Claus Leggewie zum Widerstand der Ukrainer

"In der Ukraine hat Putin sich sein eigenes Grab geschaufelt"

Eine Frau auf einer Demonstration hält ein rundes Schild hoch, auf dem ein Porträt Wladimir Putins mit roter Farbe durchgestrichen ist.
Mit dem Krieg gegen die Ukraine ende die Wertschätzung, die der Westen Putin bisher entgegengebracht habe, hofft der Kultur- und Politikwissenschaftler Claus Leggewie. © Getty Images / Janos Kummer
Claus Leggewie im Gespräch mit Sigrid Brinkmann |
Kiews Sophienkathedrale ist vor Zerstörung nicht sicher, glaubt die dortige Mitarbeiterin Olena Yasinetska. Doch Bilder vom ukrainischen Widerstand erinnerten an den Prager Aufstand 1968 – und gäben Anlass zur Hoffnung, meint Autor Claus Leggewie.
Auch wenn sich der russische Machthaber Wladimir Putin gerne der russisch-orthodoxen Kirche nahestehend präsentiere, ist die bedeutende Sophienkathedrale in Kiew vor einer Zerstörung nicht sicher. Das sagt Olena Yasinetska, die noch immer vor Ort ist und an der UNESCO-Welterbestätte der Sophienkathedrale für internationale Zusammenarbeit zuständig ist.
„Putin kann kein Gläubiger sein, weil er zerstört und tötet, ihm ist nichts heilig. Er mag sein Geschichtsbild auf der Kiewer Rus begründen, aber er lügt immerzu.“ Auch das historische Zentrum von Tschernihiw habe er bombardieren lassen, so Yasinetska: "Kathedralen aus dem 12. Jahrhundert!"
Die Sophienkathedrale in Kiew
Kiews Sophienkathedrale gilt als Herzstück der Kiewer Rus, dem Vorläufer der heutigen Staaten Russland, Ukraine und Belarus.© picture alliance / ZB
„Wir bitten um eure Hilfe und euren Schutz, wir bitten, die Kräfte der ganzen Welt zu vereinen, um diese Barbarei des 21. Jahrhunderts zu verhindern – eine Barbarei, die man in jüngster Geschichte so nicht gesehen hat.“

Erinnerung an den Widerstand von 1968

Die verzweifelte Lage, die Yasinetska und die Ukrainer erleben, erinnere ihn an den tschechischen Aufstand von 1968, sagt der Politik- und Kulturwissenschaftler Claus Leggewie. Auch damals seien die Menschen ohnmächtig einer sowjetischen Militärmacht gegenübergestanden.
Ein Mann stellt sich russischen Panzern, die eine Straße in Bratislava entlang fahren, entgegen.
Ein Mann versucht während des Einmarschs des Warschauer Pakts 1968 in Bratislava, russische Panzer zu stoppen.© picture alliance / United Archives / TopFoto
Diese Ohnmacht aber auch die Kraft zum Widerstand dokumentierten die Fotos, die zeigten, wie sich Menschen alleine Panzer entgegenstellten. Wie das berühmte Foto vom 21. August 1968, als sich der Klempner Emil Gallo mit aufgeknöpftem Hemd vor einen Panzer gestellt und zum Ausdruck gebracht habe: „Hier ist das nackte Leben, das ich eurer brutalen militärischen Gewalt entgegensetze.“
Ähnliches hat auch der Bürgermeister von Dnipro in der Ukraine Ende Februar mit einer Gruppe von Männern gewagt, als er einem anrückenden Panzer den Weg versperrte.

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Die Verzweiflung der Ukrainer könne er stark nachvollziehen, sagt Leggewie, auch wenn er deren Leiden nicht zu ertragen habe. Er erkenne einen großen Mut der Menschen dort.

Chance auf Demokratie

„Dieser Mut ist kein bloß symbolischer, verzweifelter Mut, sondern einer, der die Botschaft gibt, dass dort gekämpft wird und wir diejenigen, die dort kämpfen, bedingungslos unterstützen müssen – am Ende siegt die Freiheit.“
Der Politik- und Kulturwissenschaftler Claus Leggewie
Glaubt an ein baldiges "Ende von Putin": der Politik- und Kulturwissenschaftler Claus Leggewie.© picture alliance / dpa / Georg Lukas
Auch wenn sich die Menschen beim Prager Aufstand nicht von der Besatzung befreien konnten, hätten die Panzer nicht verhindern können, dass die kommunistische Partei „irgendwann abserviert wurde, dass Vaclav Havel der Stadtpräsident dieses Landes wurde und die tschechische Republik heute ein demokratisches Land mit guten Werten ist“.

"Putin ist am Ende"

Diese Zukunft könne er sich auch für die Ukraine vorstellen. Er hoffe, dass die irrtümliche Wertschätzung, die vom Westen dem Regime Putin entgegengesetzt wurde, jetzt ende.
„Ich denke, dass das das Ende von Putin ist und damit auch das Ende für die Unterstützung all der rechtsradikalen, völkisch-identitären, nationalistischen und faschistischen Bewegungen auf der ganzen Welt gekommen ist. Putin hat sich in der Ukraine sein eigenes Grab geschaufelt“.
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