Das Bauhaus und die Gartenkunst

Von Adolf Stock · 01.03.2006
Die "Gärten der Moderne" - unter diesem Titel haben in Dessau Landschaftsarchitekten über das eher schwierige Verhältnis der Moderne zum Garten nachgedacht. Ein Thema, über das bisher wenig gesprochen wurde. Das könnte sich ändern, denn das Treffen im Meisterhaus Schlemmer war nur der Auftakt für weitere Veranstaltungen in ganz Deutschland, denn in diesem Jahr widmet sich der "Tag des offenen Denkmals" der Gartendenkmalpflege. Eine Chance, denn bei dieser Gelegenheit lässt sich vielleicht auch klären, weshalb so viele Zeitgenossen mit moderner Gartenarchitektur nichts anfangen können.
"Es fliegen gewaltige Junkersflugzeuge über unserm Wäldchen herum, das ist eine Pracht anzusehen", schrieb Lyonel Feininger in einem begeisterten Brief an seine Frau, nachdem er als Bauhauslehrer 1926 in ein Dessauer Meisterhaus gezogen war. Bauhaus-Gründer Walter Gropius hatte vier weiße Häuser mit Flachdach für sich und die Bauhaus-Lehrer entworfen, die heute auf der Liste des Weltkulturerbes stehen. Jetzt hat Landschaftsarchitekt Uwe Merz die Grünflächen rund um die Bauten nach historischen Plänen rekonstruiert.

"Von Gropius her muss man sicherlich davon ausgehen, dass das hier eine Freiflächengestaltung war, die die Häuser zur Geltung bringen sollte oder auch diesen Kontrast, den bewussten Kontrast zwischen dem Wald und dem Baumbestand und den Gebäuden. Und deshalb eben auch die relativ klar abgegrenzten Vorgartenbereiche, wo er dann wahrscheinlich auch mit den Zäunen sagen wollte, dass ist eben nicht wirklich ein privater Bereich, sondern das ist öffentliche Grünfläche, das will ich für die Wirkung meiner Häuser haben. Aber das ist meine Interpretation, das ist nicht wirklich belegbar."

Aber nachvollziehbar ist das schon. Wie auf einem grünen Tablett werden die Ikonen der Moderne ausgestellt. Kein Blumenbeet, kein Petersiliengarten stört das perfekte, etwas sterile Bild. Walter Gropius war damit zufrieden, einzelne Solitäre wie Skulpturen in das ausgedünnte Kiefernwäldchen zu setzen und sie mit ein paar Wegen zu vernetzen. So einen ulkigen Garten hatten die Dessauer noch nie gesehen, und so strömten sie in die Vorstadt, um selbst nachzuschauen, was sich der Bauhäusler da ausgedacht hatte.

"Es gab wirklich nur an einem Gebäude eine Freiflächennutzung, also im Sinne von privaten Pflanzungen, also es gab ein paar Blumenpflanzungen am Haus Kandinsky-Klee. Es wurden auch ein paar Sträucher eingebracht, und ansonsten gibt’s Bilder, die Balkonkästen zeigen und solche Dinge, aber eine Gartenaneignung im Sinne auch meinethalben auch mit Beeten, Grabeland oder ähnlichem, ist hier nicht bekannt."

Mutter Natur hat den technikbegeisterten Gropius wohl nicht wirklich interessiert. Pläne, Landschaftsarchitektur am Bauhaus zu lehren waren zwar dann und wann im Gespräch, blieben aber am Ende doch in der Schublade liegen. Man setzte sich nicht in den Garten, man saß lieber auf der Terrasse und schaute den schnittigen Flugzeugen nach oder chauffierte ein Automobil. Die Damen des Hauses nahmen dekorativ in einem Stahlrohrsessel Platz oder freuten sich über ihre super-schicken Einbauküchen.

Den Arbeitern ging es nicht besser. Beim Slogan "Licht, Luft und Sonne" kam das Wort Grün erst gar nicht vor. Für sie entwarf Walter Gropius eckige Reihenhäuser in Dessau-Törten, die an einer langen, gebogenen Straße endlos aneinander klebten, und wo das bisschen Grün hinter dem Haus als Nutzscholle zum Einsatz kam. Die Zeiten waren schlecht: keine Rosen und Tulpen, nur Möhren, Kartoffeln und ein Karnickelstall. Doch auch dafür, sagt Gartendenkmalpfleger Martin Baumann vom Thüringischen Landesamt für Denkmalpflege, gab es maßgeschneiderte Lösungen.

