Leif Randt: "Allegro Pastell"

Statusmeldungen der Befindlichkeit

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Buchcover zu Leif Randt: "Allegro Pastell"
Selbstvergewisserungsprosa schreibt Leif Randt in "Allegro Pastell", findet unser Kritiker. © Kiepenheuer und Witsch
Von Wolfgang Schneider · 06.03.2020
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Leif Randts Roman "Allegro Pastell" ist für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. Unser Kritiker kann das nicht nachvollziehen: Er zeigt sich enttäuscht von dieser unverbindlichen Liebesgeschichte zwischen coolen Menschen um die 30.
Nach seinem utopischen Roman "Planet Magnon" kehrt Leif Randt auf die Bühne der Gegenwart zurück. Sein neuer Roman "Allegro Pastell"steht auf der Shortlist für den Leipziger Buchpreis, der in diesem Jahr im Programm von Deutschlandfunk Kultur vergeben wird. Er schildert forciert zeitgenössische Menschen um die 30. Der Webdesigner Jerome Daimler und die Schriftstellerin Tanja Arnheim beginnen eine Liebesbeziehung, in der alles "leicht" und "fair" bleiben soll, "schön, aber nicht existenziell".
Tanja lebt im hippen Berlin, Jerome seit einiger Zeit im Maintal; nicht ganz ohne Augenzwinkern ist er in das verlassene Eigenheim seiner Eltern gezogen. Die beiden, die sich als "Glücksmenschen" begreifen, führen eine Fernbeziehung. In größeren Abständen besuchen sie sich und senden sich ansonsten regelmäßig Nachrichten. Beide gönnen sich zwischendrin andere Affären – diese "Lovestory" hat etwas entschieden Unentschiedenes.

Es wird viel essen gegangen

Jerome verdient als Web-Designer so glänzend, dass er Ende Februar schon das Budget fürs ganze Jahr zusammen hat. Leif Randt liefert das Porträt eines Milieus, das offenbar kaum andere Sorgen kennt als Lifestyle-Fragen, Geschmacksurteile und Codices, die den ganzen Alltag dominieren. Es geht nicht nur darum, richtig auszusehen und die richtigen Partys zu besuchen, sondern auch die richtigen Gefühle und Gedanken zu haben. "Richtig" ist ein Schlüsselwort.
Es wird sehr viel essen gegangen in diesem Roman. Ansonsten gibt es wenig Handlung. Dafür auf jeder Seite Statusmeldungen der Befindlichkeit in einer oft hölzern wirkenden Selbstvergewisserungsprosa. Das hat vor allem mit der Manier zu tun, in der die Gedanken, Gefühle und Werturteile der Figuren präsentiert werden: "Im Nachhinein fand Tanja es positiv, dass" – "Jerome gefiel die Vorstellung, dass" – "Sie war sich zu 100 Prozent sicher, dass" – "Tanja vertrat die These, dass" – "Jerome ging davon aus, dass" – "Tanja fand es mehr als nachvollziehbar, dass"… Solche Floskeln, die man hier ununterbrochen liest, gehören eigentlich ins formale Repertoire eines altbackenen auktorialen Erzählens. Was man für erzählerische Ungeschicklichkeit halten könnte, entspricht aber der eigenwilligen Psychologie von "Allegro Pastell": Die Figuren haben gleichsam ein auktoriales Verhältnis zu sich selbst; sie stehen ständig neben sich, kuratieren sich selbst.

Zeit, erwachsen zu werden

Allerdings fällt es oft schwer, die gespreizten Eigen-Wahrnehmungen nachzuvollziehen: "Jerome mochte den Gedanken, dass er sich selbst gegebenenfalls unerträglich finden würde, könnte er sich hier in der U4 von außen sehen." Wie in diesem Zitat steht vieles im Konjunktiv, was die Pirouetten der Selbstreflexion noch umständlicher macht: "Obwohl Jerome niemals heiraten wollte, stellte er sich nun die Frage, wie er selbst heiraten wollen würde."
Auf einer anderen Ebene sendet der Roman dagegen ständig Signale des "Zeitgenössischen". Man ist nicht verliebt, sondern hat einen "akuten Crush", wie überhaupt viele coole englische Floskeln eingebaut sind in die Dialoge. Was das Drogenportfolio, die Locations, die digitale Kommunikation sowie die Diskurs- und Designfragen betrifft, reitet der Roman auf der vordersten Schaumkrone des Angesagten. Man will dran bleiben am Jungen, Neuen – und nicht wahrhaben, dass es Zeit ist, die verlängerte Jugend schmerzfrei zu beenden und "erwachsen" zu werden.
Immerhin steht bei Jerome am Ende der Wechsel von der ästhetizistischen zur ethischen Lebensweise an, denn er wird Vater, allerdings mit einer anderen Frau als Tanja. Dass er nun erst einmal eine Power-Point-Präsentation pro und contra Kind erstellt, ist witzig. Überhaupt liest sich dieses im Ganzen enttäuschende Buch mitunter wie eine langatmige Satire auf ein von ernsthaften Konflikten verschontes und an zu viel Selbstbeobachtung leidendes Wohlstandsmilieu.

Leif Randt: "Allegro Pastell"
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2020
288 Seiten, 22 Euro

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