Literarischer Adventskalender (15)

Virginie Despentes: "Das Leben des Vernon Subutex"

Der Lese-Tipp unserer Kollegin Veronika Schreiegg: "Das Leben des Vernon Subutex" Teil 1 von Virginie Despentes.
Der Lese-Tipp unserer Kollegin Veronika Schreiegg: "Das Leben des Vernon Subutex" Teil 1 von Virginie Despentes. © Kiepenheuer & Witsch/Deutschlandradio
Von Veronika Schreiegg · 15.12.2018
Für Vernon Subutex ist Punk nicht nur ein Sound, sondern ein Lebensentwurf. Doch als er seinen Plattenladen verliert, wird seine Realität auf die Probe gestellt. So gar nichts Tröstliches hat dieses Buch, ist aber witzig und pointiert geschrieben.
Dieses Jahr verschenke ich das Buch "Das Leben des Vernon Subutex" von Virginie Despentes zu Weihnachten. Dieser Vernon Subutex muss seinen Plattenladen in Paris schließen – aus den Gründen, weshalb Plattenläden auch bei uns dicht machen: wegen Online-Shopping und Streamingdiensten. Vernon Subutex verhökert alles, was er hat. Er verliert seine Wohnung, kann sich aber dieses Scheitern nicht so richtig eingestehen.
Er quartiert sich bei Facebook-Freunden ein. Die meisten von denen sind ganz schön kaputte Gestalten aus der Musik-und Filmszene. Bei denen hat man das Gefühl, die leben kaum noch Werte. Letztlich ist dieses soziale Netz wenig verlässlich. Selbst der Protagonist Vernon Subutex ist nicht mehr fähig, sich von diesen Bekannten auffangen zu lassen. Er landet am Ende auf der Straße, zumindest in diesem ersten Band der Trilogie.

Vernon - einer für den Punk nicht nur Sound ist

Diese Figur des Vernon Subutex hat mich gepackt. Weil es jemand ist, für den Punk nicht nur Sound ist, sondern ein Lebensentwurf: Auf Basis der Musik sind Freundschaften entstanden. Punk ist für ihn antikapitalistisch, Punk ist für ihn authentisch. Das sind natürlich Mythen, die vor allem in den 70er-Jahren etabliert wurden. Diese Mythen waren für Vernon aber ganz lange real. Er hat sie real gelebt. Ich finde es ist ausgesprochen gut erzählt, wie ihm im Miteinander mit anderen bewusst wird, wie wenig diese Lebenswelt plötzlich Bestand hat. Und auch dieses ganze in ihm schlummernde, über viele Jahre angesammelte Kulturkapital: Es ist auf einmal nichts mehr wert.
Eine Szene hat mich gerührt. Vernon trifft auf eine ganz junge Frau, für die Kapitalismus so gar nichts Verwerfliches mehr darstellt. Die beiden finden sich anfangs gar nicht mal schlecht. Er versucht verzweifelt bei ihr zu punkten, aber diese junge Frau tickt eben völlig anders. Ihr ist es wichtig, dass sie ihren Kaffee nicht selbst bezahlen muss und dass ihr Gegenüber die richtigen Turnschuhe trägt. Da prallen diese unterschiedlichen Lebenswelten ganz schmerzhaft aufeinander. Von diesen tragikomischen Momenten gibt es in dem Buch ganz viele.

Das passende Geschenk für einen Musikfan

Ich schenke das Buch einem alten Freund aus meiner Heimatstadt Dingolfing. Lu besitzt eine ausgesprochen erlesene Plattensammlung. Er ist ein leidenschaftlicher Musikfan. Ich schenke ihm dieses Buch, weil er tatsächlich so ein Mensch ist, für den Rockmusik mehr ist als das, was klingt.
Und auch wenn dieses Buch so gar nichts Tröstliches hat, es ist zumindest unglaublich witzig und pointiert geschrieben.

Virginie Despentes, "Das Leben des Vernon Subutex 1"
aus dem Französischen übersetzt von Claudia Steinitz
Kiepenheuer & Witsch, 2017
400 Seiten, 22 Euro

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