"Leberecht Migge hat das passende Gartenkonzept dazu entwickelt. Industrialisiert und vorgefertigt nicht die Wohnung, sondern die Gärten. Er hat also mit Betonteilen gearbeitet und mit vorgefertigten Beregnungsanlagen und sämtliche Gärten nach dem selben Muster anlegen lassen, um eben auf die Art und Weise jedem Nutzer einer Wohnung, jeden Mieter einer Wohnung auch einen entsprechenden kleinen Garten zur Verfügung zu stellen, und den möglichst kostengünstig."

Gestern Abend haben Landschaftsarchitekten in Dessau über das Verhältnis der Moderne zum Landschaftsgarten einmal laut nachgedacht. Dabei wurde deutlich, dass die latente Ignoranz, dieser Garten-Minimalismus der Bauhäusler nur als die letzte Konsequenz einer technisch orientierten Lebensauffassung zu verstehen ist.

"Wenn man den Grundsatz der Moderne nimmt, wie er denn um 1910 rum entwickelt worden ist, mit ‚Form follows Function’, da kann man sagen, da ist die Gartenarchitektur relativ früh schon diesem Reformansatz gefolgt. Man hat also aus dem Grundriss des Hauses sehr oft etwas entwickelt, das im Prinzip die Nutzungsorientiertheit bei der Gestaltung – die Terrasse am Haus, die großen Wiesenflächen zum Spielen, vielleicht irgendwo noch ein Gemüsegarten oder ähnliches – Standard waren. Also da gibt es relativ viele Beispiele. Und es gibt auch durch die Bank weg namhafte Gartenarchitekten, die sich damit befasst hatten, von Leberecht Migge angefangen, Georg Pniower, das sind ganz namhafte Leute gewesen, die die Gartenarchitektur doch sehr wesentlich nach vorne geführt haben."

Mit Georg Pniower begegnet man einem Landschaftsarchitekten, der es geschickt verstanden hat, die Gebäude der Bauhaus-Ära mit einer fast wohnlichen Gartenarchitektur zu verbinden. Bei ihm sind Pflanzen und Rasen mehr als Statisten. Sie sind für ihn lebendige Wesen, die Haus und Garten beleben und bevölkern. Er war kein Purist, sagt Gartenhistoriker Peter Fibich, der über Pniower intensiv gearbeitet hat.

"Pniower war einer, der durchaus auch das Malerische in den Kontrast zu diesen modernen Bauten gebracht hat. Damit ist er jemand, der dieses zeichnerische, was man aus seinen Skizzen erfühlen kann, so dieses wirklich künstlerische Moment, dann zu dieser minimalistischen Architektur in Kontrast bringt. Und das aber keineswegs, um die Bauten gewissermaßen zu übertönen, sondern so einen Kontrast, der sich gegenseitig dann zur Steigerung bringt."

Pniower verlängerte nicht nur den Wohnraum bis in den Garten, er holt auch die Pflanzen ins Haus, entwarf Wintergärten und Panorama-Blumenfenster und nutzte kleine Steinmäuerchen, um Terrassen zu bauen und den Gartenraum zu gliedern. Heraus kam eine Ästhetik, die wir eigentlich erst aus den 50er Jahren so richtig kennen.

Georg Pniower wurde lange Zeit wenig beachtet, denn nach dem Zweiten Weltkrieg lebte und lehrte er in Ost-Berlin. Und noch ein anderer Zeitgenosse erfährt jetzt wieder mehr Aufmerksamkeit: Hannes Meyer, Nachfolger von Walter Gropius am Bauhaus in Dessau. Für ihn galt der Grundsatz: "Die Diktatur der Form ist abgebaut, das Leben ist siegreich und sucht sich seine Gestalt." In seinen Entwürfen steht die Landschaft gleichberechtigt neben der Architektur. Seine Bundesgewerkschaftsschule bei Bernau gehört zu den Schlüsselwerken der Moderne. Das Kiefernwäldchen, der künstliche See, das Internat, das Schulgebäude und die Sportanlagen bilden ein Gesamtkunstwerk, das nur der Gemeinschaft dienen will.

Ganz wie ein barockes Schloss mit Garten ist auch die Bundesgewerkschaftsschule ein architektonisches und zugleich soziales Gebilde. Nur wurde der Sonnenkönig durch die Gemeinschaft ersetzt. Ein grünes Biotop oder ein schöner Landschaftsgarten ist so nicht zu haben. Fürst Pückler und Peter Joseph Lenné haben hier nichts verloren.