colorado Rivers unaufhaltsam hinein. Dadurch entstand – völlig künstlich – der Salton Sea. Mit einer Fläche von etwa 1000 Quadratkilometern ist er immer noch der größte See Kaliforniens. Doppelt so groß wie der Lake Tahoe im Norden.
Prominente Besucher kamen zum Salton Sea als er noch „Riviera“ war – unter ihnen Marilyn Monroe.© imago images/Prod.DB
Aus der Not wurde eine Tugend gemacht. In den 1950er- und 1960er-Jahren wurde der See als Erholungsgebiet angepriesen. Als eine Art neue Riviera, wo sich auch Stars wie Frank Sinatra oder die Beach Boys und Bing Crosby aufhielten.
Von der Partymeile zur Giftmüllhalde
Mitten in der Wüstenlandschaft wurden Partys auf Jachten gefeiert, es wurde Wasserski gefahren, der Tourismus boomte. Das Imperial Valley gedieh. Ein Wildtierreservat wurde errichtet, um die zahlreichen Vogelarten zu schützen, die hier Zuflucht gefunden haben. Auch weil ihnen der Lebensraum durch die wachsende Landwirtschaft zunichtegemacht wurde.
Doch von diesen blühenden Landschaften ist heute nichts mehr zu sehen. Zumindest was den Tourismus angeht. Denn statt Luxushotels stehen nur noch Ruinen. Grund ist vor allem, dass der See zu einer Art Giftmüllhalde geworden ist.
„Wir haben wahrscheinlich 90 Prozent der fischfressenden Vogelpopulationen verloren. Kormorane, Pelikane, braune, weiße Pelikane. Aus meiner Sicht und von den Daten und der Wissenschaft her, steht der Salton Sea am Rande eines großen ökologischen Zusammenbruchs“, so Frank Ruiz von der Umweltschutzorganisation Audubon.
Grund für den Umweltkollaps sei die extreme Versalzung des Gewässers, sagt er. Denn seit Jahren schrumpft der See, weil kein frisches Wasser zugeführt wird. Das fließt in die Landwirtschaft. Das Wüstenklima lässt das Wasser langsam aber stetig verdunsten.
„Wahrscheinlich 90 Prozent der fischfressenden Vogelpopulationen verloren“: Frank Ruiz von der Umweltschutzorganisation Audubon.© Christine Schacht, ARD-Studio Los Angeles
1999 war die Situation so schlimm, dass mehr als siebeneinhalb Millionen Fische in dem See starben. Der Gestank, der noch Dutzende Kilometer weiter gerochen werden konnte, gilt als legendär.
“Der Salzgehalt wird ansteigen und irgendwann wird kein Leben mehr in dem Wasser möglich sein. Und schon jetzt ist er in dem See doppelt so hoch wie im Meer“, so Frank Ruiz.
Giftiger Staub greift die Atemwege an
Der Salzgehalt des Salton Seas ist das eine Problem. Wo sich das Wasser zurückbildet, da kommt aber auch giftiger Schlamm zum Vorschein. Denn auch Düngemittel aus der Landwirtschaft finden den Weg in den See.
Trocknet der Schlamm, weht er als giftiger Staub durch die Luft und greift die Atemwege an, erklärt Luis Olmedo. Er ist Direktor der Bürgerorganisation CCV, die sich für die Belange der Menschen im Imperial Valley einsetzt. Eine sehr arme Region mit rund 15 Prozent Arbeitslosenquote.
Es ist ein giftiges Risiko für unsere Gemeinschaft – schon jetzt. Die giftigen Partikel gefährden unsere Gesundheit und unsere Wirtschaft. Wir erfüllen nicht die bundesstaatlichen Standards für saubere Luft. Die Menschen werden krank, sie müssen Medizin bezahlen – mit anderen Worten: eine arme Gesellschaft wird immer ärmer.
Luis Olmedo
Nirgendwo in Kalifornien haben mehr Kinder Asthma als im Imperial Valley. Die Anwohner hätten hier besonders unter der Corona-Pandemie gelitten, weil ihre Atemwege sowieso schon belastet seien, sagt Olmedo.
„Ein giftiges Risiko für unsere Gemeinschaft“: Luis Olmedo, Direktor der Bürgerorganisation CCV im Imperial Valley.© Christine Schacht, ARD-Studio Los Angeles
Der Salton Sea kurz vorm Kollaps, die Region: bitterarm. Manche sagen: Schlimmer als jetzt kann es rund um den Salton Sea kaum werden. Wohl auch deswegen wurde das Lithium als Hoffnungsschimmer wahrgenommen.
Lithium als Rettungsanker für die Region
Frank Ruiz von der Vogelschutzorganisation Audubon glaubt, dass die Lithium-Industrie das Potenzial haben könnte, die Region positiv zu verändern.
„Das Lithium kann die Geothermie, die noch recht teuer ist, zu einem Beiprodukt werden lassen. Aber weil der Bedarf hoch ist – Kalifornien will, dass bis 2035 jeder Neuwagen elektrisch ist – würden viele Geothermie-Kraftwerke gebaut und so kann diese Energie billiger werden. Es werden Arbeitsplätze hier geschaffen“, sagt er.
