Liane Bednarz über ihr Buch "Die Angstprediger"

Wie Christen rechte Positionen übernehmen

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Liane Bednarz im Gespräch mit Christian Rabhansl · 07.04.2018
Abtreibung, Homosexualität, Gender Mainstreaming: Dagegen laufen christliche Fundamentalisten seit langem Sturm. Auch in Deutschland, sagt die Autorin Liane Bednarz, die darüber das Buch "Die Angstprediger" geschrieben hat.
Christian Rabhansl: Christliche Fundamentalisten, Evangelikale, denen im Kampf gegen die Abtreibung jedes Mittel recht ist, die nichts außer Mutter und Vater und Kind als Familie gelten lassen und die sich in ihrer Religionsfreiheit diskriminiert fühlen, wenn sie zum Beispiel Homosexuelle nicht länger diskriminieren dürfen. Solche Fundamentalisten kennen wir vor allem aus den USA, wo sie schon lange eine starke politische Kraft bilden. Vielleicht auch aus Polen, wo derzeit ein regelrechter Kulturkampf um die Freiheitsrechte von Frauen tobt. Aber aus Deutschland? Gibt es hierzulande christliche Fundamentalisten?
Es gibt sie schon eine ganze Weile, nur waren sie lange Zeit eine kleine, unauffällige Minderheit. In den letzten Jahren sieht es aber so aus, als würden sie zu einer schrillen Minderheit, die sich mittlerweile auch echten politischen Einfluss sichert. Diesen Eindruck muss man zumindest gewinnen, wenn man das jüngste Buch der Journalistin Liane Bednarz liest. "Die Angstprediger" heißt es, "Wie rechte Christen Gesellschaft und Kirchen unterwandern". Guten Tag!
Liane Bednarz: Hallo, schönen guten Tag!

Wo verläuft die Grenze zwischen konservativ und rechts?

Rabhansl: Vielleicht sollten wir erst mal mit einer kurzen Begriffsklärung anfangen. Es ist ja nicht jeder konservative oder auch erzkonservative Christ gleich rechts oder rechtsradikal. Wo ziehen Sie die Grenze?
Bednarz: Das ist ein sehr guter Punkt, und das ist im Grunde ja auch das Grundanliegen dieses Buches, diese Grenze stärker zu definieren. Man kann die Grenze thematisch ziehen, zum Beispiel wie man mit dem Islam umgeht oder auch in der Flüchtlingsfrage, ob man Probleme anspricht oder ob man gezielt Ressentiments äußert oder auch weiter verstärkt.
Die Juristin und Publizistin Liane Bednarz 
Die Juristin und Publizistin Liane Bednarz© picture alliance / dpa / Horst Galuschka
Und dann ist es so, dass grundsätzlich Konservative bewahren wollen und das Neue sich aus ihrer Sicht erst mal als besser als das Alte erweisen muss. Sie kritisieren insofern sicherlich auch politische Entwicklungen, aber – und das ist ein ganz signifikanter Unterschied – sie machen sich nicht zum Opfer und tun so, als würden wir hier in einer Art gesellschaftlichen Quasi-Diktatur leben, und rufen auch nicht zum Widerstand auf. Und genau das sehen Sie aber in Teilen dieses gen rechts gedrifteten christlichen Milieus. Um ein Beispiel zu nennen: Der Autor Matthias Matussek war kürzlich Redner bei der sogenannten "Merkel muss weg"-Demo hier in Hamburg und skandierte dann zusammen mit der Menge Widerstand.
Rabhansl: Machen wir's mal an einem religiösen Beispiel vielleicht fest: Wenn konservative Christen gegen Abtreibung sind, sind sie noch nicht rechts. Wann ist diese Einstellung rechts?
Bednarz: Genau, also gegen Abtreibung zu sein, das gilt auch für viele andere Positionen, das ist jetzt nicht per se rechts, überhaupt nicht, das ist eigentlich ein kernchristliches Thema. Es kippt allerdings, wenn es dann vermengt wird mit demografischen Erwägungen. Das sehen Sie zum Beispiel bei der AfD, die spricht sich zwar insgesamt kritisch gegen Abtreibung aus, aber kritisiert Abtreibung in ihrem Grundsatzprogramm im Zusammenhang mit der Thematisierung einer sogenannten aktivierenden Bevölkerungspolitik zugunsten der einheimischen Bevölkerung. Mit anderen Worten, man moniert die Abtreibungszahlen deshalb, weil nicht genug deutsche Kinder geboren werden. Und diese Vermischung zwischen solchen Erwägungen und der Abtreibungsfrage sprengt das Konservative, weil ein konservativer Christ keinen Unterschied machen würde in dieser Frage, ob jetzt der Embryo, der abgetrieben wird, ein ausländisches Kind geworden wäre oder eben ein deutsches.

