Lebensmittel-Laden ohne Kasse

Amazon will das Einkaufen revolutionieren

Das Logo von Amazon
Das Logo von Amazon © imago/Sascha Ditscher
Von Wolfgang Stuflesser · 08.12.2016
"Amazon Go" nennt der Versandhändler seinen ersten Lebensmittelladen in Seattle. Noch ist es nur ein Test für Mitarbeiter, aber die Idee könnte eine ganze Branche revolutionieren: Der Laden kommt dank künstlicher Intelligenz ohne Kassen aus.
Amazon erklärt sein Konzept für den Lebensmittelladen der Zukunft in einem Werbevideo. Glückliche Menschen kaufen da ein, getaucht in warmes Licht, in einem netten kleinen Lebensmittelladen, den es tatsächlich schon gibt: Direkt am Firmensitz von Amazon in Seattle. Es ist Amazons Antwort auf die Frage: Wie sähe das Einkaufen aus, wenn man in einen Laden laufen, sich das Nötige nehmen und einfach wieder gehen könnte?
Bezahlen muss man natürlich schon noch - aber das funktioniert eben, so verspricht Amazon, alles automatisch: Die Kunden halten beim Reingehen in den Laden ihr Smartphone mit der passenden Amazon-App an einen Sensor - damit sind sie eingecheckt. Dann nehmen sie Brot oder Würstchen aus dem Regal, stecken sie in die Tasche - und die Technik kriegt alles mit und bucht am Ende den fälligen Betrag vom Amazon-Kundenkonto ab.
Kein Warten an der Kasse, kein mühseliges Ware-rauf-aufs-Band, Ware-runter-vom-Band, nicht mal Bargeld oder Bankkarte sind nötig.

Erst nächstes Jahr dürfen auch Normalsterbliche rein

Welche Technik genau zum Einsatz kommt, darüber schweigt sich Amazon aus. Der nette Erzählonkel im Video spricht "sehenden Computern”, - der Laden ist also vermutlich gespickt mit Kameras, dann ist von der "Verbindung mehrerer Sensoren" die Rede - wahrscheinlich merkt das Regal also, wenn was rausgenommen wurde. Und auch künstliche Intelligenz soll im Einsatz sein - ganz ähnlich wie in selbstfahrenden Autos, heißt es. Fehlt noch ein netter Name dafür: Amazon nennt das Ganze die "Einfach-Rauslaufen-Technologie”.
Selbst wenn der Kunde zum Beispiel ein Törtchen aus dem Regal nimmt, dann an die Kalorien denkt und es doch wieder zurücklegt, soll die Technik das verstehen.
Im Moment gibt es nur den einen Laden in Seattle, und auch dort dürfen zurzeit nur Amazon-Mitarbeiter einkaufen. Erst nächstes Jahr sollen auch Normalsterbliche rein dürfen.
Sucharita Mulpuru ist Strategieberaterin für den Einzelhandel bei der Firma Shoptalk. Sie sagte beim Radiosender NPR, dass Amazon mit seiner Idee wohl einige andere Lebensmittelketten in Furcht und Schrecken versetzen werde:
"You can bet there are other grocers quaking in their boots."
Denn bislang ist gerade der Lebensmittelhandel von den tiefgreifenden Veränderungen durchs Internet nahezu unberührt geblieben. Amazon liefert zwar in Teilen der USA schon ein Weile Lebensmittel aus, sogar gekühlte Ware - aber Medienberichte, dass der Versandhändler in den nächsten zehn Jahren bis zu 2.000 eigene Lebensmittelläden aufmachen will, bekommen ein ganz anderes Gewicht, wenn man sich den Laden in Seattle anschaut.

Idee ist gar nicht neu - aber bislang zu teuer

Dabei ist die Idee "Einkaufen ohne Kasse” nicht neu - IBM habe das schon vor Jahren versucht, sagt Ivan Hofmann von der Logistik-Beratungsfirma ETC & Associates - die Technik habe sich aber als zu kostspielig erwiesen, weil die Etiketten mit eingebauten Funk-Chip, die auf jedes Produkt geklebt werden mussten, einfach zu teuer waren:
"... which proved to be too expensive because the tag itself is too costly."
Amazon Go braucht offenbar keine Funkchip-Etiketten, aber noch ist natürlich auch bei Amazon völlig unklar, ob die Technik den Alltagstest besteht. Und ob sie die größte Hürde nimmt: Den Kunden. Der muss nämlich dem Versandriesen erst mal blind vertrauen, dass auch die richtigen Waren berechnet werden.
Außerdem sammelt Amazon so noch mehr Daten also ohnehin schon. Und es soll ja auch Kunden geben, die beim Einkaufen vor allem eines schätzen: Das nette Schwätzchen mit einer echten Kassiererin aus Fleisch und Blut.
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