„Man geht von 4000 Jobs aus – das ist gut. Und weil Lithium ein nationales Thema ist, bekommen wir Aufmerksamkeit. Es kann dafür sorgen, den Status der Salton Sea zu verbessern, indem wir mehr Finanzierung bekommen.“
Was in Frank Ruiz Worten mitschwingt, ist, dass zu der neuen sauberen E-Auto-Industrie kein schmutziger Salzsee passt, in dem Fische und Vögel verenden.
Ökologisches Desaster - immer wieder passiert es in den vergangenen Jahren, dass Fische am Salton Sea massenweise verenden.
© imago images/ZUMA Wire
Mit der neuen Industrie verbinden Umweltverbände auch die Hoffnung, dass die Region einen Aufschwung erfährt und Geldmittel freiwerden, um der Natur zu helfen. Mit mehr geschützten Flächen zum Beispiel, in denen mehr heimische Pflanzen angesiedelt werden, um den Staubflug zu mindern.
Nicht alle begrüßen die Lithiumwirtschaft
Theoretisch müsste auch mehr Wasser in den See gepumpt werden, um den Salzhaushalt auszugleichen. Doch das ist im dürregeplagten Kalifornien ein hoch umstrittenes Thema. Und: Der Abbau des Lithiums aus dem Untergrund an sich kann weder das Salz herausfiltern, noch die Giftstoffe aus dem Schlamm herausholen.
Nicht alle Menschen, die rund um den Salton Sea leben und arbeiten, begrüßen die Lithiumwirtschaft. So wie Joe Regan. Der graubärtige Künstler lebt und arbeitet zeitweise in Bombay Beach. Die Kleinstadt am Salton Sea hat sich mittlerweile zu einer kleinen Künstlerkolonie etabliert. Regan schwärmt von einer ganz besonderen Energie.
Viele Häuser in Bombay Beach sind stark heruntergekommen. Der verwitterte Charme, die Ruinen alter Luxushotels – sie haben ein neues Publikum angelockt. Wohl auch, wegen der extrem günstigen Immobilienpreise.
„Ich kann hier nicht zu lange sein“: Joe Regan ist Künstler in Bombay Beach, einer Kleinstadt am Salton Sea.© Christine Schacht, ARD-Studio Los Angeles
Joe Regan liebt die besondere Stimmung – gleichzeitig leidet er persönlich unter der schlechten Luftqualität.
„Ich kann hier nicht zu lange sein“, sagt er. „Ich lebe hier und in Hawaii, komme immer mal wieder, um hier zu arbeiten. Und dann muss ich wieder weg. Aber ich fühle es – auch jetzt. Meine Lunge bringt mich um!“
"Sie wollen alles aufkaufen!"
Sein Künstleratelier gleicht eher einer Wellblechhütte. Der Wind rattert und pfeift durch die vielen Löcher. Vor seinem Atelier hat er Schilder aufgestellt: „Lithium sold here“ – zu deutsch: „Hier wird Lithium verkauft.“ Es soll ein ironischer Kommentar sein. Regan fürchtet, dass er und seine Künstlerkolleg:innen langfristig von der Lithiumindustrie vertrieben werden könnten.
„Sie wollen alles aufkaufen! Wenn das hier richtig anfängt, werden sie Plätze brauchen, um die Arbeiter unterzubringen“, sagt er. „Das werden wir Künstler nicht zulassen!“
Regan kann es sich leisten, den giftigen Staub nur wochenweise zu ertragen.
„Lithium sold here“: Joe Regans Installation soll ein ironischer Kommentar sein.© Christine Schacht, ARD-Studio Los Angeles
Luis Olmedo, der sich mit der Bürgerorganisation CCV für die Menschen vor Ort im Imperial Valley einsetzt, kämpft für diejenigen, die nicht einfach so wegziehen können, um der schlechte Luft zu entgehen.
85 Prozent der Bürger hier sind Hispanics oder Latinos und arbeiten in der umliegenden Landwirtschaft.
Anwohner könnten leiden
Auch wenn er grundsätzlich die Investitionen der Industrie begrüßt, fürchtet er auch, dass die Anwohner darunter leiden könnten:
Die Realität ist, dass wir auch ein leichtes Ziel sind. Bei uns befinden sich die drei der gefährlichsten Abfalldeponien Kaliforniens. Warum sind diese Müllhalden hier? Wir sind eine vor allem nicht-weiße Gemeinschaft mit niedrigem Einkommen. Die Leute gehen nicht für ihr Recht auf Straße. Wir sind das perfekte Ziel, wenn sich die Industrie etabliert.
Luis Olmedo
Olmedo ist deswegen zwiegespalten, ob der Boom des Lithiums ein Fluch oder Segen wird. Es gebe viele Forderungen an die Investoren.
