Visionärer Gartenkünstler
Der Gartenkünstler Joseph Peter Lenné schuf visionäre Gärten, Parks und Stadtlandschaften. Zum 150. Todestag werden seine Werke neu entdeckt. Michael Rohde, Gartendirektor der Schlösserstiftung SPSG, würdigt Lennés Schaffen als wegweisend auch für zeitgenössische Landschaftsarchitektur.
Der Gartendirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG), Michael Rohde, hat Joseph Peter Lenné als visionären Landschaftsgestalter und dessen Schaffen auch als wegweisend für zeitgenössische Landschaftsarchitektur gewürdigt.
"Er hat immer aus seinen Anlagen heraus in die Landschaft gegriffen, er hat die Landschaft in die Parks geholt", sagte Rohde im Deutschlandradio Kultur anlässlich Lennés 150. Todestag, an dem im Berliner Schloss Glienicke das Lenné-Jubiläumsjahr feierlich eröffnet wird.
Gartenprojekte für Adlige und bürgerliches Stadtgrün
In Lennés Parkanlagen werde aber nicht nur klassisch eine Landschaft nach dem Vorbild der Natur gestaltet. Sichtbar sei wie am Beispiel des Berliner Tiergartens stets auch die Integration "des Schönen" in Form von Blumenschmuck und Skulpturen. "Und das zieht sich durch viele seiner Anlagen". Lenné habe so nicht nur wegweisend Gartenprojekte für Adlige, sondern auch bürgerliches Stadtgrün geschaffen, die über die klassische Form des englischen Landschaftsparks hinausgingen: "Es sind Landschaftsparks, die eine architektonische Form wieder integriert haben. Wir sprechen von einem 'gemischten Stil'", erklärte Rohde, seit 2004 Leiter der Abteilung Gärten der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG), der auch als Professor an der TU Berlin zu Gartendenkmalpflege und Gartenkunstgeschichte forscht und lehrt.
Mitschöpfer der Berlin-Potsdamer Kulturlandschaft
Rohde erinnerte weiter an Lennés anhaltende Bedeutung auch für die Berlin-Potsdamer Kulturlandschaft, die 1990 Teil des Unesco-Welterbes wurde und an die Bedeutung des Preußischen "General Director der Koeniglichen Gaerten" als Gründer der Landesbaumschulen. Wegweisend für moderne Landschaftsarchitekten seien auch dessen umfangreichen Kenntnisse in Botanik, Wasser- und Bodentechnik und die Fähigkeit, "das Bild im Auge zu haben, was wir gestalten können." Damit und in der Art und Weise, wie Lenné auf die Wünsche und Bedürfnisse der Bevölkerung gestalterisch reagiert habe, bleibe dieser ein Vorbild auch für moderne Garten- und Landschaftsarchitekten. "Man muss das genius loci sehen, man muss das Ganze erfassen."
Das vollständige Interview im Wortlaut:
Ute Welty: Berlin ist ja bekanntlich immer die sprichwörtliche Reise wert, aber heute sehen Sie Berlin und auch Potsdam vielleicht mit anderen Augen, denn bis heute haben diese beiden Städte vieles dem Mann zu verdanken, der eben heute vor 150 Jahren gestorben ist: Peter Josef Lenné, hinterließ am 23. Januar 1866 ein wahrlich grünes Erbe. Er war es, der den Berliner Tiergarten gestaltete, den Elisengarten in Aachen, die Wallanlagen in Lübeck und auch den Park Sanssouci eben in Potsdam, und diese Liste kann nur unvollständig sein, vor allem, wenn wir nicht nur den Gartenbauer, sondern auch den Städtebauer berücksichtigen. Einer, der sich mit dem Werk Lennés bestens auskennt, ist Professor Michael Rohde, ausgebildeter Gärtner, studierter Landschaftsarchitekt und Gartendirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg. Guten Morgen, Herr Rohde!
Michael Rohde: Guten Morgen, Frau Welty!
Welty: Wenn wir mal bei dem Beispiel Tiergarten bleibe, wovon eben viele Menschen auch außerhalb von Berlin ein Bild im Kopf haben, was sehen wir noch heute, was sich Lenné ausgedacht hat?
"Bei Lenné sehen wir das Bedürfnis, eine Landschaft zu gestalten"
Rohde: Bei Lenné sehen wir das Bedürfnis, eine Landschaft zu gestalten. Was heißt das – das heißt, dass die Natur als Vorbild diente und möglichst klassisch im Sinne von Wiesenräumen und Baumgruppen, aber wenn wir durch den Tiergarten gehen, sehen wir auch Blumenschmuck und Skulpturen, und hier deutet sich an, dass Lenné auch vielseitig tätig war. Er hat immer versucht, das Schöne, also die Blumen, in einer besonderen Weise mit zu integrieren, und das zieht sich durch viele seiner Anlagen.
Welty: Inwieweit war Lenné für seine Zeit stilprägend und vielleicht auch so etwas wie eine Ikone des Gartenbaus, so etwas wie ein Vorbild für nachfolgende Generationen?
