Lateinische Münzunion

Scheitern eines europäischen Währungsbundes

Die Rückseite einer französischen Goldmünze zu 50 Francs aus dem Jahre 1866 zur Zeit Napoleon IIi.
Die Rückseite einer französischen Goldmünze zu 50 Francs aus dem Jahre 1866 © picture alliance / dpa / Paolo Koch
Von Jutta Hoffritz · 23.12.2015
Der Euro war nicht die erste Gemeinschaftswährung: Vor 150 Jahren gründeten Frankreich, Italien, Belgien und die Schweiz die Lateinische Münzunion. Später schlossen sich 14 weitere Staaten an, darunter Griechenland - bis zum Grexit 1908.
"Beseelt von dem Wunsch, die Währungsordnung zu harmonisieren und den Zahlungsverkehr zwischen ihren Staaten zu vereinfachen, haben Seine Majestät der Kaiser von Frankreich, Seine Majestät der König von Belgien, Seine Majestät der König von Italien und die Schweizerische Eidgenossenschaft beschlossen, eine Münzunion zu gründen."
Vereinfachter Zahlungsverkehr? Harmonisierte Währungen? Ein Währungsbund gar – und das alles beschlossen von den Monarchen Europas? Tatsächlich ist der Euro nicht der erste Versuch, die Länder des Kontinents wirtschaftlich aneinander zu schmieden. Eine Anstrengung unternahmen die Europäer bereits, als sie sich am 23. Dezember 1865 in Paris zur "Lateinischen Münzunion" zusammenschlossen.
"Initiator war Frankreich. Napoleon III. hatte wirtschaftliche, politische und auch währungspolitische Hintergründe. Frankreich wollte dominant sein und wollte seine Macht weiter ausbauen. Allerdings waren auch die anderen Mitglieder durchaus an dieser Union interessiert. Denn sie versprachen sich davon wirtschaftliche Vorteile."
... erklärt die Münsteraner Wirtschaftsprofessorin Theresia Theurl. So handelten Frankreich, Belgien, Italien und die Schweiz den Währungsbund aus. Die Münzen hießen zwar weiter Francs, Franken und Lira, entsprachen einander aber in der Stückelung sowie im Gold- und Silbergehalt.
Eine Währungsunion ohne Zentralbank
Deutschland war nicht dabei, weil sich die deutschen Lande zu dieser Zeit nicht einmal untereinander auf gemeinsames Geld einigen konnten. Dafür schlossen sich der Union später noch 14 andere Staaten an. Doch bald schon häuften sich die Probleme:
"Die Münzunion hatte ihre Schwächen. So gab es keine gemeinsame Organisation, die über die Menge des Geldes, das geprägt wurde, entschied. Es gab also keine gemeinsame Zentralbank. Und man hatte darauf verzichtet, Sanktionen und Strafen festzulegen, wenn sich jemand nicht an die Regeln hält."
Das konnte nicht lange gutgehen. Einige Länder – und schon damals zählte Griechenland dazu – hatten Schwierigkeiten, ihre Staatsausgaben zu finanzieren. So begannen sie, Gold- und Silbermünzen mit minderwertigen Metallen zu strecken.
1897 wurde Griechenland unter Aufsicht gestellt
Aus der Entfernung betrachtete man das Geschehen in Europa mit analytischem Interesse. Etwa der amerikanische Ökonom und spätere Zentralbanker Henry Parker Willis 1901:
"Es ist schwer zu verstehen, warum Griechenland in den Münzbund aufgenommen wurde. Ein Land, zerrissen von politischen Kämpfen, belastet mit einer schwachen Wirtschaft und verrotteten Staatsfinanzen."
1893 erklärte Griechenland den Staatsbankrott. Und schon 1897 baten die Griechen erneut um Kredit, worauf die internationalen Gläubiger das Land unter Aufsicht stellten. Die Griechen mussten alle Edelmetalle abliefern – und gaben statt Münzen fortan Papiergeld aus. Das wiederum sorgte für Ärger im Münzbund. Die anderen Mitglieder sahen die Geschäftsgrundlage verletzt.
Sie wussten aber nicht, was sie tun sollten. Banknoten waren bei Gründung der Münzunion noch so exotisch gewesen, dass es für Papiergeld keine Regelung gab. Es kam im Vertrag schlicht nicht vor. Nach langem Ringen und 40 Jahren Mitgliedschaft wurde Griechenland schließlich 1908 ausgeschlossen. Das löste aber nicht alle Probleme.
"Der größte Geburtsfehler der Münzunion war, dass man ein Verhältnis zwischen Gold und Silber festgeschrieben hatte: Und diese Parität hat sich aber zunehmend nicht mehr eingestellt. Zuerst wurden große Goldmengen gefunden, dann kam es wieder zu einer Silberschwemme, neu entdecktes Silber."
Nur noch die Schweiz befolgte die Regeln
Wegen neuer Silberfunde, unter anderem in Nevada, sank der Wert des Silbers langfristig. Zum Nachteil all derer, die weiter zum festgelegten Kurs Goldmünzen dafür eintauschten. Das führte zum Streit in der Münzunion. Wer sollte die Verluste tragen? Die augenblicklichen Besitzer der entwerteten Münzen oder die ausgebenden Staaten?
Der italienische Ökonom Arturo de Johannis notierte 1885:
"Die Verbündeten halten ihre Allianz aufrecht einzig zu dem Zweck, Zeit zu gewinnen, dass einer auf den anderen, wenn möglich, die fatalen Consequenzen des Bundes ablade."
Während des Ersten Weltkriegs wurde der Vertrag ausgesetzt, weil nun alle wie wild Papiergeld druckten. Doch auch danach hielt sich fast nur noch die Schweiz an alle Regeln. So bekam sie für ihr gutes Geld immerzu das wertlose Geld der anderen. Zum Jahreswechsel 1927 kündigte die Schweiz den Vertrag und verweigerte den Umtausch. Das war das Ende der Münzunion.
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