Laschet: Es wurde ernsthaft gesprochen

11.10.2013
Die Flüchtlingspolitik werde einer schwarz-grünen Koalition nicht im Wege stehen, sagt Armin Laschet, stellvertretender CDU-Vorsitzender und NRW-Chef seiner Partei. Er habe noch keine Präferenz für einen Partner, räumt jedoch ein, es gebe "gewichtige Argumente" für die Grünen.
Christopher Ricke: Jetzt haben sie miteinander gesprochen, sie haben sondiert, die Union und die Grünen. Das ist natürlich noch weit entfernt von offiziellen Koalitionsverhandlungen, aber es ist ein Schritt aufeinander zu und man war gestern Abend wohl auch sehr freundlich miteinander, ist sich nicht direkt an die Gurgel gegangen. Der CDU-Landesvorsitzende in Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, der hat sich vorher schon positioniert.

Also, sollte es jemals zu Schwarz-Grün kommen, dürfte er als Architekt mit gelten, und Laschet sagte eben, die Entfernung der Union zu den Grünen sei schließlich auch nicht größer als die zur SPD. Damit knüpft er vielleicht an die Zeit der sogenannten Pizza-Connection in Bonn an. Denn der Grünen-Politiker Cem Özdemir sagte darüber vor einiger Zeit:

O-Ton Cem Özdemir: Was davon geblieben ist, ist bei mir beispielsweise eine Freundschaft mit Armin Laschet in Nordrhein-Westfalen, aber auch mit anderen. Die besteht auch fort, man duzt sich, man kennt sich, man sieht sich gelegentlich oder geht auch mal was essen oder trinken.

Ricke: Genau dieser Armin Laschet ist jetzt im Gespräch, guten Morgen, Herr Laschet!

Armin Laschet: Guten Morgen, ja!

Ricke: Jetzt war ja sogar Alexander Dobrindt von der CSU freundlich und sagte - man achte bitte auf die doppelte Verneinung! -, das Gespräch mit den Grünen sei nicht so verlaufen, dass man sich nicht wiedertreffen könnte. Wenn der das schon sagt, was sagen Sie denn?

Laschet: Ich denke zunächst mal, dass das eine völlige Normalität ist, dass Parteien, die im Deutschen Bundestag zusammensitzen, sich über Sachfragen unterhalten können und sehen können, wo gibt es Gemeinsamkeit und wo gibt es keine. Und mich wundert, dass das alle ganz überraschend finden, dass man miteinander manierlich umgeht. Eigentlich ist das eine Selbstverständlichkeit und das Gespräch ist gestern wohl von großer Sachlichkeit und auch sehr detailliert geführt worden.

Ricke: Es geht ja nicht nur um Manierlichkeit und Höflichkeit, man redet ja miteinander, weil man zumindest theoretisch in Erwägung zieht, dass man es miteinander tun könnte.

Laschet: Aber wenn Sie sich zurückerinnern an den Wahlkampf, der ist ja noch nicht allzu lange her, da haben SPD und Grüne in sehr, sehr vielen Punkten ähnliche Positionen vertreten. Beispielsweise zur Steuerpolitik. Das war ja kein großer Unterschied. Und dass man nun sieht, was können wir denn an gemeinsamen Positionen möglicherweise für eine Koalition herausarbeiten, dafür braucht man Zeit. Und das zeigen im Moment diese Gespräche.

Es gibt Themen der Übereinstimmung und es gibt möglicherweise Themen des Gegensatzes. Und erst, nachdem man die Gespräche geführt hat, kann man am Ende entscheiden, wie können wir denn vier Jahre das Land stabil regieren, ohne dass eine Regierung dauernd in einer Regierungskrise ist.

Ricke: Es gibt ja zwei sehr starke Argumente tatsächlich für Schwarz-Grün. Einmal, die Grünen wären für die Union der deutlich kleinere Partner als die SPD, damit vielleicht etwas leichter zu zähmen, und sowohl die Union als auch die Grünen sind ja strukturell eher bürgerliche Parteien. Sind das auch Ihre Argumente?

Cem Özdemir, Grüne
Cem Özdemir, Grüne: "Man duzt sich, man kennt sich."© dpa / Soeren Stache
"Gewichtige Argumente"
Laschet: Ich habe noch keine Präferenz da, weil ich auch nicht sicher bin, ob es am Ende mit den Grünen gehen würde. Aber die beiden Argumente, die Sie nennen, sind natürlich gewichtige Argumente. Ein Partner, der acht Prozent in einer Wahl hat, lässt vielleicht mehr Raum für das Unionsprogramm, für eine Partei, die 41 Prozent hat, als ein Partner, der 25 Prozent hat. Aber dennoch muss man sehen, wo sind denn die Schnittmengen?

