Literaturwissenschaftlerin Münkler zu Weihnachtsgeschenken

"Häufig geht es um die Geste"

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Von links kommt eine Hand im Weihnachtskostüm ins Bild und hält ein kleines verpacktes Geschenk. Der Hintergrund ist knallgelb.
"Wohlfeil" findet Marina Münkler die jährliche vorweihnachtliche Konsumkritik. © Gettyimages / EyeEm / Aekkarak Thongjiew
Marina Münkler im Gespräch mit Anke Schaefer · 10.12.2020
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In die alljährlich wiederkehrende Kritik an Weihnachtsgeschenken stimmt die Literaturwissenschaftlerin Marina Münkler nicht ein. "Man schenkt auch gerne - und das sollte man auch nicht kleinmachen", sagt sie.
Alle Jahre wieder stellt sich vor Weihnachten die Gretchenfrage des Schenkens: Was schenke ich? Schenke ich überhaupt? Wird nicht ohnehin viel zu viel konsumiert?
Die Literaturwissenschaftlerin Marina Münkler findet die alljährliche vorweihnachtliche Konsumdebatte "wohlfeil", weil Konsumkritik so alt sei wie der Konsum.
"Natürlich gibt es jede Menge überflüssigen Konsum", sagt Münkler. Andererseits: "Man schenkt auch gerne und das sollte man auch nicht kleinmachen."
Die Literaturwissenschaftlerin wendet sich damit gegen den Philosoph Philip Kovce, der in unserem Programm die blinde Konsumverklärung vieler Menschen kritisiert und der im Hyperkonsum eine Reaktion darauf sieht, dass viele Menschen in sinnlosen Jobs steckten. Würde man den Menschen ein bedingungsloses Grundeinkommmen geben, so Kovce, wäre das anders. Dann müssten sie nicht nur nicht sinnlos konsumieren, sondern würden auch sonst mehr sinnvolle Dinge tun.
"Das ist die Logik einer hochgradig individualistischen Position, die davon ausgeht, dass Menschen, wenn sie nicht unter dem Druck stünden zu arbeiten, dass sie dann nur sinnvolle Dinge tun würden", meint Münkler. "Ich würde sagen, da gibt es ziemlich viele Gegenbelege dafür."

Man findet eigentlich für jeden ein Geschenk

Auch die vorweihnachtliche konsumkritische Debatte trifft nach Ansicht der Literaturwissenschaftlerin nicht den Kern des Problems: "Da gibt es eine Verselbständigung dessen, was man eigentlich mit einem Konsumgegenstand ausdrücken kann: Es geht ja häufig nur um die Geste des Schenkens", so Münkler. "Und um diese Geste des Schenkens muss man sich Gedanken machen, ob diese Geste des Schenkens anders sein könnte als dadurch, dass man einen Gegenstand weitergibt."
Der dazu dann noch perfekt den Geschmack des Beschenkten treffen soll. Deshalb immer nur Dinge zu kaufen, die sich andere explizit gewünscht haben, ist offenbar für Münkler auch keine Lösung.
"Wenn man gesagt bekommen muss, was man schenken soll, ist man an dem Beschenkten ja nicht sehr nah dran", sagt sie. "Ich hoffe immer, dass ich etwas finde, was den Beschenkten gefällt."
Letztlich solle man das Schenken weder in der einen noch in der anderen Richtung überbewerten: "Man kann es als eine Geste nehmen, und dann findet man eigentlich für jeden etwas, das er gern hätte."
(uko)

Marina Münkler, geboren 1960, ist Professorin für Literaturwissenschaft an der Technischen Universität Dresden. Sie hat zum Begriff des Fremden geforscht und zum Phänomen der Interkulturalität. Zusammen mit ihrem Mann, dem Historiker Herfried Münkler, veröffentlichte sie 2016 das vieldiskutierte Buch "Die neuen Deutschen". Zuletzt erschien das Buch "Abschied vom Abstieg – Eine Agenda für Deutschland".


Die gesamte Sendung "Der Tag mit Marina Münkler" hier zum Nachhören:
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