Digitale Lessing-Werkausgabe

Historisch-kritisch und zukunftssicher

10:42 Minuten
Statue des deutschen Dichters Gotthold Ephraim Lessing an der Oper in Hannover
An Theatern werden die Werke von Gotthold Ephraim Lessing nach wie vor gespielt, doch die Forschung über die Entstehung seiner Texte ist nicht aktuell. © picture alliance / AP / Jörg Sarbach
Peter Burschel im Gespräch mit Eckhard Roelcke · 08.01.2023
Audio herunterladen
Die aktuellste Gesamtausgabe zu Gotthold Ephraim Lessing ist rund einhundert Jahre alt. Ein Digitalprojekt will die Forschung über den bedeutenden Dichter der Aufklärung voranbringen. Eine Mammutaufgabe, erläutert Historiker Peter Burschel.
Bis heute werden die Werke von Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) ununterbrochen an Theatern gespielt. Doch die aktuellste Gesamtausgabe zum Schaffen des bedeutenden Dichters ist aus dem Jahr 1924.
Ein interdisziplinäres Projekt, an dem fünf Forschungsstellen beteiligt sind, soll die Voraussetzungen schaffen, damit eine neue, digitale, historisch-kritische Gesamtausgabe bis zum 300. Geburtstag Lessings im Jahr 2029 entstehen kann. Auch das Land Niedersachsen hat dazu Forschungsgelder bereitgestellt.

Forschung auf den aktuellen Stand bringen

Seit Jahrzehnten sei klar, dass eine Digitalausgabe zu Lessings Schaffen nötig sei, damit die Forschung editorisch weiterkomme, sagt Peter Burschel. Er ist Direktor der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, dem Zentrum der Lessing-Forschung, denn dort hat auch Lessing selbst als Bibliothekar rund ein Jahrzehnt gearbeitet.
Das Digitalprojekt, an dem unter anderem auch die Universität Osnabrück beteiligt ist, will viele Aspekte zu Lessings Schaffen vereinen. Seit 2016 gebe es auch ein Gesamtverzeichnis von Lessings Handschriften, so Burschel.

Texte können leichter verglichen werden

Mit einer historisch-kritischen Edition sollen Varianten und Unklarheiten der Texte dokumentiert und bewertet werden. Forschende seien auch auf Varianten von Lessings Texten angewiesen, um Vergleiche und damit auch den Entwicklungsprozess rekonstruieren zu können. Dies werde künftig einfacher und transparenter, weil man die verschiedenen Textvarianten in der digitalen Edition zugänglich machen wolle, so Burschel.
Mit den aktuellen digitalen Möglichkeiten wolle man auch unterschiedliche Druckfassungen nebeneinander ins Netz stellen. Durch Transkriptionen oder spezielle Codierung ließen sich Texte leichter vergleichen.

Technische Entwicklungen mitdenken

Im Grunde entwickle man einen stark elektronisch fundierten „Textanalyse-Korpus“, der auch für zukünftige technische Entwicklungen nutzbar bleibe. Diese versuche man zu antizipieren: „Man kann etwa durch kluge Programmierschnittstellen heute einiges machen – aber das ist eine riesige Herausforderung“, sagt Burschel.
Ziel sei allerdings nicht, dass nur Spezialisten von der Digitalausgabe zu Lessings Schaffen profitierten – die etwa untersuchten, wo ein Komma oder Semikolon in Textvarianten fehle.

Grundlage für neue Lessing-Interpretationen

Bis heute habe Lessing für ein größeres Publikum eine Bedeutung, beispielsweise für das Theater: „Wir haben in unseren Vorbereitungen auf diese Edition immer wieder auch daran gedacht, dass Lessing ein viel gespielter Autor ist – und aller Wahrscheinlichkeit auch bleiben wird“, sagt Burschel.
So könne eine Digital-Edition auch zu neuen Interpretationen von Lessings Theaterstücken beitragen. Ebenso könnten für den Unterricht an Schulen mit dem Zugriff auf unterschiedliche Druck- und Textfassungen interessante Erkenntnisse erzielt werden.
Zudem hoffe man, dass durch die Digitalisierung das Interesse gerade von jüngeren Menschen größer werde, sich mit Lessing auseinanderzusetzen, so Burschel.
Mehr zum Thema