Für uns beispielsweise in Nordrhein-Westfalen ist die Frage, wie können wir Industrieland bleiben, wie können wir wettbewerbsfähige Arbeitsplätze auch in Zukunft erhalten mit den großen energieintensiven Betrieben, der Stahlindustrie, der Aluminiumindustrie. Alles das sind wichtige Fragen und das ist wohl auch eines der Themen gewesen, das gestern mit den Grünen besprochen wurde.

Ricke: Ein Knackpunkt, der noch nicht vertieft erörtert wurde, das ist einer, wo Sie sich ja offenbar sehr anstrengen, den auszuräumen, das ist der Umgang mit den Flüchtlingen in der Europäischen Union. Da haben Sie ja direkt oder auch indirekt versucht, den Innenminister zu mehr Menschlichkeit zu bewegen ...

Laschet: Nein.

Ricke: Ist das der Bereich, in dem sich die Union ein bisschen bewegen könnte?

Laschet: Nein, ich brauche den Innenminister zu gar nichts zu bewegen, das ist schon ein Innenminister, der sich um Integration und auch um Flüchtlinge kümmert. Und ich habe auch mal Frau Göring-Eckardt, die versucht hatte, das zu einem parteipolitischen Thema zu machen, daran erinnert, dass der letzte Innenminister einer rot-grünen Regierung, Otto Schily, der hat damals vorgeschlagen, macht Flüchtlingslager am Rande der Wüste, auf dem afrikanischen Boden, lasst sie gar nicht erst übers Mittelmeer kommen.

Also, das ist eine Frage von Persönlichkeiten und nicht von Parteipolitik. Und ich glaube, das ist eines der Themen, über das man sich am allerehesten einigen kann. Das ist, glaube ich, nicht ein wirklicher Knackpunkt. Die Bundesrepublik Deutschland nimmt die größte Zahl an Flüchtlingen in der gesamten Europäischen Union auf. Aber dass man in der Sekunde, wo 300 Menschen im Mittelmeer ihr Leben lassen, erst mal sich um die Menschen und um die Not kümmert, und nicht über Regeln diskutiert, das halte ich auch als Christ für eine pure Selbstverständlichkeit.

Ricke: Jetzt gab es diese schwarz-grünen Sondierungsgespräche. Jetzt darf man aber, wenn man pessimistisch ist, doch vermuten, dass das alles nur ein Manöver ist, um die SPD etwas zu zähmen. Können Sie mir das ausreden?

Wäscheklammern in den Farben der Partein schwarz (CDU), rot (SPD) und grün (Grüne)
Wäscheklammern in den Farben der Partein schwarz (CDU), rot (SPD) und grün (Grüne)© picture alliance / dpa
"Normal, dass Demokraten miteinander reden"
Laschet: Ja, das ist nicht so. Es wird ernsthaft gesprochen, es wird gesehen, wo gibt es Gemeinsamkeiten, und die SPD ziert sich ja auch bisher. Die SPD hat ja auch in ihren eigenen Reihen im Moment eine Diskussion, will man überhaupt in eine große Koalition?

Ich erlebe Frau Kraft in Nordrhein-Westfalen, die alles tut, um eine solche große Koalition zu verhindern. Und insofern, finde ich, ist das normal nach einem Wahlergebnis, dass Demokraten miteinander reden.

Das hat nichts mit Taktieren und "Dem-anderen-die-Preise-Hochtreiben" zu tun, sondern das sollte in einem Parlament von vier Parteien jetzt - wir haben auch schon fünf Parteien im Parlament drin gehabt - zur Regel gehören, dass Demokraten miteinander reden.

Ricke: Ja, aber bei diesen Gesprächen lohnt es sich natürlich, genau auf die Terminsetzung zu gucken. Also, montags redet die Union mit der SPD, Dienstag mit Grünen. Sprich, was muss die SPD am Montag liefern, damit man den Dienstagtermin absagen kann?

Laschet: Nein, das kann man nicht sagen. Es gibt verschiedene Themenbereiche, die man sich aufbewahrt hat, sowohl bei der SPD als auch mit den Grünen. Und danach wird beurteilt, was geht und was geht nicht. Es ist nicht so, dass da bestimmte Bedingungen jetzt gestellt werden und man da feilscht. Man muss nach den Gesprächen einen Eindruck haben, mit diesem oder jenem Partner kann man das vier Jahre zusammen machen, und was da am Ende den Ausschlag gibt, das ist heute noch gar nicht abzusehen.

Ricke: Armin Laschet, der CDU-Vorsitzende in Nordrhein-Westfalen. Ich danke Ihnen, Herr Laschet!

Laschet: Bitte schön!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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