„Wir können unsere Gesundheit oder die Umwelt nicht gegen Arbeitsplätze und wirtschaftlichen Wohlstand eintauschen. Es muss einen Plan geben, wie die Nutzung unserer Ressourcen auch uns zu Gute kommt. Mit Bildung und einem besseren Gesundheitswesen“, fordert er.
„Wir haben hier einige Städte, die kein Recht auf ihr eigenes Wasser haben. Könnten diese Einnahmen dazu beitragen, dieses Wasser zu bezahlen und es wieder in den Besitz der Menschen zu bringen? Das ist wichtig, denn es sind unsere Familien, Freunde und Nachbarn!“
"Lithium Valley" ist eine nationale Angelegenheit
Die Tausenden neuen Jobs – sie brächten nichts, wenn dafür Arbeiter von außerhalb angeheuert würden, so Olmedo. Er möchte daher, dass die Firmen, die das Lithium extrahieren und aufbereiten in Trainings und Fortbildung investieren, um Arbeiter vor Ort einzustellen.
Eine eigens gegründete Kommission berät nun regelmäßig mit Politikern, der Industrie und auch Menschen wie Olmedo darüber. Er hofft, dass die Politik ihre Interessen im Auge behält.
Grüne Energie fördern, neue Jobs vor Ort schaffen, Geld in die Region bringen: Noch gibt es Hoffnung am Salton Sea – und Pelikane.© imago images/DANITA DELIMONT STO
Der Druck, dass das Lithium Valley ein großer Erfolg wird, ist groß. Es ist eine nationale Angelegenheit geworden. Hinzu kommt eine neue, geopolitische Lage mit dem Krieg in der Ukraine, wie Geologe Michael McKibben sagt.
„Es gibt Lithiumvorkommen in der Ukraine und das ist wahrscheinlich auch einer der Gründe, warum Russland in die Ukraine gegangen ist. Weil sie das Gas und das Lithium und einige der anderen Ressourcen wollen, die dort sind“, vermutet er.
„Und dann sollte in Serbien eine der größten Lithiumminen der Welt gebaut werden. Aber die dortige Regierung reagierte auf öffentlichen Widerstand und entzog einfach die Genehmigung für die geplante Mine. Das alles treibt die Menschen nur dazu, Lithium in den USA produzieren zu wollen. Dann unterliegen sie nicht den Launen anderer Länder.“
Ein Experte bremst die Euphorie
Gelänge es also, das Lithium umweltverträglich aus der heißen Sole herauszulösen, dabei die grüne Energie zu fördern, und würden dabei auch noch Jobs vor Ort geschaffen und Geld in die Region gebracht – es wäre ein dreifacher Gewinn.
Doch es gibt Experten, die die Euphorie kräftig bremsen. Denn das Verfahren, Lithium aus der Sole herauszulösen, ist kompliziert, sagt Lithiumexperte Joe Lowry, der das Unterfangen am Salton Sea gut kennt.
„Ich habe nichts gegen das Projekt Salton Sea. Was ich aber nicht mag, ist, wenn erzählt wird, dass es eine einfache Lösung ist“, kritisiert er. „Denn wenn es eine einfache Lösung wäre, hätte man das schon gemacht!“
„Es haben bisher Menschen mit Visionen gefehlt“
Das Verfahren, das am Salton Sea angewendet werden soll, ist neu – wenig erprobt. Lowry glaubt, es könnte noch länger dauern, als viele Firmen behaupten, bis wirklich große Mengen an Lithium aus der Sole gewonnen werden können. Und auch wenn andere schon von Batterie-Gigafabriken träumen – ist Lowry, der Unternehmen berät, die Lithium benötigen, sehr skeptisch.
„Die gesamte Batterielieferkette besteht aus vielen Teilen. Lithium ist ein kritischer Faktor, aber es fehlen noch viele andere Industriezweige, um Batterien herstellen zu können. Wir werden in den nächsten zehn Jahren eine Lithiumknappheit haben, weil es dauert, Projekte an den Start zu bekommen“, erklärt er.
„Auch wegen Protesten dagegen in den USA und Europa. Es gibt genügend Lithium auf der Welt, man kann es auch recyceln, aber es haben bisher Menschen mit Visionen gefehlt. Eine grüne Lithiumfabrik aufzubauen dauert eben viele Jahre – da passt vieles noch nicht zusammen.“
Alle wollten ein E-Auto fahren meint Lowry, aber niemand wolle wirklich eine Lithiumfabrik in der Nähe. Es sei noch viel Arbeit nötig, auch politisch.
Alle wollten ein E-Auto fahren, meint Lowry, aber niemand wolle wirklich eine Lithiumfabrik in der Nähe. Es sei noch viel Arbeit nötig, auch politisch.
In Kalifornien träumt man unterdessen wohl weiter vom weißen Goldrausch 2.0. – und die Anwohner des Salton Seas von einem Aufschwung, der den giftigsten See der USA vielleicht doch noch irgendwie retten kann.
Die Sendung ist eine Wiederholung vom 28. April 2022.