April 2022

Mit Vea Kaiser, Christian Berkel und Cornelius Pollmer

50:01 Minuten
Das Literarische Quartett - von links: Christian Berkel, Thea Dorn, Cornelius Pollmer, Vea Kaiser
Von links: Christian Berkel, Thea Dorn, Cornelius Pollmer, Vea Kaiser © ZDF / Svea Pietschmann
08.04.2022
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Zusammen mit Gastgeberin Thea Dorn diskutieren die Schriftstellerin Vea Kaiser, der Schauspieler und Schriftsteller Christian Berkel und der Journalist und Autor Cornelius Pollmer über aktuelle Neuerscheinungen von Szczepan Twardoch, Fatma Aydemir, Hendrik Bolz und Karl Ove Knausgård.

Szczepan Twardoch: "Demut" 

Eben noch zog Alois Pokora, Sohn eines Bergmanns, in den I.Weltkrieg. Aber als er im Krankenhaus in Berlin aufwacht, ist nichts mehr so, wie er es kannte. Die Welt hat sich radikal verwandelt: es ist das Jahr 1918, der Kaiser ist ins belgische Exil geflohen, die alte Ordnung einer durch und durch obrigkeitshörigen, militaristischen Gesellschaft zerbricht, das Land kapituliert. Alois, der Erste seiner Familie mit höherer Schulbildung, sehnt sich nach seiner Liebe Agnes – lässt sich aber bald von der scheinbar schrankenlosen neuen Freiheit in ihren Bann ziehen, geistig, revolutionär, auch erotisch. Der Roman erzählt von der Tragödie des Krieges und den Revolutionswirren im Berlin der entstehenden Weimarer Republik mit seinen an Körper und Seele Geschundenen, den Verlierern und Verlorenen aber auch von den Partyexzessen der Davongekommenen und den politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen, die bald ganz Europa erfassen.

Fatma Aydemir: „Dschinns“

Dreißig Jahre hat Hüseyin am Hochofen einer Metallfabrik in Deutschland gearbeitet, nun erfüllt er sich endlich seinen Lebenstraum: eine Eigentumswohnung in “der prachtvollen Stadt“ in Istanbul. Aber am Tag des Einzugs in das neue Zuhause stirbt er an einem Herzinfarkt. Nach islamischen Vorschriften muss er innert 48 Stunden beerdigt sein. Für seine Familie in Deutschland bedeutet das Stress total: Alle werden völlig unerwartet aus ihrem Alltag gerissen, müssen umplanen, sich neu organisieren und Vorhaben aufgeben. Ihre Reise von Deutschland nach Istanbul wird für die fünf Hinterbliebenen eine Reise zurück in ihre Familiengeschichte und löst endlich einige Geheimnisse auf, die die Familie seit Jahrzehnten belasten.

Hendrik Bolz: „Nullerjahre“

In seinem Romandebut erzählt der Rapmusiker Hendrik Bolz, Jahrgang 1988, vom Aufwachsen und Erwachsenwerden in den Plattenbauten von Kieper West, einem Stadtteil in Stralsund. Dort, wo auf die Euphorie nach der Wende ganz schnell eiskalte Ernüchterung folgte. Von der staatlich verordneten Vollbeschäftigung der DDR hin zur Massenarbeitslosigkeit, kollektivem Identitätsverlust und Perspektivlosigkeit. Mittendrin: die Jugendlichen der Nullerjahre. Im Kindergarten, in der Schule und im Fußballverein haben sie gelernt, dass ein großer Junge nicht weint und dass der Klügere nur so lange nachgibt, bis er der Dümmere ist. Nun gilt es, härter zu werden, um, wenn es drauf ankommt, dem anderen die Nase zu brechen. Und stumpfer zu werden, um dabei nicht zu zögern. Jugendliche die alleingelassen, verroht, brutal, ihre Ausflucht im exzessiven Drogenrausch suchen, tagein, tagaus. Die Suche nach Sündenböcken für all das mündet in der Jagd auf Ausländer, Totalverweigerung und Hitlergruß. Bolz erzählt von einem Jahrzehnt im Osten Deutschlands, das uns ein Stück gesamtdeutsche Gegenwart erklären kann.

Karl Ove Knausgård: „Der Morgenstern“

Eine entspannte, sonnendurchflutete Zeit: die Sommermonate in Norwegen. Doch dann gerät die Beschaulichkeit ins Wanken, Unerklärliches geschieht. Plötzlich spazieren Krabben an Land, tauchen Ratten unerwartet auf und eine Katze kommt unter seltsamen Umständen ums Leben. In seinem neuen Roman schildert Karl Ove Knausgård eine Welt, in der die Natur und die Menschen aus dem Gleichgewicht geraten, obwohl das Buch zunächst von höchst unterschiedlichen Menschen im Hochsommer erzählt, von ihren Freuden, ihren Träumen, ihren Erwartungen und ihren Lebensängsten: Da ist z.B. der Literaturprofessor Arne, der an sich selbst zweifelt und mit seinem Nachbarn über den Glauben an Gott diskutiert. Oder die Pastorin Kathrine, die plötzlich ihre Ehe als Gefängnis empfindet. Der Journalist Jostein, der auf einer exzessiven Trinktour von den mysteriösen Morden an Mitgliedern einer Death Metal Band erfährt, während seine Frau Turid in einem psychiatrischen Krankenhaus als Nachtwache arbeitet. Eine Frage eint sie alle: Was bedeutet das Auftauchen eines neuen Sterns am nächtlichen Firmament, den auch die Wissenschaft nicht wirklich erklären kan? Ein Menetekel oder die Verheißung von etwas Gutem?