Latke- und Dreidel-Songs statt Glocken

Von Jonathan Scheiner |
Alle reden von Weihnachten, von Oratorien, Gospelchören und "Oh Du Fröhliche". Dabei gibt es doch auch an Chanukka wunderschöne Musik. Und während die einen Tannenbaum und Nikolaus besingen, haben die anderen Latkes, Dreidel und die Channukia.
So wunschlos glücklich, wie der jüdische Sänger Eddie Cantor, das sind die wenigsten Juden an Weihnachten. Denn so ein festlich geschmückter Weihnachtsbaum, vor dem sich die Geschenke türmen - das hat schon was und macht, um die Wahrheit zu sagen, ein bisschen neidisch, weil man als Jude dabei leider leer ausgeht. Nicht umsonst pflegen viele jüdische Eltern die Tradition der Chanukkageschenke. Sie fallen zwar eher klein aus. Aber wenigstens gibt es heiße Kartoffelpuffer, die berühmten Latkes, und einen Chanukkakreisel. Und es gibt den Chanukka-Leuchter, an dem die Juden in aller Welt allabendlich die Kerzen anzünden. Damit bringen sie an acht Tagen hintereinander Licht in die dunkelste Zeit des Jahres.

Nicht nur Weihnachten, sondern auch Chanukka ist ein frohes Fest. Vor allem musikalisch gesehen gibt es keinen Grund, neidisch zu sein, schon gar nicht angesichts der Shoppinguntermalung mit "Jingle Bells" oder "Alle Jahre wieder". Statt Dean Martin und Doris Day gibt es auf jüdischer Seite wunderschöne Musik von Harry Connick Jr. oder auch Kenny Ellis. Der amerikanische Crooner "dreidelt" sich gleich durch eine ganze Chanukka-Platte.

Kennis Ellis bildet nur die Speerspitze einer ganzen Horde von jüdischen Chanukka-Sängern. Debbie Friedman zum Beispiel mit ihrem "Latke-Song", Mickey Katz mit "Grandma's Dreidel" oder die Latino-Rapper Hiphop Hoodios mit "Ocho Kandelikas".

Doch Juden haben nicht nur Chanukka-Lieder geschrieben, sondern auch ein paar der berühmtesten Weihnachtslieder wie "Rudolph - das Rentier" oder "White Christmas". Auch der jüdische "King of Swing", Benny Goodman, hat Weihnachtslieder geschrieben. Und selbst die jüdische Punkband "Ramones" ist an Weihnachten geradezu handzahm geworden - ein wenig zumindest:

So wie man ausgiebig darüber debattieren kann, ob man an Chanukka die Latkes besser mit Sahne oder besser mit Apfelmuss genießen sollte - so kann man sich auch trefflich über jüdisch-nichtjüdische Komponisten von Weihnachts- und Chanukkaliedern ausmehren. In aller Breite tut das ein wunderbares Doppelalbum, das vor kurzem von der Idelsohn-Society aus New York herausgegeben wurde. "'Twas the night of Hanukka" bietet satte 34 Songs. Nichts, was es darauf nicht gibt: Weihnachtslieder jüdischer Musiker von Herb Alpert bis Bob Dylan. Und Chanukka-Songs von den Protestsängern Ella Jenkins und Woody Guthrie.

Dass Woody Guthrie nicht nur klassenkämpferische Songs, sondern auch Chanukka-Lieder geschrieben hat - das hat die Band "The Klezmatics" ans Tageslicht gebracht. Für ihr Album "Wonderweel" hat die Band 2007 sogar einen Grammy gewonnen - als erste und einzige Klezmerband überhaupt. Der Hintergrund: Guthrie war in zweiter Ehe mit der jüdischen Tänzerin Marjorie Greenblatt verheiratet - daher gab es nach dem Klassenkampf am heimischen Herd Latkes mit Apfelmuss. Oder mit Sauerrahm.

So humorvoll wie die Band The LeeVees kann man die Latkes-Frage auch beantworten. Oder - man drückt sich einfach vor der Entscheidung zwischen Apfelmus oder Sauerrahm, Chanukka oder Weihnachten. Wie auch die amerikanische Komikerin Melissa McQueen. Auf youtube kursiert ein hinreißendes Video, wie sie Maria Careys Hit "All I want for Christmas" auf die Schippe nimmt. Hier also ihre nicht ganz ernst gemeinte Lösung aller Probleme: "All I want for christmas ... is Jews". Da freut man sich doch auf: Weihnukka!

Links auf dradio.de:

Singende Kerzen zu Chanukka
Chanukka "in Antwort auf Weihnachten weiterentwickelt" - Berliner Rabbinerin über das jüdische Lichterfest
Tocotronic oder das Chanukka-Lied - Reihe: Was mir heilig ist - Oliver Polak
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