Litauen

"Euro bietet mehr Schutz vor Russland"

Eine Ein-Euro-Münze steht zwischen den Flammen einer mit Gas betriebenen Kochfläche.
In Litauen wird ab 1. Januar mit dem Euro bezahlt © dpa / picture alliance / Holger Hollemann
Ansgar Belke im Gespräch mit Ute Welty  · 31.12.2014
Der Währungsexperte Ansgar Belke sieht für Litauen mit seinem Beitritt zur Eurozone nun einen besseren Schutz vor russischer Einflussnahme. Das baltische Land führt zum 1. Januar den Euro als nationale Währung ein.
Ute Welty: Die Wirtschaftszahlen sind gut, die Erwartungen an die neue Währung groß: Heute Nacht führt Litauen den Euro ein und wird damit das 19. Mitglied der Eurozone. Damit zahlt nach Estland und Lettland künftig auch der dritte und letzte baltische Staat mit der europäischen Gemeinschaftswährung. Die ist gerade erst auf den tiefsten Stand seit zweieinhalb Jahren gefallen. Wer hat hier also Grund zur Sorge oder auch Grund, zu feiern? Das bespreche ich mit Ansgar Belke, Volkswirtschaftler und Währungsexperte an der Uni Duisburg-Essen. Herzlich willkommen in Studio 9!
Ansgar Belke: Danke!
Welty: 2007 hat Litauen schon einmal den Euro einführen wollen, erfüllte aber die Bedingungen nicht, was heute anscheinend spielend gelingt von wegen Verschuldung und Haushaltsdefizit. Was hat Litauen richtig gemacht?
Belke: Litauen hat im Hinblick auf die Krise 2009 sehr schnell reformiert. Es hat akzeptiert, dass das Bruttoinlandsprodukt, seine Wirtschaftskraft im Prinzip stark gefallen ist, aber dadurch die Importe reduziert wurden, und sehr schnell wieder Überschüsse im Außenhandel erzielt werden konnten, Reformen durchgeführt, und so stand es sehr wettbewerbsfähig da. Im Prinzip ein Vorbild für Länder wie Griechenland.
Welty: Ist denn auch ausreichend kontrolliert worden, ob die Zahlen stimmen. Denn da gibt es ja durchaus eindrucksvolle Gegenbeispiele. Sie haben Griechenland ja schon erwähnt.
Belke: Im Falle Litauens gibt es da gar keine Zweifel, dass das statistische nationale Amt funktioniert hat. Eine Gefahr bei Litauen ist immer die Inflationsrate gewesen, denn ein Nachteil darf nicht verschwiegen werden solch rascher Reformen, dass nämlich viele qualifizierte Arbeitskräfte emigriert sind, ausgewandert sind, und hierdurch natürlich sehr schnell, wenn ein Boom da ist, die Inflationsrate anzieht. Das Lohnwachstum ist gegenwärtig sehr hoch, das entfernt sich zunehmend von der Produktivität, und hier ist in der Tat die einzige Achillesferse zu sehen. Alle anderen Maastricht-Kriterien erfüllt Litauen wunderbar.
Welty: Wie sehen die anderen Europäer dieses Risiko?
Belke: Das Risiko Litauens meinen Sie?
Welty: Ja.
Litauen ist bereits an den Euro gebunden, ab Januar kann es mitbestimmen
Belke: Deutschland begrüßt Litauen in der Eurozone, nicht zuletzt deshalb, weil man damit einen verlässlichen Partner in der Geldpolitik gewinnt. Es sind Hardliner, regelgebunden. Insofern haben wir einen Alliierten mehr, insofern bewirbt man sich aktiv um die Teilnahme dieser Länder.
Welty: Wie sehr schaut Litauen denn auf Griechenland? Die dortige Regierungskrise ist ja von einer Finanzkrise nicht weit entfernt beziehungsweise das überschneidet sich ja schon, und der Euro hat ja auch schon entsprechend gelitten.
Belke: Ich denke, Litauen sieht die Gefahren der Griechenland-Krise, die jetzt wieder aufflammt, aber sieht gleichzeitig, dass sie wahrscheinlich lokal bleiben wird, anders als das letzte Mal, als die Krise in Griechenland akut wurde. Denn wir haben Institutionen geschaffen wie die EZB, die mittlerweile aktiv gegen diese Krisen angeht und immer in der Lage ist, Länder zu versorgen mit Notfall-Liquidität. Und auch das ist ein wesentlicher Vorteil für Litauen übrigens, beizutreten. Und weitere Institutionen wie die Bankenunion, die geschaffen wurde, dort kann sich Litauen anschließen. Es kann mitentscheiden in der Eurogruppe über das, was mit Griechenland passiert. Sie waren vorher schon abhängig vom Euro. Sie hatten einen festen Wechselkurs und mussten darüber alle Entscheidungen mittragen, ohnehin. Und so können sie mitsprechen.
