"Lest diesen Brief noch einmal, er gibt Euch Auskunft"

Von Sigried Wesener · 05.06.2011
"Lest diesen Brief noch einmal, er gibt Euch Auskunft", schreibt Netty Radványi, geborene Reiling, aus dem südfranzösischen Provinzort Pamirs an den Schriftstellerkollegen F.C. Weiskopf in New York. Unter dem Namen Anna Seghers ist die Absenderin bekannt.
Auf der Flucht aus Paris mit ihren beiden halbwüchsigen Kindern hat sie alles, auch ihre Bücher und das letzte, ihr verbliebene Manuskript des noch unveröffentlichten Romans "Das siebte Kreuz" verloren, hofft, dass die verschickten Exemplare den Freund und ihren amerikanischen Agenten erreicht haben.

Ihr Mann, Lászlo Radványi, ist in einem Lager für unerwünschte Ausländer in der Nähe von Marseille interniert. Wie viele prominente Flüchtlinge wartet sie auf Papiere und finanzielle Unterstützung der Hilfskomitees aus Übersee. Briefe an Freunde und Schriftstellerkollegen wie Hans Henny Jahnn, Johannes R. Becher, Lion Feuchtwanger geben Einblicke in den Alltag im mexikanischen Exil, zeigen große psychische Belastungen und Querelen unter den politischen Emigranten.

Auskünfte über diese "finsteren Zeiten" und die Rückkehr nach Europa in Zitaten und im Gespräch mit der Seghers-Biografin und Herausgeberin Christiane Zehl Romero und mit dem in Paris lebenden Sohn Pierre Radványi.