Keine innerkirchliche Auseinandersetzung mit rechten Christen

Rabhansl: Jetzt haben wir gehört, wo Sie die Grenze ziehen. Haben Sie auch den Eindruck, dass die Kirchen eine klare Grenze ziehen zwischen konservativen Christen und rechten Christen?
Bednarz: Innerkirchlich ist diese Debatte wirklich sehr wenig ausgeprägt. Nach außen hin wenden sich die Kirchen sehr stark gegen Rechtspopulismus, sprechen sich auch sehr kritisch über die AfD aus, jüngst erst wieder Erzbischof Schick in Bamberg, aber mit diesen Christen, die innerhalb der Kirchen gen rechts gedriftet sind und irgendwo in diesem Graubereich jetzt auch teilweise sind, zwischen konservativ und rechts, sucht man eigentlich nicht die Auseinandersetzung, obwohl die Feindbilder, die dort gepflegt werden, in vielen Fällen identisch sind mit dem Feindbildern, die man auch im AfD-Milieu trifft.
Rabhansl: Sie haben jetzt die AfD schon einige Male genannt, Pegida taucht in Ihrem Buch ausführlich auf, und da scheint es ja einen klaren Brückenschlag zu geben, was auf den ersten Blick erst mal erstaunlich ist: Pegida ist bestenfalls atheistisch geprägt, und das ausgrenzende Menschenbild der Rechten widerspricht ja eigentlich christlichen Grundüberzeugungen. Was macht diese beiden rechten Gruppierungen trotzdem zu Partnern?
Bednarz: Das läuft über das Islamthema, und dazu muss man wissen, dass sowohl im atheistischen gen rechts gedrifteten Milieu als auch im christlichen der Islam teilweise Ressentiments auslöst, teilweise aber auch ein echtes Feindbild ist. Und dieser Zentralbegriff von Pegida, die angebliche Islamisierung, ist in diesen Kreisen schon seit Jahren Thema. Es gab beispielsweise aus dem Unionsumfeld eine sogenannte "Aktion Linkstrend stoppen", 2010, da wurde auch schon vor der Islamisierung gewarnt, und im Grunde wird im Islam eine Gefahr gesehen für das christliche Abendland. Und so kommt das dann zustande, dass man auch keine Hemmungen teilweise hat, so eine Bewegung wie Pegida zu verteidigen.