Rohde: Das ist eine große Frage, denn Lenné gilt ja neben Pückler, der ja seine eigenen Parks Muskau und Branitz gestaltet hat und auch aufbauend auf Lenné im Park Babelsberg –da zeigen wir übrigens eine schöne Ausstellung 2017 dazu –
Welty: Schon mal vormerken!
"Es sind Landschaftsparks, die eine architektonische Form wieder integriert haben"
Rohde: Genau! Da hat Lenné eben doch ein riesiges Spektrum gehabt, im Sinne auch der adligen Gärten und Projekte, aber auch bürgerliches Stadtgrün, und er hat auf die Bedürfnisse und Wünsche der Bevölkerung gestalterisch reagiert. Es sind Landschaftsparks, die eine architektonische Form wieder integriert haben, es sind Landschaftsparks, die zoniert sind. Wir sprechen von einem gemischten Stil, denn das begann ja schon früher im ausgehenden 18. Jahrhundert, dass man Landschaftsparks aufgenommen hat, und das Reizvolle heute ist, wir haben in Charlottenburg das Parterre des Barocken, und hinten schließt sich am Karpfenteich die wunderbare Landschaft auch mit der Luiseninsel an, und hier sehen wir diesen Kontrast, der heute noch bewahrt wird.
Welty: Was bedeutet das für jemanden, der einen modernen Park anlegt? Was muss der beachten, vielleicht auch im Unterschied zu Lenné?
Rohde: Diese Frage müssen wir modernen Landschaftsarchitekten überlassen. Es gibt große Parkanlagen, die auch heute noch angelegt worden sind, aber auch im Kleinen, nämlich im Hausgarten. Zunächst einmal muss man die Grundkenntnisse haben, die Lenné hatte: Man muss Pflanzenkenntnisse haben, man muss etwas vom Boden verstehen, man muss auch mit der Technik umgehen können. Hier sind wir schon bei einem Punkt, wo Lenné auch große Bedeutung hatte, er hatte nämlich die Landesbaumschulen eingeführt, erweitert und auch besondere Obstbaumschulen geführt. Man muss beachten, dass die Vegetation natürlich wächst und gedeihen muss, das heißt, das Wasser ist eine wichtige Frage. Vielleicht muss man auch düngen und ähnliche Dinge machen. Es gibt so viel, was wir von Lenné lernen können, was heute noch bildlich vor uns steht.
Welty: Wie viel Fantasie braucht ein Gartenbaumeister oder Landschaftsarchitekt wie Lenné eigentlich, denn so ein Baum braucht ja eine Weile, um zu wachsen, und es sind ja auch verschiedene Jahreszeiten, mal mit Blättern, mal ohne Blätter, das sieht ja auch immer anders aus?
"Er hat die Landschaft in den Park geholt"
Rohde: Man muss die Gegebenheit sehen, den Genius loci. Man muss das Ganze erfassen. Lenné hat immer weiter auch aus seinen Anlagen heraus in die Landschaft gegriffen, er hat die Landschaft in den Park geholt, das, was wir heute als Potsdam-Berliner Kulturlandschaft sehen, die ja 90 Welterbe wurde, vor 25 Jahren. Das ist das eine, und er muss natürlich eine Handschrift haben, die zeitgemäß ist und auch ausdrückt, was das Bedürfnis der Bevölkerung oder der Auftraggeber darstellt. Das bedeutet, dass Lenné sogar in die Verfassung geschrieben hat 1848, dass sie den Charakter eines Volkes widerspiegelt, also das Verhältnis zur Natur. Denken Sie an Karl Foerster, der mit anderen Pflanzen später arbeiten konnte, nämlich mit Gräsern zum Beispiel und ähnlichen Dingen, so hat Lenné auch die exotischen Pflanzen, die schönen Pflanzen, die Magnolien oder Blühsträucher, andere Blühsträucher mit aufgegriffen, und das erfreut uns noch heute.
Welty: Sie haben es gerade gesagt – Lenné hatte eine Vorliebe für blühende Sträucher, aber auch eine Vorliebe für Platanen. Ist das noch zeitgemäß?
Rohde: Ja, das ist deshalb zeitgemäß, weil wir daraus lernen können. Wir können sehen, wie früher gestaltet worden ist, um heute entsprechend zeitgemäß auch zu gestalten und dann vielleicht anders. Vielleicht nehmen wir heute diagonale oder geschnittene Hecken, vielleicht haben wir eine andere Vorstellung, die uns aber auch erfreut. Wenn wir vor dem Berliner Reichstag stehen, dann sehen wir auch praktisch dort eine ganz andere Gestaltung, eine moderne mit auch neuen Aspekten, das, was die Natur bietet. Immer aber kommt es darauf an, die Pflanzen zu kennen und das Bild im Auge zu haben, was wir gestalten wollen.
Welty: Peter Josef Lenné hat uns ein grünes Erbe hinterlassen als der Gartenbaumeister vor 150 Jahren gestorben ist, und deswegen haben wir nicht Blumen sprechen lassen, sondern Michael Rohde, Gartendirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg. Herzlichen Dank für dieses "Studio 9"-Interview, das wir aufgezeichnet haben!
Rohde: Sehr gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.