Literatur für Blinde und Sehbehinderte

"Wir sprechen von Büchernot"

Eine blinde Frau liest ein Buch in Brailleschrift.
Eine blinde Frau liest ein Buch in Brailleschrift. © imago/McPHOTO
Thomas Kahlisch im Gespräch mit Jörg Magernau · 13.09.2016
Blinde und sehbehinderte Menschen müssen Zugang zu Büchern haben - wie andere Menschen auch. Dafür soll unter anderem der so genannte Marrakesch-Vertrag sorgen, den Deutschland und die EU aber noch nicht ratifiziert haben.
Seit Jahren fordert der Deutsche Blinden- und Sehbehinderten-Verband, dass der Zugang zur Literatur verbessert werden müsse. Die Weltorganisation für geistiges Eigentum, die WIPO, ermöglicht dies mit dem 2013 geschlossenen, so genannten Marrakesch-Abkommen.
Urheberrechte werden darin gelockert, um Literatur oder Sachbücher leichter in Braille-Schrift zugänglich machen zu können. Deutschland und die Eu haben den vertrag noch nicht ratifiziert.
Thomas Kahlisch, der Direktor der Deutschen Zentralbücherei für Blinde in Leipzig, erläuterte den Vertrag im Deutschlandradio Kultur:
"Wir übertragen die Werke ja und sind natürlich immer sehr darum bemüht, auch das Original quasi wiederzugeben. Und es gibt eine Schranke im Urheberrecht, die uns dieses auch gestattet (…) – und diese Schranke besagt, zu nicht-kommerziellen Zwecken, und das ist dann bei der Braille-Schrift so der Fall, kann man Literatur übertragen und sie blinden Menschen, sehbehinderten Menschen anbieten. Und diese Schranke jetzt auch international wirksam zu machen, damit man sich auch international austauschen kann, das ist Ziel des Marrakesch-Verlags."

Blinde können derzeit nur fünf Prozent der Literatur nutzen

Derzeit könnten Blinde nur etwa fünf Prozent der Literatur, die erscheint, nutzen – in Deutschland stünden von 100.000 Neuerscheinungen rund 2000 in Braille-Schrift oder als Hörbuch zur Verfügung, sagte Kahlisch.
"Das ist natürlich viel, viel, viel zu wenig. Und deswegen sprechen wir ja auch von dieser Büchernot."
Hilfreich sei allerdings, dass das digitale Zeitalter blinden und sehbehinderten Menschen neue technische Möglichkeiten an die Hand gebe. So ließen sich Smartphones, Tablets oder auch Rechner mit einer Übersetzungsfunktion ausstatten, die beispielsweise E-Books in Braille-Schrift überträgt. Sachbücher erschienen aber leider oft nur in gedruckter Form.