Auch der Papst ist gegen Gendertheorie

Rabhansl: Ein zweites zentrales Thema, was diese Gruppierungen eint, arbeiten Sie heraus, und das ist eigentlich alles, was auch nur im Entferntesten nach Gendertheorie riecht, und Sie attestieren den Rechten eine wahre Fixierung auf Sexualität. Können Sie das erläutern?
Bednarz: Ja, das sieht man daran, dass also wirklich diese beiden Themen jetzt inzwischen die Entscheidung für die Ehe für alle und der angebliche Genderwahn, wie das genannt wird, permanent thematisiert werden und zu großer Empörung und großem Ärger führen. Man muss ja nicht für die Ehe für alle sein, aber dass das jetzt in irgendeiner Form bedrohlich sein sollte für die Gesellschaft, das sehe ich nicht. Und bei dem Genderthema wird gerne behauptet, dass die, so heißt es dann, Genderideologie eine Umerziehung betreibe hin zum neuen geschlechtslosen Menschen.
Und so ist das einfach nicht. Es gibt gewiss Aspekte des Gender-Mainstreamings, die man für überzogen halten kann, man kann diese Gendersprache beispielsweise ablehnen, aber so zu tun, als würden praktisch Mann und Frau dadurch abgeschafft oder sollten das, das stimmt so nicht, im Gegenteil: Gender-Mainstreaming zielt eigentlich darauf ab, Frauen im täglichen Leben in allen möglichen Bereichen Männern gleichzustellen. Das heißt, der Unterschied zwischen Mann und Frau wird gerade explizit anerkannt.
Rabhansl: Das heißt, da haben wir es entweder mit einem Missverständnis oder mit einer bewussten Verzerrung zu tun, und in diesem Themenbereich fällt es der katholischen Kirche dann mit der Abgrenzung doch wieder nicht so leicht. Der Papst selber warnt vor einem Weltkrieg gegen die Ehe – das war jetzt ein wörtliches Zitat – und macht als Hauptfeind der Ehe die Gendertheorie aus.
Bednarz: Ja, genau. Also es hat sich tatsächlich verselbstständigt, und der Papst, der an sich wirklich sehr, sehr besonnen ist, ist auch für diese Pauschalverurteilung aller Genderthemen sehr empfänglich. Und da sehen Sie aber im Grunde, wie gut diese, ich sag jetzt mal Propaganda letztlich wirkt. Wenn Sie das tagein, tagaus immer wieder hören und lesen, dann glauben Sie das irgendwann. Was Gender Diversity angeht, also der Abbau von Diskriminierung gegenüber Menschen mit einer sexuellen Orientierung, die nicht heterosexuell ist, auch da wird kaum differenziert. Man muss ja nicht für die Ehe für alle sein, aber an sich ist es ja schon auch sinnvoll, dass man diese Diskriminierung abbaut.

Sie sehen sich als Opfer einer angeblichen Meinungsdiktatur

Rabhansl: Nun soll in einer liberalen Gesellschaft jeder nach seiner Fasson selig werden, bei Ihnen habe ich aber den Eindruck, es werden handfeste politische Ziele verfolgt, die dann doch wieder alle angehen.
Bednarz: Ja, also man sieht im Grunde, dadurch, dass sich die Feindbilder und die Sprache auch so ähneln in rechtspopulistischen Milieus und diesen gen rechts gedrifteten christlichen Milieus, trägt das natürlich enorm dazu bei, salonfähig zu werden. Das geht soweit, dass teilweise vom politischen Kampf gesprochen wird, und man versucht schon auch, Einfluss zu nehmen, ganz klar. Und habituell – und das ist eigentlich das, was mich sehr an dieser Szene stört – macht man sich eben sehr gerne zum Opfer einer angeblichen linken Meinungsdiktatur oder redet von links-grünem Mainstream, also all die Begriffe, die man auch aus dem AfD-Milieu kennt, und das ist eigentlich auch nicht konservativ. Als Konservativer wissen Sie, dass Sie mit bestimmten gesellschaftspolitischen Vorstellungen nicht mehrheitsfähig sind, und Sie fangen dann aber nicht an, sich als Opfer so einer Art gesellschaftlichen Diktatur auszugeben.
Rabhansl: Liane Bednarz hat das Buch geschrieben "Die Angstprediger. Wie rechte Christen Gesellschaft und Kirchen unterwandern". In diesem Untertitel "Kirchen unterwandern, Gesellschaft unterwandern" steckt schon drin, sind das richtige Netzwerke?
Bednarz: Ja, das sind Netzwerke, und das soll auch dieses Wort im Untertitel ausdrücken. Sie finden diese Menschen immer wieder in bestimmten Medien, dass man das, was die Publizisten angeht, treffen Sie bei denselben Veranstaltungen zum Teil, und es wird eben auch innerhalb dieses Milieus durchaus auch mobil gemacht. Es werden dann Rundmails verschickt, in denen zu Petitionen aufgerufen wird, und die Leute sind untereinander schon relativ gut vernetzt.
Rabhansl: Das Buch "Die Angstprediger" von Liane Bednarz ist im Droemer-Verlag erschienen, umfasst 256 Seiten und kostet 16,99 Euro. Vielen Dank für das Gespräch!
Bednarz: Sehr gerne, vielen Dank Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Liane Bednarz: "Die Angstprediger: Wie rechte Christen Gesellschaft und Kirchen unterwandern"
Droemer Verlag, 2018
256 Seiten, 16,99 Euro

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