Leiter des Flüchtlingscamps Sumte

Träumer und Realist

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Jens Meier leitet die Flüchtlingsunterkunft in Sumte, die zum 31. Oktober geschlossen wird. © Deutschlandradio / Hartwig Tegeler
Von Hartwig Tegeler · 31.10.2016
Seit Jahrzehnten arbeitet Jens Meier für Hilfsorganisationen. 2015 wurde er Leiter der Flüchtlingsunterkunft in Sumte, die zum 31.10. geschlossen wird. Wir stellen den ASB-Mann vor und blicken mit ihm zurück auf ein außergewöhnliches Jahr.
"Frohes Schaffen noch." - "Gleichfalls."
Da hängt noch das Schild mit der Brandschutzverordnung. In wie vielen Sprachen? Arabisch, Kurdisch …
"Eins, zwei, drei, vier, fünf … also, sind zehn oder elf."
Jens Meier geht über den fast leeren Flur des Flüchtlingsheims. Weniger als 20 Migranten sind noch da. Bald ist die Sumter Notunterkunft zurückgebaut.
"Ja, wenn man hier so ein paar Monate zurückdenkt, was hier so, sag ich mal, los gewesen ist. Manchmal haben die Sitzbänke hier in der Wartezone gar nicht ausgereicht."

Bis zu 20 Stunden durchgearbeitet

Jens Meier, 58 Jahre, verlobt, zwei Kinder, ein Hund, Atheist, Ex-Lehramtsstudent, Ex-Rettungssanitäter. Seit knapp 40 Jahren ist Meier in Hilfsorganisationen tätig. 2015, als immer mehr Migranten ins Land kamen, wurde der ASB-Mann Leiter der Sumter Flüchtlingsnotunterkunft in der Niederelbeaue.
"Ich denke, dass ich über all das, was ich in diesen 40 Jahren erlebt habe, so ein gewisses humanitäres Verständnis weiterentwickelt habe."
Mit entsprechenden körperlichen und seelischen Belastungen auch für die Profi-Helfer, die im Sumter Flüchtlingsheim mit seinen bis zu 750 Migranten auch mal an die 20 Stunden durcharbeiteten. Meier hat es hinbekommen, aber er saß auch morgens schon mal auf seinem Hotelbett und dachte:
"Ich möchte in mein altes Leben zurück und möchte aufhören."

In seiner Freizeit spielt Jens Meier Schlagzeug

Um durchzuhalten bekam der 1,97 Meter große und ziemlich schwere Mann Unterstützung von Lebensgefährtin, den Kollegen und…
"Und auch die vielen Kekse des nächtens. Ja, da ist schon einiges geflossen. Zum Schluss, nach sechs Monaten, 25 Kilo. Ja, ja, so viel. Aber ich bin hart am Arbeiten, dass das wieder weniger wird."
Jens Meier ist auch Schlagzeuger. Hardrock. Gut für den Kopf, sagt Jens Meier. Lieblingsstück: der Jimi-Hendrix-Song "All Along the Watchtower". Passt gut in unsere Zeit, meint Meier.
"Da kommen ja zusammen the joker and the thief. Das singt er ja. Und die beiden unterhalten sich ja so grundsätzlich über das, was die Welt und das Zusammenleben so ausmacht. Und der eine, der Joker, der Gaukler, der sieht das eher so von der Hoffnungsseite. Und immer mit so ein bisschen Humor so und Augenzwinkern dabei verbunden. Und vielleicht auch nicht so ganz tiefblickend.
Der Dieb aber sieht das Leben und die Welt aber doch sehr nüchtern. Und reduziert's dann so auf die wesentlichen Abläufe und versucht dem Gaukler so klarzumachen: Es geht letztendlich nur immer um eins, ums Überleben. Weil, es gibt da was, da kommt dann ja dieser Watchtower ins Spiel, was sowieso über allem steht. Und immer dafür sorgen wird, dass die Spielregeln so eingehalten werden, dass die Waage zwischen beiden Seiten immer ausgeglichen sein wird."

Ein Hendrix-Song als Lebensmotto

Der Hendrix-Song: ein Lebensmotto für Jens Meier?
"Ja, das mag durchaus sein. Ja, der Realist. Und auf der anderen Seite, ja, nennen wir ihn ruhig 'Träumer', die treffen sich auch in meiner Persönlichkeit zusammen."
Humanist, Realist, Träumer. Wer sich ein Bild dieses Mannes machen will, muss man auch noch ins niedersächsische Kernland fahren. Nach Barsinghausen, wo der ASB einen Kulturbahnhof betreibt. Geschäftsführer: Jens Meier. Es gibt die Wartehalle, eine Kussecke, ein Bistro; es finden Vortragsreihen und Konzerte statt. Im Bahnhof das ASB-Ausbildungszentrum. Und, nicht zu vergessen, es fahren 84 Züge am Tag.
Auf dem Weg zum Bahnhof wird eine der Kernkompetenzen des Meierschen Persönlichkeit sichtbar: jederzeit jeden "anschnacken". Ob afghanischer Imbiss-Besitzer in Barsinghausen oder Landwirt in Sumte. Kein Unterschied?
"Nö, so richtig nicht. Alles Jungs."

Sein Rezept: Kommunikationsströme zusammenführen

Schnacken, kommunizieren. Beim Kulturbahnhof geht es im Kern genau darum:
"Ein Zentrum der Kommunikation auch daraus zu machen"
Ist das das Geheimnis dieses Profi-Helfers? Kommunikationsströme zusammenführen.
"Ja, jetzt, wo Sie es sagen, fällt es mir auch auf."
Dann erinnert sich Jens Meier noch an die Großmutter, die einen Satz mitgegeben hat: Was du nicht willst, dass man dir tue, das füge auch keinem anderen zu.
"Ich musste über diesen Satz auch viel nachdenken, und das ist immer so einer der Leitsätze meines Lebens dann geblieben."
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