Heißer Büchersommer
53:19 Minuten
In der August-Ausgabe lädt Thea Dorn zum munteren Disput mit Vea Kaiser, Deniz Yücel und Adam Soboczynski. Sie diskutieren über die Bücher von Salman Rushdie, Giulia Caminito, Ralf Rothmann und Alain Claude Sulzer.
Alain Claude Sulzer: "Doppelleben"
Die Brüder Jules und Edmond de Goncourt teilen alles: das Haus, die Arbeit, die Geliebte. Als Autoren-Tandem und gefürchtete Kritiker sind sie zu Gast in den großen Pariser Salons und besuchen regelmäßig die Diners der Cousine von Kaiser Napoleon III. Danach lästern sie in einem gemeinsam geführten, geheimen Tagebuch hemmungslos über alle, die sie getroffen haben. Alain Claude Sulzer entwirft ein lebendiges Porträt zweier schillernder historischer Persönlichkeiten – und inszeniert zugleich eine Gegenwelt zum mondänen Brüderpaar: Rose, die Haushälterin, führt ein Doppelleben. Sie hintergeht und bestiehlt ihre Dienstherren, bis sie plötzlich stirbt und den Brüdern ein Licht aufgeht …
Ralf Rothmann: "Die Nacht unterm Schnee"
Verwundet und geschunden liegt die sechzehnjährige Elisabeth im Kriegswinter 1945 in einem Bunker unter der Erde und wird von einem russischen Deserteur gepflegt. In ihren Fieberträumen stellt sie sich vor, dass oben alle, die sie liebt, ihre Eltern, Brüder, die Großmutter, aber auch ihr künftiger Mann und ihre ungeborenen Kinder nach ihr suchen. Nach "Im Frühling sterben" (2015) und "Der Gott jenes Sommers" (2018) schließt Ralf Rothmann mit diesem eindringlichen Roman seine Trilogie über den Zweiten Weltkrieg und die Nachkriegszeit in Deutschland ab.
Giulia Caminito: "Das Wasser des Sees ist niemals süß"
Am malerischen Lago di Bracciano nordwestlich von Rom bezieht Gaia mit ihrer Familie eine Sozialwohnung: mit dem Vater, der seit einem Arbeitsunfall im Rollstuhl sitzt, dem anarchistischen Bruder Mariano, den kleinen Zwillingen und Mutter Antonia, die alles zusammenhält. Ihre Tochter Gaia soll nicht so enden wie sie, doch Gaia erkennt schnell, dass Talent, Ehrgeiz und Fleiß nicht ausreichen, um den sozialen Aufstieg zu schaffen. Konfrontiert mit Herabsetzungen, Leistungsdruck und Orientierungslosigkeit verwandelt sich Gaias Verletzlichkeit in maßlose Wut.
Salman Rushdie: "Die satanischen Verse"
Nach dem Anschlag auf Salman Rushdie ist beklemmend deutlich, dass die 1989 vom greisen Ayatollah Khomeini ausgerufene Fatwa gegen den Schriftsteller noch immer in den Köpfen von Fanatikern spukt. Worum geht es in Rushdies 1988 erschienenen Roman? "Die satanischen Verse" handeln von zwei indisch-muslimischen Einwanderern in England, die wie durch ein Wunder die Explosion eines Flugzeugs überleben – und fortan eine seltsame Verwandlung erfahren. Während der eine immer mehr Ähnlichkeit mit dem Erzengel Gabriel zeigt, entwickelt sich der andere zu einem teuflischen Wesen ...