Welty: Welche Hoffnungen sind in Litauen außerdem mit dem Euro verknüpft, auch, wenn man sich von da aus Lettland und Estland anschaut?
Belke: Vor allen Dingen ein Schutz vor Russland. Das ist ganz interessant, denn der Euro, der schwache Euro, den Sie ansprachen, führt natürlich zu besseren Exportchancen, sobald Litauen aktiv in den Euro eintritt. Des Weiteren erhoffen sie sich davon, dass der Handel mit der Eurozone weiter verstärkt wird und der Handel mit Russland an Bedeutung verliert. Im Moment sind sie stark abhängig, stärker als die anderen Balten-Staaten, vom Handel mit Russland. Milchprodukte, Logistik, Häfen et cetera, dort sind sie noch enorm abhängig. Und gleichzeitig vertrauen sie darauf, dass Putin den Litas, die Währung der Litauer, bisher ja noch stören konnte, durcheinander bringen konnte durch Säbelrasseln. Das wird beim Euro wohl weniger möglich sein. Also, summa summarum ein Schutzeffekt vor den Importrestriktionen Russlands.
Welty: Und die drei baltischen Staaten untereinander? Da gibt es ja traditionell einen sehr engen Zusammenhalt und Zusammenhang.
Belke: Ja, die beiden anderen Länder sind schon beigetreten, 2011 und 2014, sodass das jetzt das letzte Glied im Puzzle ist, was dann auch Investoren weiter attrahieren könnte. Und das ist auch genau der Weg gewesen, den Litauen gewählt hat: Durch Reformen attraktiv für private Investoren zu werden. Und das ist auch wieder ein Vorbild für Griechenland, dem das eben nicht so gelingt.
Welty: Wer interessiert sich für Litauen als Investor?
Belke: Hier sind die Dinge zu nennen, die ich gerade schon anführte. Die Hauptprodukte Landwirtschaft, Häfen, Logistik. Dort werden sich die Hauptinvestoren finden, wobei nicht auszuschließen ist, dass sich das Ganze weiterentwickelt durch entsprechende Investitionen und Angleichung auch an den Rest Europas sich ergibt.
Welty: Wir haben es bereits erwähnt, Litauen ist das 19. Mitglied der Eurozone. Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass wir Ende des Jahres wieder über 18 Mitglieder sprechen, dass Griechenland dann aus der Eurozone ausgetreten ist?
Belke: Ich glaube, nach wie vor verhindern die EU-Partnerländer einen endgültigen Austritt Griechenlands, obwohl ein Zahlungsausfall wahrscheinlicher geworden ist. Denn außerhalb Griechenlands, außerhalb der Eurozone werden die Probleme für Griechenland nicht kleiner. Auch außerhalb der Eurozone müssen sie sich um Investoren bemühen. Das können sie nur, indem sie die Zinssätze in astronomische Höhen schrauben, was zu Hause die Investitionen zusammenbrechen ließe. Das Vertrauen der Investoren ist nicht mehr da, weil die Europäische Zentralbank mit Notfallliquidität unterstützen könnte, was sie bisher in beispielloser Weise im Falle Griechenlands gemacht hat. Es würde also nichts besser, das weiß man schon. Andererseits ist klar, dass die Troika als Ausführungsorgan der Eurogruppe darauf drängen muss, dass man auf dem Reformpfad bleibt. Denn wir sind kurz vor der Nachhaltigkeit, Sicherung der Nachhaltigkeit der Schulden Griechenlands. Die Bevölkerung hat beispiellose Opfer gebracht. Insofern wird man hier hart bleiben, weil man weiß, dass Griechenland die anderen Länder nicht mehr mit hinunterziehen kann, da wir entsprechende Sicherungsmaßnahmen installiert haben.
Welty: Und die greifen auch?
Belke: Die Sicherungsmaßnahmen greifen gegenwärtig. Die EZB steht Gewehr bei Fuß. Sie hat ein gewisses Problem im Moment mit der Dauer des Programms. Das Programm dauert bis Ende Februar momentan. Die nächste Sitzung danach wird erst am 5. März sein der Notenbank. Und viele der geldpolitischen neuen Maßnahmen, die man dieses Jahr tätigen will, hängen damit zusammen und setzen voraus, dass ein Land sich unterm Programm befindet. Insofern wird die EZB Schwierigkeiten haben, wenn man Staatsanleihen kauft von Ländern, die einem möglichen Zahlungsausfall unterliegen. Deshalb ist es im Interesse Schäubles und im Interesse Draghis, hier hart zu bleiben, dass die Konditionen erfüllt werden und die Länder im Programm bleiben können.
Welty: Ich habe das Gefühl, wir haben nicht das letzte Mal darüber gesprochen. Ansgar Belke war das, Volkswirtschaftler und Währungsexperte an der Uni Duisburg-Essen. Danke für den Besuch!
Belke: Danke auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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