Literatur

Einer der brillantesten Botschafter

Von Peter B. Schumann · 20.03.2014
Am 31. März wäre der mexikanische Literaturnobelpreisträger Octavio Paz 100 Jahre alt geworden - und die Nation überschlägt sich mit Feierlichkeiten. Es gibt einen Staatsakt, eine Sonderbriefmarke und zahlreiche Symposien.
Mit einem Staatsakt im Palacio San Lázaro, dem Abgeordnetenhaus des mexikanischen Parlaments, begannen die Feierlichkeiten. Eine Briefmarke mit dem Konterfei des Laureaten und ein Sonderschein der staatlichen Lotterie wurden bei diesem hochoffiziellen Ereignis in Umlauf gesetzt. Anschließend rezitierten Parlamentarier Verse aus dem großen Gedichtzyklus Piedra del Sol. Und das Fernsehen, der Kultur-Canal 22, übertrug live die Zeremonie.
Dabei kann Mexiko den 100. Geburtstag von Octavio Paz erst am 31. dieses Monats begehen. Aber die zehn Tage reichen - nach Ansicht der Veranstalter - nicht aus, um die Bedeutung und Modernität des 1998 verstorbenen Poeten und Essayisten zu würdigen. Deshalb hat das mexikanische Parlament 2014 zum "Jahr von Octavio Paz" erklärt. Das heißt: ganz Mexiko ist aufgerufen, den wohl größten Poeten des Landes zu feiern. Rafael Tovar y de Teresa, der Präsident des Nationalrats für Kultur und Künste, verkündete bereits im Januar:
"Alseine der wichtigsten Aktivitäten wird eine Reihe bedeutender Intellektueller sich mit seinem kritischen Denken auseinandersetzen. Octavio Paz ist für uns jemand, der sich für die Partei der Intelligenz engagierte. Dieses Aufeinandertreffen von Ideen ist von zentraler Bedeutung."
Verbundenheit mit den Weltkulturen
Zu den internationalen Symposien sind Nobelpreisträger aus unterschiedlichen Literaturen eingeladen wie Wole Soyinka aus Nigeria, Dereck Walcott aus der Karibik und Mario Vargas Llosa aus Peru sowie eine Vielzahl internationaler Schriftsteller. Sie sollen die Verbundenheit des Essayisten Octavio Paz mit den Weltkulturen zum Ausdruck bringen.
Und sie sollen natürlich auch den hohen Stellenwert von Literatur und überhaupt von Kultur in Mexiko unterstreichen. Die Colloquien werden nicht nur in Land der Azteken stattfinden, sondern in London, Paris, Tokyo, Rio de Janeiro, Buenos Aires und Madrid. Außerdem wird ein Film über seine Pariser Hungerjahre nach dem Krieg gedreht, und eine Kantate ist im Entstehen.
In zahlreichen Ausstellungen werden Aspekte seiner Leidenschaften beleuchtet, z.B. seine Beziehung zur Kunst. Kurator Miguel Angel Muño:
"Er schätzte vieler der zeitgenössischen Künstler wie den Mexikaner Rufino Tamayo und den Spanier Antoni Tápies, über die er sehr viele Essays geschrieben hat. Die Werke aller Künstler, die wir zeigen, werden mit Zitaten von ihm kommentiert. An Tamayo faszinierte ihn besonders die Verbindung zwischen präkolumbischer und moderner Kunst."
Einer der populärsten Poeten des Landes
In Mexiko werden außerdem landesweit Marathonlesungen durchgeführt, denn er gilt auch als einer der populärsten Poeten des Landes. Die Jugend von heute dürfte zwar anderen literarischen Vorbildern frönen, doch in diesem Jahr wird sie an ihm nicht vorbeikommen, denn der Staatsverlag Fondo de Cultura Económica teilte mit:
Sprecher: "Es ist uns eine besondere Verpflichtung, 1.832.000 Exemplare einer Anthologie von Octavio Paz an die entsprechende Anzahl von Schülern zu verschenken, die in diesem Jahr ihre mittlere Reife abschließen."
Eine Aktion dieser Dimension als Hommage für einen Dichter hat es bisher in keinem anderen Land Lateinamerikas gegeben. Schriftsteller werden dort oft mit einer Fülle von Ehrungen überhäuft, wie wir sie bei uns nicht kennen. Das hängt mit der besonderen Wertschätzung von Intellektuellen zusammen, die ihre Länder durchaus als Diplomaten, als Repräsentanten von Kultur und Bildung, vertreten können. Bei uns scheint man eher der diplomatischen Ausbildung den Vorzug zu geben.
Weltbürger von beeindruckender Gelehrsamkeit
Octavio Paz galt als einer der brillantesten Botschafter Mexikos, denn er war ein Weltbürger von beeindruckender Gelehrsamkeit, ein Vermittler zwischen den Welten und dabei ständig auf der Suche nach seiner eigenen. Aber er war auch ein Vertreter der Macht, der seine Privilegien zu genießen verstand.
Doch inzwischen wird er als eine Art mexikanischer Nationaldichter von allen politischen Richtungen in Anspruch genommen. Und so ist auch der immense Trubel zu seinem 100. Geburtstag zu verstehen, an dem sich unzählige staatliche Institutionen und private Organisationen auf allen Kanälen und landesweit und sogar international beteiligen. Die literarische Welt, zumindest ihr westlicher Teil, ehrt einen ihrer großen Poeten, der sein dichterisches Credo in diesen schlichten Versen zusammengefasst hat:
Octavio Paz: "Hermandad" - "Brüderlichkeit"
Bin ein Mensch, nur kurz mein Leben
und unermesslich die Nacht.
Doch ich blicke hinauf,
sehe die Sterne schreiben.
Ohne zu verstehen begreif ich:
Auch ich bin Schrift
und eben jetzt entziffert mich jemand.
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