Lebensmitteln auf der Spur

Die Bionuss aus der Steppe

Ein Biosiegel haben viele Produkte.
Ein Biosiegel haben viele Produkte. © picture alliance / dpa / Michael Vogl
Von Johannes Kaiser · 22.05.2015
Der Journalist Peter Laufer ist auf Weltreise gegangen hin zu den Quellen unserer Biolebensmittel. Er beschreibt die Lücken der Zertifizierungsstellen und die völlige Vernachlässigung des Kontrollwesens für die Prädikate und Siegel auf den Produkten.
An Skandalen mit vermeintlich biologisch angebauten Lebensmitteln fehlt es nicht: Falsch deklarierte Hühnereier, mit Pestiziden belasteter Mais oder als Bio deklariertes Fleisch, das in Wirklichkeit aus Massentierhaltung stammt. Wie aber geht das? Fragt der amerikanische Enthüllungsjournalist Peter Laufer, überzeugter Bioverbraucher, in seinem Buch "Bio?".
Misstrauisch machten ihn zwei Produkte: eine Dose schwarzer Bohnen aus Bolivien und eine Tüte Wallnüsse aus Kasachstan. In beiden Fällen fragte er bei den Bio-Unternehmen nach, woher sie ihre Ware beziehen? Wer das überprüfe? Beide Firmen verweigerten die Auskunft, sprachen von Betriebsgeheimnissen und dass alles korrekt zertifiziert sei. Also wandte sich Laufer an die staatliche Zertifizierungsstelle. Doch auch die blockte ab. Daraufhin schaute er sich die Zertifizierungsstelle selbst genauer an. Mit fatalem Ergebnis: Die Behörde ist unterbesetzt und kaum in der Lage, den ständig wachsenden Biomarkt zu überwachen. Ein Beamter überprüfe eine Milliarde Umsatz. Zudem bezahlen die Betriebe die Prüfer selbst.
Kontrollen passieren zu selten und zu oberflächlich
Peter Laufers Buch ist flüssig geschrieben, bisweilen etwas zu atmosphärisch, aber immer freundlich im Ton - selbst bei den schlimmsten Abfuhren. Seine Recherche hat ihn nicht nur quer durch die USA geführt, sondern auch nach Tunesien, Ungarn, Italien und Österreich - Europas Vorreiter beim Absatz von Bioprodukten. Die Situation ist allerorten dieselbe: Nirgendwo, das gilt auch für Deutschland, gibt es unabhängige Zertifizierungsstellen. Zwar versuchen einige Biomarken Vertrauen dadurch zu gewinnen, dass sie die Hofadressen angeben und Kunden zum Besuch einladen. Aber da liegt, so Peter Laufer, die Krux der Biobranche: Kontrollen passieren zu selten und zu oberflächlich. Der Verbraucher muss dem Händler vertrauen. Besser noch: Er kennt den Bauern direkt. Das mag, so der Autor, regional funktionieren, aber bei Bioprodukten aus weit entfernten Ländern versagt das System.
Gut belegt und akribisch recherchiert
Und so gibt es auf dem Weg zum Endverbraucher zahlreiche Möglichkeiten, konventionelles Gut mit Bioware zu vermischen. Vorsicht sei vor allem bei Ware aus korrupten Regimen geboten, so Laufer. Erst nach mühseligen Recherchen fand er heraus, dass es in Kasachstan gar keine Plantage für Biowalnüsse gibt. Hat die US-Zertifizierungsbehörde den offenkundigen Betrug geahndet? Nein.
Resümee: Wer biologisch erzeugte Lebensmittel konsumieren will, der muss direkt beim Bauern einkaufen oder selbst anbauen. Alle anderen müssen wissen: Die Kontrollen sind mies und deshalb ist nicht alles, wo Bio drauf steht, auch Bio drin. Neu ist diese Erkenntnis nicht, aber selten hat jemand das so gut belegt und akribisch recherchiert, wie Peter Laufer.

Peter Laufer: Bio? Die Wahrheit über unser Essen
übersetzt von Karin Miedler und Sigrud Schmid
Residenz Verlag, Wien 2015, 286 Seiten, 19,90 Euro

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